Hockenheim. Im Schwurgerichtsprozess am Landgericht Mannheim gegen einen 29-jährigen Tunesier, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag vorwirft, hörte die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Gerd Rackwitz am zweiten Verhandlungstag Ermittler und Zeugen. Der Beschuldigte soll am Abend des 26. September vergangenen Jahres in der DRK-Obdachlosenunterkunft im Auchtergrund zwei Männer angegriffen und dabei einen 49-Jährigen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt haben.
Ein 36-jähriger Beamter der Spurensicherung präsentierte eine Lichtbilderdokumentation der Kriminaltechnik. Auf dem Flur und in verschiedenen Zimmern im ersten Stock der Unterkunft war eine Vielzahl an Blutspuren gesichert worden. Türen und Wände waren blutverschmiert. Vor der Toilette, wo das Opfer zweimal reanimiert werden musste, hatte sich eine große Blutlache gebildet.
Ein Heizkörper im Zimmer, über den der Angeklagte aus dem Fenster geflüchtet sein soll, hatte eine Delle. Das Gericht sah Bilder von der blutbesudelten Kleidung des Angreifers und des Geschädigten.
Opfer ruft blutüberströmt die Polizei an
Ein 54-jähriger Mitbewohner berichtete von einer lautstarken Auseinandersetzung in der Küche. Die Rangelei zwischen zwei Männern habe an Intensität zugenommen. Es habe öfter Zoff gegeben in der Unterkunft, das habe die Leitung aber nie interessiert, klagte der Zeuge, dass die Polizei sehr unfreundlich zu ihm gewesen sei. Der 46-jährige Mitbewohner, der vom 29-Jährigen zuerst attackiert worden sei, habe „blutüberströmt mit der Polizei telefoniert“, berichtete der Ex-Mitbewohner.
Ein anderer Zeuge, der dem 29-Jährigen bei der Flucht aus dem Fenster geholfen haben soll, kam nicht. Auf Antrag von Staatsanwalt Frank Stork wurde er mit einem Ordnungsgeld von 150 Euro, ersatzweise drei Tage Haft, belegt.
Ein 23-jähriger Mitbewohner, der vor kurzem aus dem Gefängnis in die Psychiatrie verlegt wurde, war ebenfalls Zeuge der Bluttat gewesen. Er habe das schwer verletzte Opfer gesehen, dann seien auch schon die Rettungssanitäter gekommen. Der Angeklagte soll zur Polizei gesagt haben, dass er es gewesen sei. Bei dem Streit sei es wohl um eine Frau gegangen, meinte der 23-Jährige, der unter paranoider Schizophrenie leidet: „Ich weiß aber, was ich gehört und gesehen habe.“
Untersuchungsberichte wurden verlesen. Der Angeklagte soll bei der Attacke mit dem Messer oberflächliche Verletzungen erlitten haben. Gleich nach der Tat sei seine Stimmung „provokativ und abweisend“ und sein Verhalten „aggressiv“ gewesen. Bei der molekulargenetischen Untersuchung des Landeskriminalamts waren die Spuren eindeutig dem Tatverdächtigen zugeordnet worden. Von der Tatwaffe, einem Küchenmesser, war der Griff im angrenzenden Feldbereich gefunden worden, die Klinge wurde erst drei Tage später auf dem Dach direkt über dem Zimmerfenster des 29-Jährigen entdeckt.
Der Angeklagte mit heftigen Beleidigungen gegen Frauen
Der Tunesier hat zahlreiche Vorstrafen, unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Einmal hatte das Amtsgericht Schwetzingen ihn zu einer 19-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Das Gericht verlas noch zwei Strafbefehle wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und Autoaufbrüchen. Der Mann hatte zu einer Beamtin gesagt, er lasse sich von einer „scheißdeutschen Frau“ nichts sagen, denn Polizisten seien ohnehin alle Rassisten.
Ein 31-jähriger Rechtsmediziner hatte die schweren Verletzungen des Opfers dokumentiert. Die Stiche in den Brustkorb seien eindeutig mit einem Messer ausgeführt worden. Dabei sei es zu einer Einblutung vor dem Herzen gekommen. Der Mann habe auch Blut in der Brusthöhle gehabt, dadurch habe das Herz nicht mehr pumpen können. Als die Retter an den Tatort gekommen seien, habe er einen Herzkreislaufstillstand gehabt. Die Reanimation habe über einige Minuten gehen müssen.
„Jemand hat mich angegriffen, er haut gerade ab, es ist mein Nachbar hier“, war auf einer Audiodatei von zwei Notrufen zu hören. Ein 43-jähriger Kriminalbeamter brachte das Tatmesser mit. Der 29-Jährige habe nach dem Geschehen zunächst keine Angaben machen wollen, dann aber doch angefangen zu erzählen.
Der Geschädigte sei auf der Intensivstation vernommen worden: „Er wusste nichts mehr und sagte nur, er habe keine Stichverletzungen. Er hatte Angstzustände. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ging es ihm nicht gut. Er hat immer noch Schmerzen.“ Der Prozess wird am Donnerstag, 6. Juli, um 9 Uhr am Landgericht Mannheim fortgesetzt. Dann wird das forensisch-psychiatrische Gutachten zum Angeklagten verlesen, bevor Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Ein Urteil fällt an diesem Tag noch nicht.
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