Einblicke ins Recht

Hockenheimer Schule am Kraichbach besucht Schwetzinger Amtsgericht

Wie Gerichtsverhandlungen ablaufen und Strafen verhängt werden, lernen die Schüler in Schwetzingen. In Hockenheim gibt ihnen ein Vollzugsleiter einen Einblick in das Leben hinter Gittern - und bestätigt Klischees.

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Schule am Kraichbach
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Auf dem Foto vor dem Gericht ist außerden Jugendlichen Präventionspolizist Tobias Hoffmann (l.) und Schulsozialarbeiterin Anna Schlitt (4. v. l.) zu sehen. © Schlosser

Hockenheim. „Ist ihr Job gefährlich?“ Auf Frage von Mikal, der in Hockenheim die Schule am Kraichbach besucht, antwortete Vollzugsleiter Dirk Naber mit einem ganz klaren „Ja“, denn im Gefängnis hat er es teilweise mit schwierigen und gefährlichen Verbrechern, Sexualstraftätern und anderen Menschen zu tun, die auch nach ihren Vergehen keine Verhaltensänderung zeigen.

Naber, tätig in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal – Außenstelle Kislau – wurde von Klassenlehrer Tony Vellappallil anlässlich der Unterrichtseinheit „Jugendliche und das Recht“ in die achte Klasse eingeladen, um den Schülern einen Einblick in das Leben hinter Gittern zu gewähren.

Schüler aus Hockenheim stellen Fragen zu Gefängnis

Insgesamt nahm sich Naber ausreichend Zeit, um die Fragen der Jugendlichen zu beantworten. Nachdem Naber von seinem Werdegang erzählt hatte, berichtete er den Schülern vom Leben im Gefängnis. Viele Klischees über Gefängnisse entsprechen laut dem Vollzugsleiter tatsächlich der Wahrheit. So stimme es, dass unter den Gefangenen eine Art Hierarchie herrscht: „Mörder stehen hierbei an oberster Stelle und ganz unten die Sexualstraftäter.“ Im Gefängnis leben Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, unterschiedlichen Religionen und Wertvorstellungen auf engstem Raum zusammen. „Da kommt es immer mal wieder zu Konflikten“, bestätigt Naber.

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Zum Job eines Justizvollzugsbeamten gehören neben der sicheren Unterbringung und Resozialisierung noch andere Aufgaben. Sie kontrollieren regelmäßig die Hafträume und die Post der Gefangenen, helfen den Insassen beim Ausfüllen von Formularen und achten besonders auf kranke und suizidgefährdete Gefangene.

Was Volllzugsbeamte in ihrem Job machen

Es kommt mal vor, dass Insassen Ausbruchsversuch unternehmen, denn „der Freiheitsdrang sei hoch“. Aus diesem Grund werden Gefangene für den Ausbruch „nicht in dem Sinne bestraft, sie müssen nur die Fluchtzeit absitzen“, so Naber. „Es ist heute in der JVA üblich, dass wir Gefangene nicht einfach nur wegschließen. Mit jedem Einzelnen wird zu Beginn ein Zugangsgespräch geführt, in dem persönliche Schwierigkeiten und Probleme festgestellt und erforderliche Behandlungsmaßnahmen eruiert werden. So erhalten zum Beispiel suchtkranke Insassen eine begleitende Entzugstherapie.“

Gefangene haben darüber hinaus die Möglichkeit, in der Haftanstalt eine Ausbildung zu absolvieren, um sich auf ein Leben nach der Strafe vorzubereiten.

Besuch von Verfahren wegen Beleidigung am Amtsgericht Schwetzingen

Einige Tage später begaben sich die Achtklässler und Vellappallil auf den Weg nach Schwetzingen ins Amtsgericht. Schulsozialarbeiterin Anna Schlitt und der Präventionsbeauftragte der Hockenheimer Polizei Tobias Hoffmann begleiteten sie. Auf der Agenda: ein Verfahren wegen Beleidigung.

Als die Verfahrensbeteiligten und die Schulklasse von der vorsitzenden Richterin Sara Neuschl über die Sprechanlage in den Saal gebeten wurden, waren die Schüler sichtlich aufgeregt. Im Sitzungssaal des Amtsgerichts saß ein Mann auf der Anklagebank, der einen Security-Mitarbeiter einer Asylunterkunft beleidigt haben soll.

Nach der Anhörung des Angeklagten, der Zeugen und der Staatsanwaltschaft fällte Neuschl das Urteil von 80 Tagessätzen zu je 10 Euro zu Ungunsten des Angeklagten. Eine Geldstrafe wird nicht in pauschalen Beträgen, sondern in sogenannten Tagessätzen verhängt, wie die Jugendlichen lernten. Dabei hängt die Höhe von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten ab.

Besuch beim Amtsgericht "wie im Fernsehen"

„Warum sind solche Verhandlungen öffentlich“, fragte Hussain im anschließenden Gespräch die Richterin. Neuschl erklärte ihm, dass öffentliche Sitzungen die Gerichte kontrollieren, Vertrauen schaffen und die Bürger informieren sollen, wie der Rechtsstaat in Deutschland funktioniert.

„Das war ja wie im Fernsehen“, staunte Angelina in der Reflexionsrunde in der Schule. Ungläubig fragte Mert: „Muss der Beschuldigte tatsächlich 800 Euro Strafe für zwei beleidigende Wörter zahlen?“ „Nicht nur das. Hinzu kommen Verfahrenskosten zwischen 400 und 600 Euro“, ergänzte Anna Schlitt auf die Frage hin. Bestimmt überlegt sich der eine oder andere Schüler, welche Worte er künftig benutzen wird – zusätzlich zum Informationsgehalt der Unterrichtseinheit.

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