Ketsch. Dating-Apps, Femismus, ein Bund mit dem Teufel - die Themen, die die Poeten am Mittwochabend beim Dichterwettstreit im Central Kino in Ketsch ansprachen, regten zum Nachdenken an. Mal humorvoll, mal tiefgründig, mal in Reimen oder als Kurzgeschichte trugen die Autoren ihre Texte auf der Bühne vor. Bereits zum dritten Mal veranstaltete „LeseZeit“ im Central einen Poetry-Slam, bei dem neun Männer und Frauen gegeneinander antreten. Wer es ins Finale und am Ende ganz oben aufs Siegertreppchen schafft, entscheidet allein das Publikum.
Marlene Klaus und Rolf Thum moderierten charmant durch den Abend. Sie erklärten die Regeln: Es dürfen nur eigene Texte vorgetragen werden, Hilfsmittel sind nicht erlaubt. Jeweils in ausgelosten Dreiergruppen stellen sich die Poeten der Herausforderung und wer weiterkommt, entscheidet nach jeder Runde der Applaus.
Witz und Weisheit beim Dichterwettstreit im Ketscher Central Kino
Zur Einstimmung erzählte Edith Brünnler außer Konkurrenz im Dialekt vom „Maimarktrausch“, der sie jedes Jahr ereile. Mit Witz berichtete sie von kuriosen Gadgets, die sie auf der Messe erworben habe - zum Beispiel eine Zitronenpresse mit Ventilator, die bei Verwendung Zitrus-Raumduft versprühe. So mancher im Publikum konnte das gut nachempfinden.
Dann begann der eigentliche Wettbewerb und Gusto aus Herxheim betrat die Bühne. Er outete sich als „Schokoholiker“ und berichtete, dass er der süßen Sünde einfach nicht widerstehen könne. „Einmal war ich sogar Vollmilch“, gab er schelmisch zu.
Persönliche Anekdoten und gesellschaftskritische Themen beim Poetry-Slam in Ketsch
Frank Wilberz aus Mannheim erzählte im Anschluss von seinem 70. Geburtstag. Seine Oma habe ihm stets angekündigt, dass der Geist „Complottista“ ihn eines Tages besuchen und ihm alles erklären würde. An seinem 70. Geburtstag sollte es so weit sein. Doch als der Jubilar ihn verschlief, kündigte der Geist an, er käme an seinem 100. Geburtstag wieder. Wie sollte er es bis dahin nur schaffen?
Eine Reihe Kurzprosa hatte Ben V. Entling aus Viernheim in Gepäck. Er berichtete von malerischen Kulissen mit Sekt am Strand, tosenden Wellen, Misstrauen und der Fähigkeit zu lernen.
Eine Szene aus dem täglichen Leben zeichnete Dirk Gollnick aus Reilingen in seinem Text. Als stiller Beobachter verfolgt er humorvoll eine Szene zwischen seinen Nachbarn auf dem Parkplatz seines Acht-Parteien-Mietshauses, die einem griechischen Theater in der Antike gleichkommt.
Reflektionen über Schulsport und Dating-Welt
Von ihrer traumatischen Erfahrung mit den Bundesjugendspielen berichtete Hope aus Mauer. Sie kommt zu dem Schluss, dass „Leichtathletik alles andere als leicht ist“ und fragt sich, ob Schulsport nicht eigentlich Freude bereiten sollte.
Wie sieht eigentlich das perfekte Datingprofil aus? Damit beschäftigte sich Edo Mujkic. Für ihn wurde klar: Viel Spielraum bleibt da für den Einzelnen nicht. Größe? Auf jeden Fall über 1,80 Meter. Bilder? Oberkörperfrei und am besten mit Sixpack. Hobbys? Reisen, trainieren, gutes Essen. Sein Plan scheint aufzugehen, denn eine charmante Dame möchte ihn tatsächlich treffen. Doch als das Treffen ins Wasser fällt, beschließt er, es künftig doch lieber im echten Leben zu versuchen.
Poetry-Slam im Central Kino: Alltagspoesie und ein Pakt mit dem Teufel
Was ist eigentlich Poetry und was ein Slam? Damit setzte sich Uwe Schick aus Wiesloch auseinander. Slam — das sei das Geräusch einer zugefallenen Tür. So griff er Beispiele aus dem Alltag, in denen Türen zufallen, Chancen verstreichen, einem der Kragen platzt. Diese Momente, in denen die Welt ein kleines bisschen dunkler wird, widmete sich Schick.
Wie man mithilfe der Ehefrau einem Bund mit dem Teufel entkommen kann, trug Birgit Boeckli aus Hockenheim vor. Denn als Gerdas Mann stirbt, weiß diese ganz genau was zu tun ist. So schlägt eine Seebestattung am Ende das Böse.
Was Dating-Apps mit Feminismus gemeinsam haben, fragte sich Charlotte Seelinger aus Lampertheim. Sie berichteten von ihren Erlebnissen auf „Bumble“, einigen Treffen und davon, dass ihr irgendwie alles zu schnell geht. Ihren Traummann findet sie am Ende im Internet nicht und will künftig doch lieber offline daten.
Tosenden Applaus gab es für alle Kandidaten, die unterschiedliche Facetten des Dichtens und Textens präsentierten. Das Publikum entschied sich letztlich dafür, Gusto, Hope und Charlotte Seelinger eine Runde weiter zu lassen. Die drei Autoren traten im Finale jeweils mit einem zweiten Text gegeneinander an.
Gusto hatte Würze im Gepäck und spielte mit der Vielseitigkeit der deutschen Sprache. Seinen Text über ein erstes Date schmückte er mit so vielen Gewürzen wie möglich. „Ich rätsele gerne, ich Knoblauch“, sagte er, und betonte, dass er ja nicht „einfach nur Ingwer“ sei. Das Publikum wusste die Sprachkunst wohl zu schätzen, lachte und klatsche ausgiebig.
„Es gibt herrlich und dämlich“
Hope beichtete, dass sie Nicht-Alkoholikerin sei. „Es schmeckt mir einfach nicht“, betonte sie und erzählte von den Folgen, die das Dasein als Anti-Alkoholikerin mit sich bringe. Etwa soziale Isolation, wenn sich die Sprache ändere und die Partymeute schreiend mit kleinen Bällen um einen Tisch mit Bechern renne.
„Dinge müssen gesagt werden“, war sich Charlotte Seelinger sicher und sprach feministische Worte über Abtreibung und Periodenurlaub. Was falsch laufe, sehe man alleine mit Blick auf die Sprache. „Es gibt herrlich und dämlich.“ Laute Frauen seien hysterisch, laute Männer einfach männlich. Dabei erhalte man Expertise nicht durch sein Geschlecht.
Am Ende siegte der Feminusmus an diesem Abend, denn Seelinger gewann mit ihrem Text den Poetry-Slam in Ketsch.
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