Bei der Digitalisierung der Verwaltungsarbeit will Oberbürgermeister Marcus Zeitler nicht nur aufholen, sondern in einigen Bereichen auch Vorreiter sein. „Die Daten von heute sind das Gold und die Aktien von morgen“, formuliert es der OB. Sie seien Grundlage für alle Tätigkeiten, die die Stadt vollzieht. Das gilt insbesondere für den Erhalt des städtischen Gebäudebestands, der mancherorts einen dringenden Sanierungsbedarf zeigt. Mit dem Programm „GebäudeCheck“ der „Plan4 Software GmbH“ soll dieser gezielt angegangen werden, erklärte Zeitler am Dienstag bei einem Pressegespräch im Bürgersaal des Rathauses.
Nur die genaue Kenntnis vom Zustand eines Objekts gewährleiste eine effiziente und kostengünstige Sanierung und beuge bösen Überraschungen vor, unterstreicht der OB. Wie diese Kenntnis zusammengetragen werde, hat Dr. Hendrik Seibel, Mitgründer und Geschäftsführer von „Plan4“, bereits dem Gemeinderat vorgestellt, der sich laut Zeitler einstimmig für den Einsatz von „GebäudeCheck“ ausgesprochen hat.
Digitales Instandhaltungsmanagement mit „GebäudeCheck“
Die Stadt Hockenheim ist Eigentümerin von 29 öffentlichen Gebäuden, 26 Wohnhäusern mit 133 Wohnungen und 15 Geschäftsgebäuden. Dazu kommen 42 Brücken und viele Kilometer Kanäle.
Zunächst werden die Wohngebäude erfasst, an diesem Mittwoch werden sechs Blöcke aufgenommen, im September geht es weiter. Das Ergebnis wird im November im Gemeinderat präsentiert.
Die digitale Erfassung ermöglicht einen aktuellen einheitlichen Stand aller Akten, die bisher unterschiedlich bearbeitet wurden. Verschollene Unterlagen durch Organisationswechsel sollen der Vergangenheit angehören.
Die Eingabe der Daten ist teilautomatisiert. Das Programm errechnet aufgrund von Erfahrungswerten und Formeln beispielsweise selbstständig Flächen, aber auch Preise. Korrektureingaben sind jederzeit möglich.
Die Stadt zahlt für die Software 3000 Euro pro Jahr für fünf Nutzer inklusive Support. Dazu kommen 3000 bis 5000 Euro pro Projekt. mm
Seibel ist Architekt und entwickelte die Software aus der Praxis, um „den Workflow zu erleichtern“. Bisher erfolge die Erfassung eines Gebäudezustands mit Kladde und Zollstock und einer sehr aufwendigen Nachbearbeitung im Büro. Mit „GebäudeCheck“ werden per Tablet beim Begehen Fotos und Daten gesammelt. Dabei bewertet der Anwender anhand eines vordefinierten einheitlichen Leitfadens den Zustand mit den Kategorien A bis D.
Realschule als Pilotprojekt
Das Ergebnis sind bildhafte Darstellungen je Objekt, die den Sanierungsbedarf auf einen Blick zeigen. Als Pilotprojekt präsentiert Seibel die Erfassung und Bewertung der Theodor-Heuss-Realschule. Nach klassischer händischer Methode hätte sie eineinhalb Wochen gedauert, erklärt der Architekt, mit der Software schaffte es „Plan4“ in drei Tagen: je einem für Vorbereitung, Aufnahmen vor Ort und Nachbereitung der Daten.
Dass das Ergebnis aus städtischer Sicht ernüchternd ausfällt, liegt nicht an „GebäudeCheck“: Rund 8,5 Millionen Euro muss die Stadt investieren, um die Schule zu sanieren, rechnet Oberbürgermeister Zeitler vor. Auf einen Blick zeigt Seibel in der Grafik auf der LCD-Videowand, was die größten Posten sind: Die Dächer allein kosten über eine Million.
Die Aufschlüsselung nach Kostengruppen und Gewerken biete den Gremien Transparenz bei der Beratung: Wie setzt sich die Summe zusammen? Was ist am dringlichsten anzugehen? Anhand der Fotos sei das schnell veranschaulicht. „Da sind wir schon ein Stück weit unterwegs in Richtung digitale Bauakte“, sagt Hendrik Seibel. Marcus Zeitler verspricht sich davon auch Verbesserungen für die Budgeterstellung in der mittelfristigen Finanzplanung. Das freue auch den Kämmerer, der über einen mehrjährigen Zeitraum seinen Haushalt aufstellen und Folgekosten einrechnen könne.
Interne Kommunikation erleichtert
Die Kommunikation unter den Ämtern wird sich nach Überzeugung des OB ebenfalls verbessern, weil der Zugriff auf die Daten im Netzwerk wesentlich leichter sei als die Einsicht in Akten, die zentral an einer Stelle gelagert werden. Und Kenntnisse gehen nicht verloren, wenn langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand wechseln.
Dokumentation sei das A und O, wenn es um Versicherungsfälle geht. Schließlich sollen die gesammelten Daten auch die Erstellung einer Prioritätenliste erleichtern, die angesichts begrenzter Haushaltsmittel unverzichtbar ist.
Im Bauhof hält die Digitalisierung ebenfalls Einzug: Dessen Aufgaben von der Grünanlagenpflege bis zur Straßenreinigung müssten auf eine Datenplattform gepackt werden. Marcus Zeitlers Traum: „eine komplett gläserne Stadt“, in der der Bauhof-Chef an einer beliebigen Stelle mit seinem iPad stehen und dort alle relevanten Informationen abrufen kann: Wann wurde sie gebaut, wann saniert, auf welcher Asphaltdecke, über welchen Leitungen, von welchen Kapazitäten und vor welchen Gebäuden? „Es wird noch Jahre dauern, das wissen wir, aber irgendwann muss man anfangen und wir haben einen guten Start hingelegt.“
Außendienstaufwand geht zurück
Den Anstoß zum Einsatz von „GebäudeCheck“ hat Yvonne Wagner vom Bau-Controlling der Stadt gegeben. Sie hatte sich auf Städtetag-Ebene mit Kollegen über zentrale Erfassungsmöglichkeiten ausgetauscht. Die Suche führte zu „Plan4“, die seit vier Jahren mit dem Gemeindetag zusammenarbeite.
Im Februar wurde die Software im Rathaus vorgestellt. Sie erlaube nicht nur die Aufnahme der Gebäude, sondern auch Bauwerken wie Brücken. Pioniere der Anwendung berichteten von weniger Außendienstaufwand, kürzerer Einarbeitung neuer Mitarbeiter und erleichterter Vertretung.
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