Hockenheim. In seinem Wahlkampf ist Marcus Zeitler das Thema Hockenheimring häufig begegnet – doch dabei ging es stets um die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Stadt und Rennstrecke und die finanziellen Verpflichtungen, die der Kommune daraus erwachsen. Umso erstaunter ist der Oberbürgermeister im Sommerinterview mit unserer Zeitung, dass aktuell das Thema Lärm viel stärker als das Geld oder die Eigentumsverhältnisse die öffentliche Debatte in der Stadt bestimmt. Zeitler ist überzeugt, dass die Mehrheit der Bürger zum Ring steht und mit seiner Geräuschkulisse leben kann.
Sie sagten bei der Pressekonferenz mit der Hockenheim-Ring GmbH Mitte Juli, Sie sind für die Beibehaltung der aktuellen Betriebszeiten. Bleiben Sie dabei?
Marcus Zeitler: Mein Empfinden ist, dass mindestens acht von zehn Menschen in Hockenheim sagen: „Der Ring gehört zu Hockenheim“ und sich damit identifizieren. Der Bekanntheitsgrad der Stadt ist auch für die Ansiedlung von Gewerbe interessant. Den Namen Hockenheim kennt man auch in China oder Japan. Zum Thema Lärm ist zu sagen: Es war noch niemand bei mir, der sich darüber beschwert hätte. Und meine Tür ist eigentlich immer offen. Man kann mit mir über alles sprechen. Die Leute sprechen mich mehr wegen kaputter Straßen, Schlaglöchern, Hundehaufen und Pizzakartons an als wegen der störenden Lautstärke des Hockenheimrings. Die Schwerpunkte in der Bevölkerung werden anders gesetzt.
Wie oft kommen denn Bürger mit anderen Anliegen zu Ihnen, ist das ohne eine formelle Bürgersprechstunde überhaupt üblich?
Zeitler: Das kommt schon fünf- bis sechsmal pro Woche vor. Klar, zu Corona-Zeiten ist es nicht ganz so leicht wie vorher, aber wer am Eingang fragt, ob ich da sei oder mich anspricht, wenn ich gerade selbst hereinkomme, ob ich kurz Zeit hätte, hat nie ein Problem, mich zu erwischen. Meine Sprechstunde ist – immer.
Wäre eine Beschränkung der Betriebszeiten nicht ein guter Kompromiss?
Zeitler: Man kann das natürlich im Gemeinderat und in der Gesellschafterversammlung ansprechen, aber von meiner Seite wird da ein klares Nein kommen. Wenn wir in den Abendstunden den Betrieb früher einstellen, muss klar sein: Wir reden dabei von Einnahmenrückgang von geschätzt rund einer Million Euro. Wenn der Ring einen Tag stillsteht, fehlen rund 30 000 Euro in der Kasse, die wir zum Überleben brauchen. Daher ist meine Position: Wir lassen es so, wie es jetzt ist, weil die Mehrheit – und das sind nicht immer die, die am lautesten schreien – nach meinen Rückmeldungen damit einverstanden ist.
In der Debatte wird gerne Ihre Haltung aus der Podiumsdiskussion der HTZ vor der OB-Wahl bemüht, den Ring nicht um jeden Preis halten zu wollen – wird Ihnen das jetzt von Kritikern vorgehalten?
Zeitler: Ich habe im Wahlkampf gesagt, dass es keine primäre Aufgabe der Stadt sei, den Ring finanziell zu unterstützen. Und genau das ist bisher auch nicht passiert: Der Ring hat von der Stadt keinen einzigen Euro bekommen, seit ich da bin. Es geht darum, dass wir Partner brauchen, um den Ring weiter zu betreiben, das schaffen wir nicht allein. Ich habe nie gesagt, dass ich ihn verkaufe oder zumache. Er ist ein Teil der Stadt und wir müssen schauen, dass dieses Konstrukt eine Zukunft hat.
Wann geht es mit der Klärung dieser Zukunftsfrage weiter – da stand ja eine Entscheidung bevor, als Corona kam und alle Prozesse lahmlegte?
Zeitler: Die aktuelle Situation ist die: Wir sind weiter am Verhandeln mit Interessenten und Investoren. Es gibt noch einiges zu klären, doch wir sind bestrebt, Partner zu finden, die den Ring nachhaltig und im Sinne aller Hockenheimer und der Geschäftsführung weiter betreiben. Fakt ist, dass es nie zur Debatte stand, dass der Ring verkauft wird, sondern dass wir Kooperationspartner suchen, mit denen wir ihn weiter betreiben. Sobald wir hier zur Beschlussreife kommen, wird es natürlich eine Bürgerveranstaltung geben, bei der wir alles vorstellen und Fragen gestellt werden können. Die Verhandlungen laufen gut und wir sind guter Dinge, dass wir in den nächsten zwölf bis 24 Monaten eine gute Lösung präsentieren können und die Zukunft des Rings damit auch gesichert ist.
Welchen Einfluss hatte Corona auf den Prozess?
Zeitler: Corona hat uns Zeit verschafft und dazu geführt, dass wir während des kompletten Ausfalls von Veranstaltungen am Ring vieles neu überdenken konnten und feststellten, wo wir Optimierungsbedarf in der einen oder anderen Verhandlungsstrategie hatten. Das hat ermöglicht, dass wir jetzt in einer recht guten Ausgangslage sind. Umgekehrt ist zu betonen: Es sind keine Entscheidungen unter der Deckung von Corona an der Öffentlichkeit vorbei getroffen worden.
Ein wichtiges Thema ist die Stadtentwicklung. Wie geht es mit der Innenstadt weiter, etwa mit dem zentralen Areal „Kanne“?
Zeitler: Wenn das Thema Vorkaufsrecht gerichtlich abschließend geklärt ist, kann es weitergehen. Wir pochen weiter auf unser Vorkaufsrecht, die Mittel stehen bereit. Danach wird sich der Gemeinderat mit der Weiterentwicklung der Karlsruher Straße und auch des Platzes beschäftigen.
Es geht aber noch nicht um die Zukunft des gesamten Quartiers zwischen Karlsruher- und Unterer Hauptstraße?
Zeitler: Das ist der zweite Schritt. Einige der Häuser sind ja noch bewohnt, daher steht da keine Entscheidung in naher Zukunft an. Bei der „Kanne“ ist das anders. Wer mich persönlich fragt: Ich bin dafür, das Gebäude abzureißen, um einen schönen freien Platz zu schaffen, den man auch der Gastronomie und den Vereinen anbieten kann. Eine Flanier- und Aufenthaltsfläche, das wäre mein persönlicher Wunsch und wird wohl auch der Vorschlag der Verwaltung sein. Ob der Gemeinderat da mitzieht, kann ich nicht sagen. Aber bis wir alle Grundstücke besitzen, um dort ein Gesamtkonzept zu verwirklichen, gehen noch ein paar Jahre ins Land, deswegen sollte man Schritt für Schritt eine Weiterentwicklung betreiben. Ich will ja nichts bauen. Es macht einfach etwas her, wenn eine Stadt im Zentrum Flächen hat, wo sich die Leute aufhalten können, wo Veranstaltungen von Vereinen oder der Stadt stattfinden können. Gerade im Bereich um die Zehntscheune, das HÖP und die Verschönerungsbauten, die hinzugekommen sind, wäre das eine tolle Sache.
Apropos HÖP, hat sich hier die Lage beruhigt, sind die Nutzungskonflikte beigelegt?
Zeitler: In den letzten Wochen war es ruhig. Der Sicherheitsdienst ist jetzt wieder im Einsatz, das hatte vergangenes Jahr eine positive Resonanz in der Bevölkerung. Kommunikationsprobleme wurden behoben, es findet ein regelmäßiger Austausch von Sicherheitsdienst, Streetworker, Polizei und Ordnungsamt statt und wir nehmen Anregungen von Anwohnern auf. Zudem sind wir dabei, mit dem Skaterpark im Gartenschaugelände Freizeitfläche für junge Leute zu schaffen. Das eignet sich auch für Treffen zu etwas späterer Zeit.
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