Hockenheim. Das Fragezeichen hinter dem Titel der Veranstaltung „Bürgerenergiegenossenschaft in Hockenheim?“ hielt keine halbe Stunde. Die Verantwortlichen des Vereins für Energie, Mobilität und Bauen in Hockenheim (Enmoba) lassen die Bombe früh platzen – „Wir wollen heute über Bürgerenergiegenossenschaften sprechen. Es ist unser erklärtes Ziel, eine hier in Hockenheim zu gründen“, sagt der Enmoba-Vorsitzende Karl-Heinz Sohn schon in der Begrüßungsrede. Gerade deswegen seien die Funktionäre sehr froh, über den prall gefüllten Raum, denn nun gehe es darum, Mitstreiter zu finden.
Für Hockenheim soll das Vorgehen in Kraichgau als Vorbild dienen
Der Referent des Abends, Holger Steuerwald, gelte in der Gründung von Bürgerenergiegenossenschaften (BEG) nachweislich als absoluter Experte, erklärt der stellvertretende Vorsitzende Christian Kramberg. So sei Steuerwald an der Gründung der erfolgreichen BEG Kraichgau beteiligt gewesen. Mittlerweile ist der erfahrene BEG-Vertreter Vorsitzender des Kraichgauer Vorbilds.
„Ich bin heute hier, um euch Mut zu machen, eine eigene Genossenschaft zu gründen“, beginnt der Referent. Der Grundstein sei mit dem Verein Enmoba gesetzt, nun brauche es engagierte Antreiber, die das Heft in die Hand nehmen. „Ich freue mich besonders, dass auch Menschen unter 50 Jahren anwesend sind“, sagt Steuerwald mit einem Schmunzeln – die Einbindung junger Menschen sei nämlich von Anfang an wichtig.
Eine langfristige und nachhaltige Steigerung der Lebensqualität gehe nur mit der Energiewende, so der Vertreter. Dies habe ein Team aus 15 Personen schon im Jahr 2010 erkannt und mit viel Sachverstand die BEG Kraichgau gegründet.
Die Genossenschaft nutzt angelegtes Geld für umweltfreundliche Projekte
Das Grundkonzept ist einfach – die Mitglieder beteiligen sich mit Eigenkapital an der Genossenschaft. Diese nutzt das angelegte Geld, um umweltfreundliche Projekte zur Energie- und Wärmegewinnung in der Region aufzubauen. Wenn sich die Projekte auszahlen, können sich die Anleger Dividende auszahlen lassen. „Wir begannen damit, einen Anteil für 100 Euro anzubieten. Um zu verhindern, dass jemand übermäßig viele Anteile kauft, haben wir die Anzahl bei 100 Anteilen gedeckelt“, erklärt der Kraichgauer. Für die Stimmberechtigung sei die Anzahl der Anteile irrelevant, pro Mitglied gebe es nur eine Stimme. Für die Anleger ergeben sich dann Antrags-, Einsichts- und Wahlrecht. Doch bei aller Euphorie weist Steuerwald trotzdem auf das unternehmerische Risiko hin: „Es gibt ein Totalverlustrisiko.“
Nun, 14 Jahre nach der Gründung der BEG, sei der Mitgliederstab von 150 auf über 600 Mitglieder angewachsen. Eine Deckelung der Anteile gebe es nicht mehr. „Trotzdem sind wir mehr als nur eine reine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit. Wir gestalten die Energiewende in unserer Region.“
Die anfänglichen Projekte seien Photovoltaikanlagen gewesen, erklärt Steuerwald. Gerade bei den ersten aktiven Schritten einer BEG könne es Sinn machen, die Anlagen auf den Dächern der eigenen Kommune zu platzieren. „So bekommt die Kommune günstigen grünen Strom, ohne das finanzieren zu müssen, eine Win-win-Aktion“, findet der Vorstandsvorsitzende.
Nach den erfolgreichen Projekten konnte die BEG Kraichgau größer denken. Im Juli 2020 eröffneten die Verantwortlichen ihr erstes Nahwärmenetz. Der Wärmezulauf kann dabei über das Smartphone geregelt werden. Mittlerweile arbeite die BEG, aus der sich zahlreiche Tochterunternehmen bildeten, an Quartiersprojekten und Photovoltaikanlagen von über 40 Quadratkilometern Größe.
Es gebe viele Gründe eine Bürgerenergiegenossenschaft ins Leben zu rufen. So könnten politische Abhängigkeit abgebaut und fossile Energieträger überflüssig gemacht werden. „Das Schönste ist aber in der eigenen Region die Projekte florieren zu sehen und sagen zu können: Hier steckt mein Geld drin“, findet der Referent. Soweit ist der Hockenheimer Verein noch lange nicht. Es brauche ein konstantes Kernteam und viel Idealismus, so Steuerwald. Außerdem benötige die neugegründete BEG genug Eigenkapital. „Das ist jetzt noch wichtiger, denn Fremdkapital ist momentan unattraktiv“, gibt Steuerwald zu Bedenken. Trotzdem hält er einen gewissen Teil Fremdkapital für sinnvoll, um auch die Banken in die Projekte miteinbeziehen zu können.
Auch die Verbindungen zu anderen Mitstreitern, zu Politikern und Experten aus der Wirtschaft seien essenziell. Erst dann könne Aufsichtsrat und Vorstand sinnvoll besetzt werden. Christian Keller, der Schatzmeister von Enmoba, sagt im Anschluss der Veranstaltung treffend: „Wir sind noch ganz am Anfang, aber nun denken wir die Idee laut. Gemeinsam mit den umliegenden Gemeinden Reilingen, Altlußheim und Neulußheim möchten wir jetzt unsere Region gestalten.“
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