Seit 2006 ist Comedian Friedemann Weise auf deutschen Bühnen, im Internet und nun auch im Fernsehen unterwegs und darf sich so über eine wachsende Fangemeinde freuen. Im Kulturhaus Pumpwerk mit seinem neuen Programm „Bingo“ zu Gast und überzeugte das Corona-bedingt eher überschaubare Publikum mit einer bemerkenswerten, aus dem sonstigen humoristischen Angebot herausstechenden Mischung aus sozialkritischen Liedern, Gags, lustigen Erzählungen und Kalauern. Allerdings erst nach längerem Anlauf.
Ganze 21 Personen begrüßt Friedemann Weise mit der Gitarre in der Hand im Zuschauerraum. Aus bekannten Abstandsgründen stehen ohnehin nur 30 Sitzplätze zur Verfügung. „Respektvoll“ haben die Besucher die komplette erste Reihe freigelassen und auch der gut gemeinte Hinweis des Künstlers, dass er „nicht so einer sei, der die Leute von dort immer in die Show einbezieht“, nutzt da wenig.
Erinnerungen an ‚XY ungelöst‘
Die gefühlte Distanz zwischen Publikum und Comedian wird auch dadurch nicht geringer, dass er darauf hinweist, dass er auch in großen Städten spiele. „Haben Sie viel gezahlt? Sicher nicht. Hier auf dem Dorf geht das doch über den Austausch von Gefallen, oder?“, stichelt Weise. Auch fühle er sich hier nicht so sicher, denn obwohl die Straßen hier viel sauberer seien als im heimischen Köln, wäre es doch jene Art von Gegend, die man bei ‚XY ungelöst‘ immer sehe, wenn gefährliche Täter gesucht werden.
Aber da wäre auch hier sicher schnell die Oma zur Stelle, die das Fahrzeug des Kriminellen beschreiben könne – schließlich habe sie sich ja das Kennzeichen notiert, weil der TÜV-Termin fällig gewesen sei – also fast, genauer: in einem halben Jahr.
Ob so viel und noch mehr Kleinstadt-Ironie macht sich eine gewisse Irritation im Raume breit, die das Aufkommen von Heiterkeit bremst – vorerst zumindest. Denn im Laufe des Abends beweist Friedemann Weise, dass er nicht nur Witze auf Kosten anderer und des vermeintlichen Spießbürgertums machen kann, sondern auch auf seine eigenen.
Geschickt spielt der Kabarettist mit Klischees und den eigenen Unzulänglichkeiten, singt im „Apocalypso No.1“ heiter-flockig von Schreckensszenarien oder erzählt mit „Durchgeimpft auf Norderney“ von den Erlebnissen eines Pärchens in der Pandemie. „Schmeckt das Schnitzel nach nichts oder ist das schon Long Covid?“ fragen diese im Lied.
Er selbst habe nach langer Lockdownzeit beim ersten Besuch im Restaurant nichts essen können. Erst nachdem er sich seine Türglockenmelodie als Klingelton auf dem Handy eingerichtet habe. Die Zeit, in der er sich nur mittels Lieferdiensten ernährt habe, habe ihre Spuren hinterlassen. „Dann hab’ ich mich immer vorm Restaurant angerufen, damit ich Hunger bekomme. Aber da war dann immer besetzt“, witzelt er.
All den Menschen, denen immer die „Sonne aus dem Arsch scheint“, widmet er sein Lied „Sieh‘s doch mal negativ“ und das deftige „Samenstau auf der Pimmelbahn“ der toxischen Männlichkeit, die für alles stehe, was an Männern „so Scheiße sei“.
Im Song „Wenn 68er 68 werden“ kritisierte der Kabarettist die Alt-68er die sich vormals links und mit marxistisch-revolutionären Gedanken im Kopf, im Alter nun unverständlicherweise dem rechten Lager zuwenden würden.
Herrlich ironisch
„Komm wir gehen an die Ampel und lachen SUV-Fahrer aus“ sorgt als eher softe Protestform gegen klimaschädliches Verhalten hingegen für große Heiterkeit und „Nie mehr Digital-Detox in der Eiffel“ verursacht ebenso Lachflashs bei den Anwesenden. Der Titel „Ohne Smartphone aufs Klo“, in dem er herrlich ironisch etwas beschreibt, das noch niemand vor ihm gewagt habe, findet ebenfalls großen Anklang.
Friedemann Weises Auftritt, bei dem er meisterhaft von Sarah Elena Esser am Piano begleitet wird, kommt erst nach einer Gewöhnungsphase, einem Warmlaufen beim Hockenheimer Publikum an, dann aber richtig, sodass der Künstler begeistert schon die Schlagzeilen vor Augen sieht: „Hexenkessel in Speed-City – 20 klatschten wie 2000.“
Er bedankt sich auch beim Veranstalter: „Die Leute trauen sich noch nicht so richtig, wieder zu kommen. Darum ist es umso wichtiger, dass es die gibt, die sagen: ‚Ja, wir legen dabei drauf, aber wir machen die Veranstaltung.‘“ Erst nach längerer Zugabe entlässt dass nun doch begeisterte Publikum die beiden Künstler von der Bühne.
Markus und Sandra Kennel aus Ketsch freuen sich: „Toller Auftritt, wir waren noch nie hier, aber kannten ihn aus der ZDF-„heute show.“ Auch Marc und Renata Arnold aus Hockenheim hat der Aufritt gefallen: „Wir mögen den etwas trockenen Humor.“
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