Wettbewerb

Poetry-Slam im Pumpwerk Hockenheim: Von Lachen geschüttelt, zu Tränen gerührt

Der Poetry-Slam wartet mit fünf Teilnehmern und Pionier Rolf Thum als Special Guest auf. Im Pumpwerk sorgen sie für abwechslungsreiches Zuhörvergnügen mit Witz und Tiefgang. Ein gelungener Neustart des Events.

Von 
Marco Montalbano
Lesedauer: 
Freuen sich über ein überschaubares, aber dafür umso dankbareres Publikum: Moderator Moritz Konrad (v.l.) und die „Slammer“ Stefan Unser, Gewinner Anuraj Rajarajendran, Julie Kardellant, Tony Jäcklin und Daniel Walter auf der Pumpwerk-Bühne. © Montalbano

Hockenheim. Gut informierte Rennstädter wissen, dass es vor 13 Jahren schon den ersten Poetry-Slam im Pumpwerk gegeben hat. Doch der und seine wenigen Nachfolger sind lange her und so soll der Neustart am Donnerstag die Große Kreisstadt erneut mit dem „Poetry Slam-Virus“ infizieren, fanden die Programmmacher. Das könnte funktioniert haben: Die Mischung aus Performance, Literatur und Wettbewerb kommt gut beim Publikum an.

Mit Tony Jäcklin aus Heidelberg, der Deutsch-Französin Julie Kerdellant und Anuraj Rajarajendran aus Landau, Stephan Unser aus Malsch und Daniel Wagner aus Heidelberg kommen Performer auf die Bühne, die es in sich haben. Als Special Guest tritt zur Freude des Publikums Lokalmatador und Poetry-Slam-Urgestein Rolf Thum auf.

Mehr zum Thema

„Word up!“

Poetry-Slam läutet Kultursaion im Hockenheimer Pumpwerk ein

Veröffentlicht
Von
Pumpwerk Hockenheim
Mehr erfahren
Kulturprogramm

Das ist in Hockenheimer Stadthalle und Pumpwerk für Herbst 2024 geplant

Veröffentlicht
Von
Matthias Mühleisen
Mehr erfahren
Central Kino

Beim Poetry-Slam in Ketsch setzt sich der Feminismus durch

Veröffentlicht
Von
Catharina Zelt
Mehr erfahren

Geboten wird neben Humorvollem auch Tiefgründiges und Berührendes, wenn die Performer wie die junge Tony Jäcklin von sich selbst berichten. Die unter ADHS leidende Jäcklin geht offensiv mit dem Thema um und berichtet von ihren rastlosen Reisen durch die Weiten des Internets: „Klick und Scroll“, immer weiter zum nächsten Thema.

Das Lachen bleibt im Pumpwerk in Hockenheim Hals stecken

„Ich bin nervös. Google meint, Yoga helfe dagegen. Vielleicht sollte ich Kurse machen und dann welche geben. Oder doch lieber schönen Schmuck herstellen und über Etsy verkaufen? Doch wie erstellt man da einen Shop? Google, klick, scroll.“ Die Zuschauer lachen – doch das verstummt, als sie von der vergeblichen Bemühung um einen Therapieplatz berichtet, wo sie nur hört: „Wir haben eine lange Liste. Vielleicht in sechs Monaten.“ Einen Gipsverband sehe man, andere Probleme nicht.

Stephan Unser, ein erfahrener IT-ler, spricht über Probleme, die er aus seinem Job gut kenne. Und über die seiner Oma, die Raucher abgrundtief gehasst hätte – nur zu schade, dass es immer weniger davon gebe. Oder dass man sich bei Biomilch nicht darauf verlassen könne, dass sie wirklich „bio“ sei. „Bei Billigmilch kannst du dich ja auch nicht darauf verlassen, dass sie scheiße ist“, so Unser. Das Publikum amüsiert sich. Überhaupt wisse man heutzutage viel, aber denke zu wenig selbst nach: „Denken ist wie Google, nur krasser“, habe ihm jemand gesagt. ‚Nee: Wissen ist wie Google, nur selber‘“, lautet seine Antwort.

Was die Teilnehmer beim Poetry-Slam in Hockenheim zum Besten geben

Julie Kerdellant spricht humorvoll über ihre Liebe zu Birnen und den Hass auf Äpfel, während sich das Publikum bei Daniel Wagner und seinem Bericht über Vaterfreuden vor Lachen biegt. „Geben Sie ihre Kinder zur Erziehung besser in den Kindergarten – überlassen Sie das Scheitern anderen“, rät er. Und die Kindergeschichten mit süßen wilden Tieren wie Tigern, die seien gefährlich, so wie Siegfried und der gebissene Roy mit ihrer Raubtiershow in Las Vegas auch festgestellt hätten: „Das hat er dann be-Roy-t“ frotzelt er.

Doch als bester „Slammer“ mit dem meisten Applaus gewinnt Anuraj Rajarajendra den Abend, wie das lebende „Applausometer“, Moderator Moritz Konrad, feststellt. Der ist selbst eine Heiterkeitsmaschine, wenn er Stellen aus seinem „Corona-Tagebuch“ vorliest.

Erst mit 24 Jahren nach Deutschland gekommen, überzeugt Rajarajendra mit seinem Stück „Papa, warum weinst du nicht?“, das zu Tränen rührt. Erinnerungen an Krieg, Hunger, Not und dann der Schritt in die Fremde. Jede Menge Arbeit, um der fernen Familie Geld zu schicken, bis sie sich von ihm abwendet, als das nicht mehr geht. „Echte Männer weinen nicht. Aber wenn es so ist, dann will ich kein echter Mann sein“, sagt der Gewinner, worauf tosender Applaus folgte.

Pumpwerk-Besucher von Poetry-Slam begeistert

Sascha und Kathrin Heller sind begeistert: „Toll, dass es jetzt auch Poetry-Slam hier bei uns in Hockenheim gibt“, finden sie und ergänzen: „Das muss sich nicht reimen, jeder ist frei. Die Vielfalt ist das Beste daran.“ Walter und Heidi Weikieser mögen ebenfalls Kleinkunst: „Das gefiel uns sehr gut. Sonst mussten wir immer in andere Städte gehen, um Poetry-Slam zu sehen. Das kann gerne öfter hier sein.“

Pumpwerk-Leiter Cihad Baz berichtet: „Es war mir wichtig, Poetry- Slam nach Hockenheim zu holen. Ich möchte viel Neues bieten, so wie auch eine Halloweenparty mit Band und DJ. Das gab es hier ebenfalls noch nicht.“

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung

VG WORT Zählmarke