Hausnotruf

Warum die Kirchliche Sozialstation Hockenheim Geld verlangt

Für das Hausnotruf-Angebot ist bei der Kirchlichen Sozialstation Hockenheim seit November 2024 eine monatlche Gebühr fällig. Weshalb das nötig geworden ist, erklären der Geschäftsführer und die Pflegedienstleister.

Von 
Markus Müller
Lesedauer: 
Mit einem solchen Armband können verletzte Betroffene selbst nach einem Sturz noch Hilfe rufen. © dpa

Hockenheim. Stellen Sie sich vor, Sie duschen, rutschen auf dem nassen Boden aus und verletzten sich bei dem Sturz so schwer, dass selbst das Telefon im nächsten Raum unerreichbar ist. In diese Lage können vor allem Senioren schnell geraten, die nicht mehr ganz so sicher auf den Beinen sind. Eine scheinbar ausweglose Situation, besonders für Alleinlebende.

Abhilfe verspricht der Hausnotruf. Bei diesem System trägt der oder die Betreffende einen Notrufknopf an einem Band um den Hals oder an einem Armband ständig bei sich. Passiert ein Unfall oder kommt es zu einem medizinischen Notfall, genügt ein kurzer Druck auf diesen Knopf, um Hilfe anzufordern.

In der Region bieten mehrere Organisationen einen solchen Service an. Eine davon ist die Kirchliche Sozialstation in Hockenheim, die neben der Rennstadt auch Altlußheim, Neulußheim und Reilingen betreut. Bis Ende Oktober vergangenen Jahres hat sie diese Dienstleistung kostenlos angeboten, seit November 2024 verlangt sie dafür eine monatliche Gebühr von 24,50 Euro. Das erzeugt reichlich Klärungsbedarf bei den Kunden, mancher fühlt sich gar ausgenommen und wendet sich schließlich an unsere Zeitung.

Anmeldung Newsletter "Topthemen am Abend"

Wir haken bei den Verantwortlichen nach: Weshalb kostet der Hausnotruf nun Geld? Hat die Sozialstation deswegen Kunden verloren? Geschäftsführer Ulrich Beer und Pflegedienstleiter Micha Böbel stehen Rede und Antwort. „Wir hatten tatsächlich etliche Nachfragen zur Umstellung und haben viele Gespräche mit unseren Kunden geführt“, erzählen sie. Dabei hätten sie die Gründe ausgiebig erläutert. Umso mehr schmerze es sie, wenn sich trotzdem jemand ausgenommen fühle. Zumal es nicht darum gehe, den Leuten einfach das Geld aus der Tasche zu ziehen. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein, müssen also keinen Gewinn erwirtschaften“, betont Beer.

Versehentliche Alarme filtern

Für den technischen Teil des Hausnotrufs arbeitet die Kirchliche Sozialstation mit der Vitakt GmbH zusammen. Das Unternehmen stellt die Geräte bereit und ist rund um die Uhr der erste Ansprechpartner für alle, die den Notrufknopf – den sogenannten Piepser – betätigen.

Die Vitakt-Mitarbeiter filtern zunächst die eingegangenen Notrufe. „Denn immer wieder lösen Nutzer den Piepser versehentlich aus, zum Beispiel wenn sie eine Jacke anziehen, um das Haus zu verlassen“, berichtet Böbel. Da jeder Einsatz in Rechnung gestellt wird, versuche Vitakt, unnötige Fahrten wegen derartiger Fehlalarme zu vermeiden – im Sinne der Kunden. Nur, wenn wirklich eine Notlage besteht, informiert die Firma die Sozialstation. „Wir arbeiten seit mindestens 20 Jahren mit ihr zusammen. Sie ist sehr zuverlässig und die Notrufrückverfolgung läuft sehr professionell“, hebt Beer hervor. Für das Bereitstellen der erforderlichen Geräte berechnet Vitakt eine monatliche Mietgebühr von 25,50 Euro. Wer allerdings einen Pflegegrad hat und alleine lebt, müsse dafür nichts zahlen. „Das übernimmt die Pflegekasse“, sagt er.

Mehr zum Thema

Asylnetzwerk

Geschenkaktion für geflüchtete Kinder

Veröffentlicht
Von
zg/kso
Mehr erfahren
Soziales

Kinderförderfonds: Armut in Schwetzingen und Region steigt weiter

Veröffentlicht
Von
Nicolai Lehnort
Mehr erfahren
Aktiv im Alter

Polizei warnt Senioren in Neulußheim vor Betrügern

Veröffentlicht
Von
Renate Hettwer
Mehr erfahren

Das gilt jedoch nicht für den Part der Sozialstation. Für die echten Notfälle betreibt sie eine eigene, ganztätig erreichbare Rufbereitschaft – für die Kunden, auf deren Anruferliste sie steht. „Es ist aber ebenso möglich, lediglich die Geräte zu mieten und zum Beispiel Familienangehörige oder vertrauenswürdige Nachbarn als Notfallkontakte zu hinterlegen“, nennt Böbel eine Alternative. Für alle, die stattdessen auf die Sozialstation setzen, übernehme sie den Schlüsseldienst – damit die Pflegekräfte bei Bedarf in die jeweilige Wohnung gelangen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit des Sicherheitsanrufs respektive, dass ein Kunde einmal täglich auf den Piepser drückt. Passiere das nicht, hakten Vitakt oder die Sozialstation nach, ob alles in Ordnung ist.

Pflegekräfte für die Nacht

„Bisher konnten wir das alles unentgeltlich anbieten, da wir die Kosten intern kompensierten. Das geht jetzt leider nicht mehr“, führt Geschäftsführer Beer einen Grund für die neue Monatsgebühr an. Dazu habe nicht zuletzt die allgemeine Preissteigerung beigetragen, von der auch die Kirchliche Sozialstation nicht verschont geblieben sei. „Die Benzinkosten für unsere Fahrzeuge etwa haben sich deutlich erhöht, ebenso wie die Energiekosten“, nennt er zwei Faktoren.

Daneben seien die 24,50 Euro aus Personalgründen unumgänglich geworden. In der Vergangenheit sei es gelungen, das Angebot tags und nachts mit eigenen Mitarbeitern abzuwickeln. Doch nachts alleine in eine fremde Wohnung zu gehen, hätten sich vor allem die Frauen oft nicht getraut – und die Anzahl der Männer im Team sei überschaubar. „Außerdem können wir nicht einfach irgendwen rausschicken, dafür sind speziell geschulte Fachkräfte nötig, von denen wir genügend brauchen“, betont Pflegedienstleiter Böbel. Die seien allerdings wie in vielen anderen Branchen rar.

Autos und Hilfsmittel vorhalten

Dennoch: „Wir versuchen mit unseren Mitteln, die Kunden so zu versorgen, wie sie es brauchen“, formuliert Beer den Anspruch des Vereins an sich selbst. Um die Ruf- und Einsatzbereitschaft nachts weiter leisten zu können, sei die Sozialstation eine Kooperation mit dem Anbieter „Nachtpflege daheim“ aus Heidelberg eingegangen. Die Zusammenarbeit laufe seit der Umstellung bestens. „Wir sind erfreut, wie gut es klappt.“ Inzwischen habe das Unternehmen sogar Mitarbeiter in Neulußheim und Reilingen.

Tagsüber stemmt die Sozialstation das Angebot hingegen weiter selbst. Hierfür seien 25 Pflegekräfte auch im Hausnotruf beschäftigt, den ungefähr 200 Kunden nutzen. Insgesamt hat die Einrichtung rund 120 Mitarbeiter. Daneben engagieren sich 60 bis 70 ehrenamtliche Helfer sowie weitere 35 Ehrenamtliche im angeschlossenen Hospizdienst. Doch zurück zum Hausnotruf: Um im Ernstfall schnell zu den Kunden zu kommen, muss die Sozialstation mehrere Fahrzeuge vorhalten – einschließlich der Ausstattung. „Unsere Leute haben als technisches Hilfsmittel zum Beispiel einen Lifter mit Kompressor dabei. Damit kann eine Person jemanden aufheben, den sie ohne nicht alleine bewegen könnte“, erklärt Böbel. Natürlich verursache das Bereithalten ebenfalls Kosten.

Wem trotzdem die 24,50 Euro im Monat zu viel erscheinen, der könne sich bei einem anderen Anbieter in der Region umschauen. Dafür habe jeder ein Vierteljahr Zeit gehabt. Tatsächlich seien bei der Umstellung aber nur wenige Kunden abgesprungen. Bei denen habe es sich jedoch überwiegend um Menschen gehandelt, die den Hausnotruf vorsorglich gebucht hätten, solange er noch kostenlos war, ihn aber in den zurückliegenden Jahren nie oder kaum brauchten, berichtet Beer. Sollte sich das eines Tages ändern, würden sie sich melden.

Redaktion

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung

VG WORT Zählmarke