Hockenheim. Glücksgefühle auf dem Hockenheimring – das versprechen Fußball-Weltmeister Lukas Podolski und Musikmanager Markus Krampe bei der Premiere ihres gleichnamigen Festivals ab 14. September auf der Rennstrecke. Die soll sich dabei in eine Art Erlebnispark verwandeln und zusammen mit einem Großaufgebot von Popstars und DJs wie Sarah Connor, Cro oder Robin Schulz vier Tage lang mehr als 70 000 Besucherinnen und Besucher beglücken.
Weniger Glück hatten am 21. Juli an gleicher Stelle viele Besucher des Konzerts von Bruce Springsteen im Motodrom. Der Boss und die E Street Band waren grandios, aber An-und Abfahrt haben aber nicht nur viele der 80 000 Fans Lebenszeit im Stau gekostet. Die am schlimmsten Betroffenen sahen gerade mal die Zugabe und hatten dann eine gute Stunde Rückmarsch zum Auto und erneuten Stau vor sich. Warum sich das beim viertägigen Glücksgefühle-Festival so nicht wiederholen können soll, erklärt Hockenheimring-Greschäftsführer Jochen Nerpel in diesem Interview.
Herr Nerpel, man hört allenthalben, beim Glücksgefühle-Festival könne sich ein Verkehrsdrama wie bei Springsteens Open Air nicht in diesem Ausmaß wiederholen. Weil bis zu 30 000 der erwarteten 70 000 Gäste campen und deshalb früher anreisen?
Jochen Nerpel: Wie Sie schon sagten, herrscht bei einem Festival eine grundsätzlich andere Situation. Da sich nicht alles auf die drei Stunden Bühnenzeit eines Einzelkonzerts konzentriert, sondern die Besucher zeitversetzt an- und abreisen. Durch das Campingangebot wird die Situation zudem wesentlich entzerrt, da viele bereits einen Tag früher ihre Zelte in Hockenheim aufschlagen und oftmals erst einen Tag nach Festivalende die Heimreise antreten.
Trotzdem wird es phasenweise zu Behinderungen kommen. Mit welchem Ausmaß rechnen Sie?
Nerpel: Wir sind in enger Abstimmung mit der Autobahnmeisterei, der Polizei und sowie sämtlichen beteiligten Behörden, die keine größeren Probleme für das Festivalwochenende vorhersagen. Sicherlich wird es zu Stausituationen kommen, die jedoch nicht mit der Lage beim Bruce-Springsteen-Konzert zu vergleichen sind. Bei diesem Konzert kam mit Ferienbeginn, Rushhour, Freitagabend und Baustelle einiges zusammen. Wir rechnen damit, dass bei Glücksgefühle bereits rund 70 Prozent der Camper am Donnerstag anreisen werden.
Was raten Sie Gästen aus der Region zur Anreise?
Nerpel: Sie sollten auf jeden Fall genügend Zeit für die An- und Abreise einplanen und den LED-Wegweisungen und der Beschilderung folgen. Auch durch die örtlichen Gegebenheiten und Entfernung der Parkflächen muss entsprechend Zeit eingeplant werden. Auf den Social-Media-Kanälen des Veranstalters und der Polizei erhält man aktuelle Informationen rund um die An- und Abreisesituation. Des Weiteren hat man die Möglichkeit, aus den Richtungen Karlsruhe und Mannheim mit der Deutschen Bahn anzureisen.
Der Bahnhof in Hockenheim scheint aber prinzipiell unterdimensioniert, auch strukturelle Probleme der S-Bahn schlagen unter den Extrembedingungen eines Großereignisses durch. Sehen Sie da eine Chance auf Verbesserung?
Nerpel: Da wir nicht für die Deutsche Bahn sprechen können, sind wir leider der falsche Ansprechpartner, was die strukturellen Probleme angeht. Der Veranstalter jedoch steht in engem Kontakt mit der DB und auch dem Verkehrsverbund Rhein- Neckar (VRN), um Engpässe möglichst zu vermeiden.
Was ist verabredet?
Nerpel: Es werden Sonderzüge in beide Richtungen im Einsatz sein. Zudem wird die Ausschilderung vom beziehungsweise zum Bahnhof optimiert, ein Leitsystem mit Zugangszäunen wird für eine direkte Personenführung am Bahnhof sorgen, und Security-Kräfte werden den Besucherfluss vor Ort regeln. Außerdem ist eine komplette Ausleuchtung des Bahnhofsplatzes sowie das Vorhandensein von genügend Sanitäranlagen vorgesehen. Für die Verpflegung stehen je ein Stand für Getränke sowie Speisen zur Verfügung, und über eine Sprecheranlage, die temporär installiert wird, werden die Besucher über ständige Durchsagen auf dem Laufenden gehalten. Zum Beispiel bezüglich des Fahrplans.
Ich fahre die für mich gut 20 Kilometer zum Hockenheimring möglichst mit dem Rad. Was ich nur empfehlen kann. Aber ich habe mich beim Springsteen-Konzert umgeschaut: Wenn jetzt Tausende Räder abzustellen wären, gäbe es auch Probleme. Oder nicht?
Nerpel: Nein, wir verfügen über genügend Flächen, die man als Radparkplatz einrichten könnte. Bezüglich Glücksgefühle sind wir tatsächlich gerade in Abstimmung, den Abstellplatz für Räder zu erweitern. Und generell gilt: Sollten wir merken, dass unsere bisher zur Verfügung gestellte Kapazität nicht mehr ausreicht, können wir sie bei den kommenden Veranstaltungen je nach erwarteter Besucherzahl anpassen.
Kleinere Festivals stellen Fahrrad- oder E-Roller-Flotten auf. Wäre das bei den weiten Wegen in Hockenheim eine Lösung?
Nerpel: Man müsste bei Konzerten am Ring eine riesige Anzahl an Rädern und E-Rollern einsetzen, was wiederum im Zusammenspiel mit den Fußgängern und dem Autoverkehr zu Chaos führen würde. Auch ob es hierfür eine Genehmigung für den öffentlichen Straßenbereich geben würde, halte ich für äußerst fragwürdig.
Zur Person
- Jochen Nerpel wurde am 16. Dezember 1983 in Sinsheim geboren. Er hat einen Master in Technical Management und begann 2016 als Leiter des Bereichs Technik und Betrieb der Hockenheimring GmbH. Motorsport kennt er auch als aktiver Sportler: In seiner Jugend fuhr der heute 39-Jährige erfolgreich in diversen Kart- und Formelklassen.
- Am 1. September 2019 beerbte er als Doppelspitze mit Jorn Teske den langjährigen Geschäftsführer Georg Seiler. Nerpel koordiniert alle infrastrukturellen, baulichen und technischen Projekte sowie die Streckenvermietung.
Wenn die Infrastruktur unter Extremauslastung regelmäßig kollabiert – wäre es eine Lösung, die Kapazität bei Einzelkonzerten zu deckeln? Auf 50 000 zum Beispiel. Damit verdient man ja auch Geld. Oder man lässt die Künstler zwei Mal auftreten
Nerpel: Der Ring ist natürlich für viele Veranstalter aufgrund seiner Größe attraktiv. Die infrastrukturellen Kosten bei einem Konzert sind immens, was dieses wiederum erst ab einer bestimmten Größe wirtschaftlich macht. Zudem ist die Terminabstimmung mit Künstlern aufgrund enger Zeitpläne schwierig, so dass es oftmals unmöglich ist, ein zweites Konzert am Folgetag zu terminieren. Letztendlich sind wir hier von der Nachfrage der Veranstalter und deren Planungen abhängig. Im Grunde wird der Ring erst ab einer Größenordnung von 50 000 Besucherinnen und Besuchern für Konzertveranstalter interessant.
Zum Festival
- Die Premiere des Glücksgefühle-Festivals läuft vom 14. bis 17. September. Mehr als 70 000, ja bis zu 100 000 Besucher am gesamten Wochenende erwarten die Veranstalter, darunter rund 30 000 Camper. Geboten wird außer einem reichhaltigen Musikprogramm auf zwei Bühnen am Freitag und Samstag eine Art Erlebniswelt, u.a. mit Kartbahn, Riesenrad und Zirkus Flic-Flac.
- Einfache Karten kosten für das gesamte Festival 149 Euro, als Vierergruppe zahlt man pro Person 129 Euro. Für Tagestickets werden 89 Euro fällig. Die VIP-Arrangements sind ausverkauft. Vorverkauf: gluecksgefuehle-festival.de
- Am Freitag sind von 12 bis 23 Uhr u.a. Sarah Connor, Milky Chance, Sido, Wincent Weiss, Gentleman, Zoe Wees und Joris auf der Euphoria Stage zu hören. Die elektronischer ausgelegte Cloud 9 Stage beschallen DJs wie Steve Aoki, ATB, Felix Jaehn, Alle Farben, Gestört aber Geil, Glockenbach oder Stella Bossi.
- Am Samstag spielen u.a. die Rapper Cro und Marteria, der gegen 22.45 Uhr das Festival beendet, Popstars wie Lea, Nico Santos oder Clueso sowie die Punkband Donots. Die zweite Bühne gehört Paul van Dyk, Robin Schulz, Timmy Trumpet und neun weiteren DJ-Acts.
- Zeitplan: gluecksgefuehle-festival.de
Man hört, dass sich der Hockenheimring bei Glücksgefühle sehr hübsch präsentieren soll. Können Sie das etwas konkreter schildern?
Nerpel: Die verschiedenen geplanten Themenwelten auf dem kompletten Ringgelände versprechen ein ganz besonderes Festival-Erlebnis. Die Aufbauarbeiten beginnen bereits diesen Montag, das heißt, es wird ein riesiger Aufwand betrieben, verschiedene Attraktionen wie ein Riesenrad, einen Entertainment-Zirkus, Chill-Out-Zonen, einen Bereich für Supreme Camping und diverse weitere Event-Areas zum Erleben und Mitmachen zu errichten. Auch auf den Campingplätzen, zum Beispiel C3, sollen den Campern einige Aktionen geboten werden.
Es scheinen ja pro Tag mehr als 70 000 Gäste zu kommen. Das hat nicht jeder erwartet. Bei dieser Resonanz müsste der Folgetermin ja schon gebucht sein, oder?
Nerpel: Selbstverständlich gehen wir bei dieser Resonanz von einer Fortführung des Glücksgefühle Festivals aus – zumal wir ja eine mehrjährige Vereinbarung getroffen haben. Wir hoffen, den Termin nach Absprache mit dem Veranstalter schon bald veröffentlichen zu können.
Was lief Ihrer Einschätzung nach beim Marketing von Glücksgefühle besser als beim abgesagten Download-Festival?
Nerpel: Ich will nicht sagen, bei Glücksgefühle sei es besser gelaufen als bei Download, die Konzepte und Zielgruppen sind ja auch völlig verschieden. Glücksgefühle hat vielleicht in diesem Jahr einfach die besseren Voraussetzungen, während Download bedingt durch den umkämpften Festivalsommer produktionstechnische Hindernisse nicht überwinden konnte. Was Glücksgefühle im Premierenjahr bestimmt in die Karten gespielt hat, ist, dass das Festival mit gut einem Jahr Vorlauf auf den Markt gegangen ist, das sensationelle Line-up relativ frühzeitig feststand und die Veranstalter von Anfang an eine klare Vision von ihrem neuartigen Festivalkonzept hatten.
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