Soziales

Kinderförderfonds: Armut in Schwetzingen und Region steigt weiter

Die Vorstellung des Jahresberichts des Kinderförderfonds in Schwetzingen zeigt alarmierende Tendenzen. Die Krisen in der Welt verschärfen die Situation von in Armut lebenden Menschen. Auch Großeltern spielen eine Rolle

Von 
Nicolai Lehnort
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Besonders Kinder und Jugendliche sind auch in Schwetzingen und der südlichen Kurpfalz von Armut betroffen (Symbolbild). © Uwe Anspach/dpa

Schwetzingen. Der bald drei Jahre andauernde Krieg in der Ukraine, in Israel tobt die kriegerische Auseinandersetzung mit Palästina auch schon seit über einem Jahr und zuletzt kam noch der politische Umsturz in Syrien hinzu. „Die Krisen in der Welt werden nicht weniger“, stellt Nadine Bikowski fest. Unter anderem durch Inflation und steigende Energiekosten machen sich die weltpolitischen Krisen vor der eigenen Haustür bemerkbar.

Wie belastend diese Situation für von Armut betroffene Menschen sein kann, weiß die Bezirksleiterin des Diakonischen Werks Südliche Kurpfalz aus der Berufspraxis: „Die Menschen sind verunsichert.“ Mehrmals in letzter Zeit habe sie geflüchtete Syrer zur Beratung bei sich gehabt. „Die wussten nicht, ob sie jetzt zurückgeschickt werden oder bleiben dürfen“, sagt sie angesichts des Regierungswechsels und der Migrationsdebatte.

Immer mehr Menschen leben in Deutschland in Armut

All diese Umstände tragen zu einer neuen traurigen Rekordmarke bei: Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist mittlerweile von Armut betroffen. Dem Armutsbericht des paritätischen Gesamtverbands zufolge ist die Zahl der in Armut lebenden Menschen hierzulande zuletzt stetig gestiegen - auf rund 16,8 Millionen im Jahr 2023.

Die Schirmherren (v.l.) John Ehret (OB Leimen), Marcus Zeitler (OB Hockenheim), Roland Strieker (Amtsleiter Schwetzingen in Vertretung für OB Matthias Steffan) sowie die kirchlichen Vertreter Uwe Lüttinger (v. r.) und Katharina Treptow-Garben bekommen den Jahresbericht von Nadine Bikowski (Diakonie) und Manfred Köhne (Caritas) vorgestellt. © Lehnort

Ein Rettungsanker für finanzschwache Familien war auch in den vergangenen Jahren der Kinderförderfonds südliche Kurpfalz. Die gemeinsame Initiative von Diakonie und Caritasverband hat in den vergangenen beiden Jahren Beihilfen im Wert von über 60 000 Euro an die Kinder einkommensschwacher Familien ausgeschüttet. Das zeigt der Jahresbericht für 2023 und 2024, der von Nadine Bikowski und Caritasvertreter Manfred Köhne im Beisein der Schirmherren im Schwetzinger Rathaus präsentiert wurde. Dazu gehören unter anderem der Schwetzinger OB Matthias Steffan, Hockenheims Stadtspitze Marcus Zeitler sowie die beiden Dekane Uwe Lüttinger (katholisch) und Katharina Treptow-Garben (evangelisch).

Schwetzinger Kinderförderfonds: Viele Hilfen für Kleidung

Ein Großteil des Geldes benötigten die bedürftigen Familien auch in den vergangenen Jahren für Kleidung. Über 40 Prozent der Beihilfen wurden 2023 dafür genutzt, im abgelaufenen Jahr war es sogar fast jede zweite. „Eigentlich wollen wir weg davon, den Familien das Nötigste zu finanzieren“, erklärt Manfred Köhne vom Caritasverband Wiesloch. Das sei die originäre Aufgabe des Jobcenters.

Der Gedanke des Kinderförderfonds hingegen war ursprünglich, den Kindern Maßnahmen zu ermöglichen, die über Kleidung und Schulbedarf hinausgehen, die Mitgliedschaft im Sportverein etwa oder die Fahrt auf eine Ferienfreizeit.

Diese für zahllose Jungen und Mädchen selbstverständlichen Bestandteile ihrer Kindheit sind für andere Luxusgüter, bemerkt auch Dekanin Katharina Treptow-Garben. „Die kirchlichen Jugendfreizeiten, die wir anbieten, werden immer weniger gebucht“, berichtet sie und stellt fest: „Selbst bei so einem Angebot, das sich tendenziell an die Mittelschicht richtet, bricht die Nachfrage ein.“

Trotz Arbeit reicht das Geld oft nicht aus

Das zeigen auch die Statistiken im Jahresbericht der Kinderförderfonds, denn die Empfänger der Beihilfen setzen sich bei Weitem nicht nur aus Menschen zusammen, die von Arbeitslosen- oder Bürgergeld leben: Rund ein Viertel von ihnen befindet sich in einem Arbeitsverhältnis und geht damit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. „Aber deren Geld reicht einfach nicht aus“, weiß Nadine Bikowski von der Diakonie. Viele Familien kämen finanziell gerade so über die Runden und „dann kommt die Rechnung für die Heizkosten“.

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Konnten diese Löcher früher manchmal noch von anderen Familienmitgliedern gestopft werden, etwa den Großeltern, stehen nun auch diese vor einem zunehmenden Armutsrisiko. Auch die Quote unter den Älteren der Gesellschaft hat eine traurige Rekordmarke erreicht: „So müssen mittlerweile 18,1 Prozent aller über 64-Jährigen und 18,7 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner zu den Armen gerechnet werden“, heißt es im Jahresbericht. Da immer mehr Ältere sich auch im Ruhestand noch ihre Brötchen verdienen müssen, solange es die Gesundheit zulässt, ist nicht nur das finanzielle Polster geschmolzen, auch die Freizeit nimmt ab - und damit die Möglichkeit, die Enkel in ihre Obhut zu nehmen.

Die Armut in der Kurpfalz wird kontinuierlich größer

Eine Entwicklung, die den Kinderförderfonds vor immer größere Herausforderungen stellt. 2023 etwa waren die Kassen der Caritas bereits im Oktober geleert, berichtet Manfred Köhne. Die Spenden reichten nicht aus, Beihilfen mussten aus Rücklagen finanziert, Klienten abgelehnt werden. Kollegin Nadine Bikowski warnt: „Wir stoßen da an unsere Grenzen.“

Umso dankbarer zeigt sich das Duo für die Spendenbereitschaft. Im Vorjahr gingen über 51 000 Euro an Spenden für den Kinderförderfonds ein. Mit 47 000 Euro wurde in 2024 ein Höchstbetrag zur Auszahlung an Bedürftige verwendet. Einen zentralen Beitrag dazu leistet der Kindertraumbaum auf dem Schwetzinger Weihnachtsmarkt. Das wissen die Verantwortlichen zu schätzen. „Das ist eine wirklich massive Aktion“, unterstreicht Nadine Bikowski. Neben den Geschenken an Bedürftige kommen jährlich zusätzlichSpenden im vier- bis fünfstelligen Bereich zusammen.

In die Zukunft blicken die beiden wenig optimistisch. Die Entwicklung geht in die falsche Richtung. Die Armutsquoten steigen, das Geld fehlt an allen Ecken und Enden, wie auch die Vertreter von Kommunen und Kirche beklagen. „Wir leben noch in einer wirtschaftsstarken Region“, gibt Hockenheims Oberbürgermeister Marcus Zeitler zu bedenken. In anderen Städten sei die Lage noch viel gravierender.

Manfred Köhne kann die Situation einordnen. Der Vertreter der Caritas ist seit 30 Jahren in der Sozialarbeit tätig. Dabei zeige der Trend stets in eine Richtung: „Es wird kontinuierlich schlechter.“

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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