Hockenheim. Notwendig wie nie zuvor, aber Luxus in manchen Kommunen: Schulsozialarbeit. Diese Instanz für Schüler, die für ihre schulischen aber eben auch familiären, freundschaftlichen und privaten Probleme da ist und ein offenes Ohr hat, ist nicht selbstverständlich – aber nötig. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Probleme der Jugendlichen nicht weniger geworden sind, sondern im Gegenteil. Hockenheim leistet sich an allen Grund- und weiterführenden Schulen Sozialarbeiter, die über den Postillion koordiniert werden.
Eine gute Investition – im interkommunalen Vergleich halten nicht viele Städte und Gemeinden ein solches Angebot aufrecht, seit sich das Land Baden-Württemberg weitgehend aus der Finanzierung zurückgezogen hat und den Kommunen überlässt, ob sie ein solches Angebot leisten wollen oder können.
Sozialarbeit an der Hockenheimer Realschule: Stadt setzt Zeichen
„Die Stadt Hockenheim leistet sich mit einer funktionierenden Schulsozialarbeit keinen Luxus, sondern sie sieht deren Notwendigkeit. Das ist ein wichtiges Zeichen“, freut sich Marion Marker-Schrotz, Leiterin der Theodor-Heuss-Realschule (THRS). Diese sei nicht nur eine enorme Bereicherung, sondern auch eine Gegenbewegung zu den sozialen Schieflagen in der Gesellschaft. Sie sei schlicht und einfach notwendig.
An der Theodor-Heuss-Realschule sind es die beiden Schulsozialarbeiter Kimberly „Kim“ Angeletti und Tim Molina Ruiz, die sich als Instanz „außerhalb des Schul- und Unterrichtsbetriebs, aber an der Lehrstätte“ um die Schüler und deren Probleme kümmern.
Tim Molina Ruiz ist eigentlich ein alter Hockenheimer – ein „Heussler“ durch und durch. Er selbst war früher an der THRS, hat einige Lehrer, die heute noch unterrichten, selbst als Schüler gehabt – darunter Rektorin Marion Marker-Schrotz. Aber viel reden will er nicht über seine Schulzeit. „Ich war jetzt nicht so der Vorzeigeschüler“, sagt er dazu.
Und seine ehemaligen Lehrer würden dem auch nicht widersprechen. Der groß gewachsene, junge Mann, der seine langen Haare stets mit einem Zopf zusammenhält, kommt cool rüber. Er ist ein guter Ansprechpartner – für beide: Jungen und Mädchen. Der studierte „Bachelor Soziale Arbeit Sozialpädagogik“ hat eine ruhige Art. Er fragt viel und versucht, Probleme herauszukristallisieren. Oft gelingt es ihm.
Knapp 4300 Einzelgespräche haben er und seine Kollegin im vergangenem Schuljahr geführt. „Und bei solchen Gesprächen geht es nicht um kleine Befindlichkeiten, sondern um richtige Probleme, die auch einen Erwachsenen aus der Bahn schmeißen würden,“ sagt er.
In seiner bisherigen beruflichen Vergangenheit hätten Probleme von der Aufkündigung einer Freundschaft, Magersucht bis zu familiärer Gewalt oder angekündigtem Suizid eine Rolle gespielt. „Es ist einfach wichtig, dass Kinder und Jugendliche jemanden haben, dem sie sich professionell und vor allem vertraulich zuwenden können. Denn Freunde, Familie und Lehrkräfte wirken ja auch immer in einem anderen Kontext auf die Kinder ein“, meint er. Ihm ist wichtig, dass Schulsozialarbeit grundsätzlich eine Verschwiegenheitspflicht unterliege, auch und vor allem gegenüber Lehrkräften und Eltern. Ebenso wichtig ist es ihm, dass auch diese sein Angebot wahrnehmen können.
Seine Kollegin Kimberly Angeletti ist nicht nur Schulsozialarbeiterin, sie ist auch im psychotherapeutischen Umfeld aktiv gewesen. Erfahrungen sammelte die qualifizierte „Master Psychosoziale Beratung und Therapie“ unter anderem in einer Praxis in Speyer. Die Beeinträchtigungen der Kinder seien während Corona gewachsen, aber auch schon davor waren psychosoziale Probleme von Kindern und Jugendlichen zunehmend. Besonders herausfordernde Themen seien Probleme im Elternhaus, Verhaltensstörungen oder Depressionen.
„Die digitale Welt ist ganz oft Dreh- und Angelpunkt von Konflikten oder Unwohlsein“, sagt sie. „Und das fängt mittlerweile früh an. Fünft- und Sechstklässler sind bereits Smartphone-abhängig“. Zudem machen fehlende gelernte Umgangsformen im Schulalltag das Leben schwer, sodass vermehrt Schüler bei der Sozialarbeit auflaufen.
Sozialarbeit an der Hockenheimer Realschule: „Theo“ als Helfer
Dagegen hat Kim Angeletti einen Ansatz gewählt: Die gebürtige Pfälzerin und Hundefreundin hat ihren knapp zwei Jahre alten Australian Shepard „Theo“ – nicht zufällig trägt er an der THRS diesen Namen – zum Schulhund ausbilden lassen.
Und siehe da: Wenn Kim mit „Theo“ den Raum betritt, ist es still, dann sind die Kinder voll auf den Hund fixiert und wollen seine Aufmerksamkeit. Aber zum Glück ist „Theo“ umgänglich und lässt sich nicht von den 30 verschiedenen „Theo“-Rufen beeindrucken. Er geht dahin, wo ihn sein Interesse und seine Nase hintragen und in der „Einzeltherapie“ ist er immer dort, wo er wittert, dass er ein aufgewühltes Kinderherz aufmuntern kann.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-sozialarbeit-an-der-hockenheimer-realschule-wichtige-instanz-fuers-seelenleben-_arid,2013655.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html