Hospizwoche - Lesung in der Evangelischen Kirche aus Susann Pásztors Buch „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ erklärt Arbeit eines Sterbebegleiters

Lesung in Hockenheim veranschaulicht Arbeit eines Sterbebegleiters

Von 
Marco Montalbano
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Wie die Arbeit eines Sterbebegleiters aussieht, davon haben nur wenige Menschen eine Vorstellung. Das Thema Tod ist immer noch mit einem Tabu belegt, wenn auch vielleicht etwas weniger als noch vor ein paar Jahren. In der Hospizwoche luden am Montagabend die beiden Hospizdienste aus Hockenheim und Schwetzingen in die Evangelische Kirche zu einer ganz besonderen Lesung. Ehrenamtliche lasen aus dem Roman „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ von Susann Pásztor und entführten so die Besucher in die Welt von Fred und Karla, eines frisch gebackenen ehrenamtlichen Sterbebegleiters und einer Frau, die höchstens noch ein Jahr zu leben hat.

„Was möchten Sie noch tun?“, fragt Fred, alleinerziehender Vater mit etwas Übergewicht und dem Wunsch, seinem Leben etwas mehr Sinn zu geben. Die spröde 60-jährige Karla hat Krebs im Endstadium. Sie überlegt kurz und antwortet: „Noch einmal ans Meer, einen Film für die Nachwelt drehen und ein Mal in den Sexshop. Da war ich noch nie.“

Es ist Freds erster Auftrag und er ist nervös. Dennoch findet eine Annäherung über Umwege statt, als Phil, sein 14-jähriger Sohn, von ihm den Auftrag erhält, ihre Fotos zu digitalisieren. Sich abwechselnde Leser tragen ausgesuchte Passagen aus dem 2018 mit dem evangelischen Buchpreis ausgezeichneten Werk vor.

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Dazwischen spricht Sabine Horn erklärende Worte. Sie ist extra für diesen Abend von weither angereist, denn sie ist die stellvertretende Vorsitzende im Hospiz- und Palliativverband Baden-Württemberg.

Das Publikum dringt immer tiefer in die Welt von Fred und Karla ein. Die meiste Zeit ist es sehr still im Kirchenschiff, doch manchmal wird auch kurz gelacht, was verwundern könnte. Aber wer das Werk von Susann Pásztor erlebt, versteht warum. Der Autorin gelingt es, mit viel Fingerspitzengefühl auch humorvolle Passagen einzuflechten, etwa wenn Karla fragt: „Was soll das sein? Ihr Unterhaltungsprogramm für Sterbende?“

Einfühlsame Musikbegleitung

Harmonisch fügt sich der musikalische Teil ein mit Steffen Hoffmann am Klavier und Ulrich Auer sowie Tochter Charlotte am Alt- und Tenorsaxofon. „Stand By Me“ von Ben E. King passt genau, so wie auch die anderen Stücke, die gegen Ende getragener werden, denn am Schluss stirbt Karla. Schon zu Beginn der Geschichte stellt sie eine entscheidende Frage: „Was bringt Sie dazu, Menschen zu besuchen, die bald sterben werden?“ Fred antwortet: „Vielleicht möchte ich lernen, damit umzugehen.“

Diese Geschichte nimmt auf humorvoll-tiefsinnige und tief berührende Weise das Publikum mit in die Welt eines Sterbebegleiters, in eine Welt der Annäherung, der Auseinandersetzung mit dem Unvermeidlichen. Es geht um Selbstbestimmung, um das, was bleibt, Würde, aber vor allem um die Bedeutung und den Wert menschlicher Nähe. Fred lernt dabei etwas von Karla. „Er lernt zu schweigen und merkt, dass sie nun nichts mehr von ihm braucht als seine Anwesenheit“, sagt Sabine Horn.

Die Lesung, die den Besuchern etwas nahebringt, was oft so fern zu sein scheint, das aber mal früher, mal später ganz nah sein wird, vermittelt einen Eindruck, worauf es beim Sterben ankommt. Kein Tod ist gleich und Selbstbestimmung ist genauso wichtig wie menschliche Nähe. Genau auf sie kommt es beim Hospizdienst an.

Die Lesung bewegt wie auch Besucherin Corinna Nocke, die selbst im sozialen Bereich arbeitet und dabei mit Demenzkranken und Sterbenden zu tun hat, es ausdrückt: „Es war sehr berührend und es ist wichtig, das Thema weiter in die Öffentlichkeit zu tragen.“ Auch die ehrenamtlichen Sterbebegleiterinnen Adelfa Masekowitz und Elisabeth König äußern sich positiv: „Eine beeindruckende Geschichte. Auch die Musik dazu war sehr passend.“

„Wir kommen mit Zeit und Herz“

Eigentlich finde die Hospizwoche ja abwechselnd in Hockenheim oder Schwetzingen statt, erläutern Britta Schäfer, die Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes in der Rennstadt und Birgit Strittmatter, die Koordinatorin der Hospizgemeinschaft Schwetzingen. Doch aufgrund von Corona habe man sich dazu entschlossen, in diesem Jahr die Informationswoche gemeinsam zu organisieren.

Beide betonen: „Andere kommen mit einem Auftrag zu den Schwerkranken und Sterbenden und wollen nur eine Unterschrift oder Geld für eine Dienstleistung. Wir wollen weder das eine noch das andere und kommen stattdessen mit Zeit und Herz.“ Wichtig sei ihnen, auf das Begleitungsangebot aufmerksam zu machen, das sie sowohl zu Hause als auch in Pflegeheimen machen. „Wir kommen zum Beispiel auch, damit ein Pflegender mal eine kleine Auszeit haben kann, um sich mal einen Cafébesuch zu gönnen oder ähnliches. Damit dann jemand da ist.“

Info: Mehr Informationen gibt es via Telefon bei Britta Schäfer für Hockenheim unter der Nummer 06205/94 33 18 oder für Schwetzingen bei Birgit Strittmatter unter 06202/4 09 10 09.

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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