Flucht aus der Ukraine - Uljana und Ivanna packten ihre Querflöten ein und werden jetzt auch von der Musikschule unterstützt

Uljana und Ivanna sind aus der Ukraine nach Hockenheim geflohen

Uljana Sukhomlyn ist gerade mal acht Jahre alt, ihre Schwester Ivanna ist 16. Sie sind mit ihrer Familie jetzt in Hockenheim untergekommen, wo sie auch die Musikschule unterstützt.

Von 
Christina Lourenco
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Uljana Sukhomlyn während der Querflötenstunde mit ihrer Flötenlehrerin Zsofia Perneczky. © Lourenco

Uljana Sukhomlyn ist ein zartes, achtjähriges blondes Mädchen – zurückhaltend, aber mit einem beherzten Lächeln auf den Lippen. Dennoch musste sie mit ihrer Familie in den vergangenen Monaten Erfahrungen sammeln, die keinem zu wünschen sind. Uljana floh mit Mutter, Großmutter und ihrer Schwester aus dem Kriegsgebiet der Ukraine und fand in Hockenheim für ungewisse Zeit ein neues Zuhause.

Die eigentliche Heimat Uljanas ist die ukrainische Stadt Tschernihiw. Durch die Nähe zu Russland und als bedeutender Standort der ukrainischen Armee begann dort Ende Februar – unmittelbar nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges – das Bombardement. Uljana lebte dort mit ihrer Mutter Nadja und ihrer 16-jährigen Schwester Ivanna im neunten Stock eines Hochhauses. Zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs war Uljanas Großmutter gerade bei ihnen zu Besuch.

Eine Zeit voller Angst

Möglicherweise Glück im Unglück, denn so war sich die kleine Familie in dieser schweren Zeit eine gegenseitige Stütze. Die ersten fünf Tage des Bombardements verbrachte die Familie im Wechsel in ihrer Wohnung und im Keller des benachbarten Hauses, da ihr Wohnblock keine Schutzmöglichkeit bot. Eine sehr kräftezehrende Zeit voller Angst.

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Für Uljanas Großmutter war das ständige Hin und Her kaum zu leisten. So fiel die Entscheidung, ab dem sechsten Tag in der Wohnung zu bleiben, doch die Angst vor den Bomben wuchs. Da kam der erlösende Anruf von Uljanas Vater, der zwei Stunden entfernt auf einem großen Bauernhof arbeitet. Er bemühte sich darum, die Familie aus der Stadt zu holen, was sich nicht gerade als ein leichtes Unterfangen herausstellte.

Gepackt war schnell, denn viel durfte nicht mit auf die anstehende Reise in eine ungewisse Zukunft. Da die gesamte Familie der Musik sehr nahesteht, stand fest, dass die geliebten Musikinstrumente Vorrang hatten. Vor allem Uljana und ihrer Schwester war es wichtig, ihre Querflöten bei sich zu wissen, denn auch Ivanna spielt mit großer Leidenschaft das besagte Blasinstrument.

So ging es los für die Familie. Aus der Fahrt von eigentlich zwei Stunden zu UIjanas Vater wurden durch die russischen Belagerungen sowie bedrohliche Blindgänger auf den Straßen zu einer beschwerlichen Reise von zwei Tagen. Drei Wochen lang verweilte die Familie dann bei Uljanas Vater, doch die Kriegsentwicklungen zeigten, dass dies keine Lösung war. Sie konnten nicht bleiben, doch die Rückkehr nach Tschernihiw war vor allem aus Angst um die Kinder ebenso undenkbar.

Nadja Sukhomlyn bemühte sich, einen Fluchtweg zu finden, was zunächst durch die starke Präsenz der russischen Armee unmöglich schien. Währenddessen bemühte sich eine seit vielen Jahren in Hockenheim lebende, weitläufige Verwandte, Kontakt zu Uljanas Familie zu knüpfen und sie zu unterstützen, einen Weg aus dem Kriegsgebiet zu finden. Was nahezu unmöglich erschien, gelang schließlich doch. Auf Umwegen kam die Familie schließlich Ende März mit dem Zug von Kiew nach Hockenheim, wo sie für die erste Zeit Unterschlupf bei ihrer Verwandten fand und sich seit Kurzem über ein eigenes Zuhause freut.

Die Ungewissheit zermürbt

Die Ungewissheit, was die Zukunft bringen wird, ist groß. Für den Moment sind Uljana und ihre Familie dankbar, so gut aufgenommen worden zu sein, ohne Bombenangriffe und die Angst vor diesen leben zu können. Doch keiner weiß, wann und ob sie jemals zurückkehren können. Dies wäre ihr eigentlicher Wunsch. Momentan ist daran nicht zu denken. Somit richtet sich die Familie darauf aus, sich ein neues Leben aufzubauen. Uljana und ihre Schwester besuchen hier die Schule. Sie selbst die Pestalozzischule, ihre Schwester Ivanna die Musikklasse des Gauß-Gymnasiums. Dadurch ergibt sich zumindest im Ansatz die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen und – im Rahmen des Möglichen – in allen anderen Fächern eine Schulbildung zu erhalten. Zudem gelang es den Mädchen bereits, erste Freundschaften zu knüpfen. Auch Nadja Sukhomlyn, die in ihrer Heimat Klavierlehrerin an einer großen Musik- und Kunstschule war, bemüht sich darum, durch das Lernen der deutschen Sprache, Anschluss zu finden.

Durch die Unterstützung ihrer hier lebenden Verwandten, gelang es zudem, Uljanas innigsten Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen, weiterhin Querflöte lernen zu dürfen. Eine Anfrage bei Christian Palmer, dem Leiter der hiesigen Musikschule, zeigte nach kurzer Zeit Erfolg. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um Uljana diesen Wunsch auf offiziellem Wege durch Fördermittel zu erfüllen. So kam es, dass Uljana nun seit drei Wochen in der Hockenheimer Musikschule Querflötenunterricht erhält. Zwar begann sie zunächst mit der Blockflöte und wechselte erst vor wenigen Monaten zur Querflöte, doch hegt sie bereits wie ihre Schwester den Wunsch, Querflötenlehrerin zu werden.

Ihre Schwester arbeitete in Tschernihiw schon an der Verwirklichung dieses Traums, denn sie besuchte ein Musikkolleg. Da sich hier bisher keine Möglichkeit für Querflötenunterricht zur Professionalisierung aufgetan hat, muss sie sich noch ein wenig gedulden. Dennoch sind Uljana und ihre Familie sehr dankbar, hier sein zu dürfen und ein großes Maß an Unterstützung zu erhalten sowie weiter an der Verwirklichung ihrer musikalischen Träume arbeiten zu können. Auch wenn dies fernab ihrer Heimat und in großer Ungewissheit geschieht.

Freie Autorin Christina Lourenco ist Freie Mitarbeiterin für das Gebiet Hockenheim und Umgebung, vorwiegend tätig im Bereich Kultur/ Event.

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