Hockenheim. Nach der schwierigen Corona-Zeit hat die Hockenheim-Ring GmbH 2022 ein „überraschend gutes Jahr“ erlebt. Die Geschäftsführer Jorn Teske und Jochen Nerpel führen das auf mehrere positive Umstände zurück. Bei den Großveranstaltungen habe sich gezeigt, dass viele Rennsportfans „Nachholbedarf“ an Liveerlebnissen hatten. Der gesamte Business-to-Business-Bereich habe besser abgeschnitten als erwartet – die Firmen hätten wohl den Druck gehabt, das 2020 und 2021 zwangsweise Versäumte nachzuholen.
Gerade beim Dragsterevent Nitrolympx hätten viele Besucher ihre für 2020 gekauften Karten aufgrund ihrer Bindung an die Veranstaltung bewusst nicht zurückgegeben, sodass die Ring GmbH schon mit einem guten Vorverkauf gestartet sei. Der Trend habe bis zum Ereignis angehalten, der somit erzielte Zuschauerrekord wirke sich eins zu eins aufs finanzielle Ergebnis aus. Durchgehend habe man bei Großveranstaltungen gute Ergebnisse verzeichnet. Den Ausreißer nach oben habe auch die andere Veranstaltung vorangetrieben, die der Hockenheimring selbst organisiert: die Bosch Hockenheim Historic. Andere Ereignisse hätten in der Publikumsresonanz stagniert, bei ein, zwei sei sie leicht nach unten gegangen. Dagegen sei die Streckenvermietung sehr gut gelaufen. Das führen die Geschäftsführer auf die Nähe zu den Kunden und sehr kurze Dienstwege zurück.
Oberbürgermeister Marcus Zeitler ist überzeugt: „Unter den gegebenen Mitteln und Umständen haben wir das Maximum rausgeholt.“ Das zu schaffen und zugleich das Fachpersonal in der schwierigen Zeit der Zwangspause zu halten und zu beschäftigen, verdiene Anerkennung für die beiden Geschäftsführer.
Tritt auf die „Euphoriebremse“ für 2023 beim Hockenheimring
Jochen Nerpel tritt indes auf die „Euphoriebremse“, um Erwartungen an 2023 nicht zu hoch wachsen zu lassen: „Es war ein außergewöhnlich gutes Jahr, wir haben gut gearbeitet, aber das Geschäft ist so schnelllebig – man weiß nicht, was in der kommenden Woche passiert.“ Man sehe es am DTM-Wechsel: Es ist sehr viel Geschwindigkeit in der Branche.
Jorn Teske ergänzt, dass nicht nur die Einnahmenseite zum außergewöhnlichen Ergebnis beigetragen habe: „Auf der Kostenseite haben wir extrem diszipliniert gearbeitet.“ Das beginne bei ganz einfachen Fragen wie dem Umgang mit Energieverbrauch, setze sich aber mit kleinen Investitionen fort, die sich mit der Zeit bemerkbar machen.
Investitionen in die Effizienz des Hockenheimrings
Das heißt nicht, dass nicht investiert worden sei. „Es passiert eigentlich überall was“, sagt Teske. Als Beispiel nennt Nerpel die neuen Boxentore. Solche Ausgaben sei vor weniger Jahren noch undenkbar gewesen. Das entstehende Welcome-Center und eine weitere Lagerhalle sollen eine noch effizientere Arbeit gewährleisten.
Zur erfreulichen Gesamtbilanz rechnet die Ringgeschäftsführung die Sondertilgungen – in Summe 1,5 Millionen Euro. „Das gab es meines Wissens nicht, seitdem die Darlehen aufgenommen worden sind“, hebt Jorn Teske die Besonderheit hervor. Den üblichen Tilgungsverpflichtungen sei die Ring GmbH stets nachgekommen – bis auf die Aussetzung in der Corona-Zeit. Doch nun habe es die Liquidität ermöglicht, Darlehensgeber zu bedienen, kleinere Darlehen vollständig abzulösen – was auch Zinsen spare. „Früher hat man darüber nicht mal nachdenken können“, sagt Teske.
Für das laufende Jahr planen Teske und Nerpel erneut mit einem positiven Ergebnis, obwohl viel Geld in Instandhaltung und Investition fließen soll. „Wir sind weit davon entfernt, jetzt abzuheben oder uns irgendwelchen Luxus zu gönnen“, betonen beide.
Der Rotstift werde angesetzt, wo möglich. „Mir geht es immer um Effizienz, wir springen nur so hoch, wie wir können“, erklärt Jochen Nerpel. Ferngelenkte Rasenmäher mit größerer Mähbreite könnten die riesigen Grasflächen schneller pflegen als Hilfskräfte, daher sei ihre Anschaffung sinnvoll. Neue Kioskcontainer ermöglichten seit zwei, drei Jahren die schnellere Kundenabfertigung zu Stoßzeiten.
Marcus Zeitler verweist als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung darauf, dass der Ring bei der Digitalisierung zur Optimierung von Arbeitsabläufen einen großen Schritt nach vorne gemacht habe.
Die Hockenheim-Ring GmbH habe aktuell knapp 50 feste Mitarbeiter für Verwaltung und Streckenbetrieb. Der Umsatz liegt laut Teske bei rund 14 Millionen Euro. Wobei die Umsatzhöhe nicht das Entscheidende sei: In den Jahren mit Formel 1 sah sie ganz anders aus, machte aber bedeutend weniger Freude. Der „spürbar siebenstellige Überschuss“ des Jahres 2022, mit dessen Verkündigung der OB beim Neujahrsempfang für Furore sorgte, sei aber ein Indikator, dass es wirklich nicht schlecht lief.
Alle Events stehen beim Hockenheimring auf dem Prüfstand
Abgesehen von der Formel 1 hatte die Ring aber keine „Sorgenkinder“: Sicherlich stelle die Ring GmbH regelmäßig Veranstaltungen auf den Prüfstand und halte an nichts fest, was sich als dauerhaft defizitär erweist und keine Perspektive auf Verbesserung habe wie etwa das American Fan Fest oder der DTM-Auftakt. In die Bewertung fließen der Vergleich zur Streckenvermietung ebenso ein wie die potenziellen Nebeneinnahmen durch Catering oder Hotel. Aber die Königsklasse sei in ihren Ausschlägen nach unten oder oben mit nichts vergleichbar.
Zum positiven Ergebnis beigetragen hat auch die Vermietung des Parkplatzes P 2 an einen Systemdienstleister der Automobilindustrie als Zwischenlager für Elektrofahrzeuge. „Das hat in Summe gut geklappt“, zieht Jochen Nerpel Zwischenbilanz. Wann die Wagen wieder „vom Hof sind“, stehe derzeit noch nicht fest. Im Vertrag steht die Verlängerungsoption bis Ende März, Nerpel kann sich auch vorstellen, einen Teilbereich bis Mitte April zur Verfügung zu stellen. Wenn der Kunde zufrieden sei, sieht er auch eine Einnahmemöglichkeit auf Dauer.
Der Ring braucht die Fläche definitiv bei der Bosch Hockenheim Historic vom 5. bis 7. Mai, wobei dafür auf dem P 2 eine Kapazität von 2000 Fahrzeugen ausreiche. In Spitzenzeiten standen knapp 5000 E-Autos hier. Das Download-Festival am 23. und 24. Juni ist die erste richtige Beanspruchung des Geländes.
Mit der Vermietung verdiene die Ring GmbH mehr als bei einigen Publikumsveranstaltungen. Sie helfe, die Unterhaltungskosten der 130 000 Quadratmeter großen Fläche abzufedern, betonen die Geschäftsführer. Auf den E-Mobilen sitzen bleiben werde man mit Sicherheit nicht: „Das steht ja gebundenes Kapital, das wieder zu liquiden Mitteln gemacht werden soll, das ist ja kein Selbstzweck.“
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