Hockenheim. Man stelle sich vor: Bei einem Spiel der Fußball-Bundesliga können die Zuschauer eine Tasche oder einen Rucksack mit beliebigen Inhalt ohne Kontrolle mit auf die Tribüne nehmen. Ein weit entfernter Gedankengang, denn bezüglich der Sicherheit bei einem Event mit mehreren zehntausend Besuchern stehen Kontrollen an oberster Stelle. Doch beim Konzert von Bruce Springsteen am Freitag, 21. Juli, auf dem Hockenheimring – ein Event mit über 85 000 Besuchern – rutschte diese Priorität weit nach unten, der vermeintliche Grund ist eine weitreichende Zollkontrolle, welche an diesem Tag durchgeführt wurde.
Beschwerden über fehlende Taschenkontrollen an den Eingängen häuften sich im Nachgang der Veranstaltung vor allem in den sozialen Medien. Vor Ort wurde ebenfalls klar: Hier herrscht offenbar Personalnot beim Security-Team. An den Aufgängen der Südtribüne – wo bei anderen Events mindestens jeweils zwei Security-Mitarbeiter für die Sicherheit zuständig sind – blieben Kontrollen teilweise komplett aus. Die Innenräume und Vorhöfe der Tribünenkioske waren frei zugänglich.
Nur die Eintrittskarten wurden beim Tribünenaufgang kontrolliert
Lediglich zwei „Kartenkontrolleure“ standen vor den Treppen zu den Sitzplätzen und stellten nach Konzertbeginn ihre Arbeit für einige Zeit ein. Rucksäcke und Taschen konnten ohne Probleme mit auf die Tribüne genommen werden, von Waffen bis Drogen hätten die Zuschauer also einiges in das Motodrom „schmuggeln“ können – ein unbestreitbares Sicherheitsrisiko.
Wie diese Zeitung erfuhr, sind die mangelnden Überprüfungen in einer umfassenden Zollkontrolle begründet, vor der etliche eingeplante Security-Mitarbeiter noch vor Öffnung der Tribünen offensichtlich geflohen waren. Dies berichtete ein Sicherheitsbeauftragter (Supervisor) der Security vor Ort.
Auf Nachfrage bestätigte das Hauptzollamt Karlsruhe den Einsatz beim Springsteen-Konzert. Neun Zollkräfte kontrollierten gemeinsam mit der Polizei am Tag des Mega-events insgesamt über 200 Personen auf ihre offizielle Anmeldung zur Arbeit. „Wir sind dort verdachtslos hin und haben die Personen nach ihrem Beschäftigungsverhältnis befragt“, teilt das Zollamt mit.
Schwarzarbeit steht im Fokus der Zollkontrolle
Dies diene der grundsätzlichen Prävention gegen Schwarzarbeit und dem Vortäuschen einer Arbeitserlaubnis. Erste Informationen, wonach einige der Security-Mitarbeiter direkt das Arbeiten verboten wurde, bestätigte das Zollamt nicht: „Es laufen umfassende Nachprüfungen, die Ergebnisse stehen noch aus.“
Die fehlenden oder unzureichenden Kontrollen bringen indes die Aussage des Supervisors mit der Aktion des Zollamts in unbestreitbaren Zusammenhang. Dies bedeutet – nach dem heftig kritisierten Verkehrschaos – einen weiteren Fauxpas in der Organisation rund um das ansonsten brillante Konzert des „Boss“.
Der Veranstalter „LiveNation“ will indes nichts von einer Kontrolle oder einem Personalengpass im Security-Bereich wissen und weist darauf hin, dass Zollaktionen bei Konzerten üblich sind. Die fehlenden Taschenkontrollen erklärt er auf Nachfrage: „Bei der Entscheidung zur Durchführung der Kontrollen, werden verschiedene Parameter angesetzt. Erwartete Gästeanzahl, Altersstruktur der Konzertgäste, Witterungsbedingungen, Bekleidungsstil der Besucher und die Hausordnung des Veranstaltungsgeländes.“
Veranstalter "LiveNation" widerspricht den Vorwürfen
Dass es jedoch an einigen Einlassstellen gar keine Security-Mitarbeiter und somit keine Kontrollen gab, kommentiert der Veranstalter nicht. Das Gerücht, dass sich knapp 100 Mitarbeiter vom Ort des Geschehens entfernten, um der Zollkontrolle zu entgehen, wird ebenfalls deutlich dementiert oder pauschalisiert: „Das ist falsch. Zirka 30 Mitarbeiter von Zulieferern sind nicht zum Dienst angetreten. Ausfälle in dieser Größenordnung sind normal, deshalb überbucht man von vorneherein die Mitarbeiteranzahl.“
Eine Praxis, die sich in der Theorie sinnvoll anhört, jedoch von den Zuständen vor Ort widerlegt wird. Denn die Abwesenheit der Sicherheitskräfte zog sich an den Tribünenaufgängen über das ganze Event und nicht nur kurzzeitig aufgrund der Dauer der Zollaktion.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Einladung für Kriminelle - fehlende Kontrollen bei Springsteen-Konzert in Hockenheim