Hockenheim. Die Bürgerinformationsveranstaltung zur Zukunft des Aquadroms verfolgten insgesamt rund 450 Zuhörer – in der Stadthalle sowie bei der Liveübertragung auf Instagram und YouTube. Das kommunale Schwimmbad, erfuhren sie, erwirtschafte starke Defizite, die sich von 2,55 Millionen Euro im Jahr 2019 bis 2024 auf 4,2 Millionen Euro im laufenden Betrieb erhöht haben – trotz Investitionen zwischen 181.000 Euro und 865.000 Euro jährlich.
Die Schließung des seit 1981 als Sparte der Stadtwerke betriebenen Bads sei keine Option, betonte Oberbürgermeister Marcus Zeitler. Mit einer abgespeckten Variante könnte es für das Aquadrom weitergehen. Zum ersten Mal hörten die Bürger an diesem Abend, dass es dann aber kein Freibad und keinen Saunabereich mehr geben wird.
Der OB begann seine Zahlenreise mit einem Auszug aus dem Jahresbericht der Stadtwerke zum Wirtschaftsjahr 1981. Schon damals habe das Defizit 611.000 Mark betragen. Der frühere Bürgermeister Dr. Kurt Buchter schreibe in seinem 1995 erschienen Buch „Hockenheim in Raum und Zeit“, dass der Stadthaushalt einen „chronischen Defizitposten“ losgeworden sei, „während jetzt die Stadtwerke durch das Bad eine dauernde Verschlechterung ihrer Ertragslage in Kauf nehmen mussten“. Ursache seien vor allem die Personalkosten mit rund 2,5 Millionen Mark.
Weiter geht es nur, wenn ausreichend Fördergelder fließen
Das Aquadrom bewege sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen hohen Betriebskosten, der Notwendigkeit ständiger Investitionen sowie der Verpflichtung zu „sozialadäquaten“ Eintrittspreisen und der teilweisen Abdeckung von Angeboten der Daseinsvorsorge wie Schul- und Vereinsschwimmen, führte Zeitler aus. Die Besucherzahlen schwankten stark, erinnerte der Rathauschef an die pandemiebedingten Schließungen und den jüngsten Ausfall des Hallenbads wegen technischer Probleme. Nur 2019 und 2023 seien „normale“ Jahre gewesen.
Die Stadtwerke hätten das jährliche Defizit aus dem Betrieb des Freizeitbads viele Jahrzehnte durch die Überschüsse aus den Gewinnsparten Strom und Gas ausgleichen sowie notwendige Investitionen finanzieren müssen. Einerseits müssten sie aber konkurrenzfähige Preise als Energieversorger aufrufen, andererseits genügend Marge generieren, um die Versorgungssicherheit der Stadt als Netzbetreiber zu sichern sowie den Weiterbetrieb des Bads zu ermöglichen. In der Folge seien Gewinnvorträge aus Vorjahren aufgelöst worden, um die negativen Jahresergebnisse auszugleichen: „Das bedeutet, dass die Stadtwerke mittelfristig nicht mehr in der Lage sind, das Defizit des Freizeitbads aus dem laufenden Betrieb aus eigener Kraft zu refinanzieren.“
Der Fortbetrieb des Aquadroms sei ohne finanzielle Mittel aus möglichen Förderprogrammen nicht zu stemmen, sprach der OB den CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Sturm an. Der Etat von 60 Millionen Euro im baden-württembergischen Doppelhaushalt für kommunale Schwimmbäder sei zu wenig. Pro Bad im Ländle wären das nur 120.000 Euro. Und aus dem „Sondervermögen“ des Bundes zur Unterstützung maroder Sportinfrastruktur sei auch nichts zu erwarten. Sturm wies gegenüber unserer Zeitung auf „Möglichkeiten für Schwimmbäder im Rahmen des Investitionspakets zur Förderung der Sportstätten“ hin. Für die zusätzlichen 60 Millionen Euro habe er sich starkgemacht. Das Beispiel Plankstadt, wo es 2,2 Millionen Euro für das Lehrschwimmbecken gab, zeige, dass eine Millionen-Förderung möglich ist.
Der Investitionsbedarf bleibt enorm
Der Fortbetrieb des Bades in bisheriger Ausrichtung ist vom Tisch, machte Zeitler klar. Man müsse bis 2030 von einem jährlichen Minus im laufenden Betrieb von sechs bis sieben Millionen Euro ausgehen, zudem kämen noch notwendige Investitionen in Summe von 17,5 Millionen Euro hinzu.
Professor Dr. Christian Kuhn von der Deutschen Sportstättenbetriebs- und Planungsgesellschaft mbH & Co KG stellte zwei weitere Szenarien vor. Variante zwei für ein Sport- und Vereinsbad mit Neubau und Saunaerweiterung und einem Investitionsbedarf von rund 50 Millionen Euro sowie einem jährlichen Zuschussbedarf von 3,5 Millionen Euro falle weg. Als Kehrtwende bleibe nur eine dritte Variante: Bestandssicherung, Teilabbruch und Neubau kosteten rund 17 Millionen Euro, der laufende Betrieb habe immer noch einen Zuschussbedarf von rund 2,1 Millionen Euro pro Jahr. Das bedeute, es blieben nur ein Sport- und Vereinsbad sowie ein Eltern-Kind-Becken. Zeitler erläuterte diese Maßnahme mit der öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge.
Dieses Jahr seien Investitionen von rund 728.000 Euro geplant, darunter in die Erneuerung der Filter im Sole-Innenbecken sowie in die Dach- und Lüftungssanierung. Bis 2030 dürften weitere Kosten von 15 bis 20 Millionen Euro anfallen, pro Jahr etwa drei bis vier Millionen Euro für Becken, Filtertechnik und Wellenmaschine. Es habe unzählige Diskussionen in Workshops gegeben, dankte Zeitler dem Gemeinderat: „Wir müssen handeln. Die Zeit der Wünsche ist leider vorbei.“
Das vorgestellte Konzept überzeugt viele Teilnehmer nicht
Eine weitere Hiobsbotschaft: Sollte das Gremium dem Vorschlag für Variante drei folgen, müsste das Aquadrom-Areal für zwei Jahre geschlossen werden. Das Ansinnen, einen „Bürgerrat“ zu installieren, um die Entscheidung nicht nur dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister zu überlassen (wir berichteten), wies Zeitler zurück: „Wir sind uns unserer Aufgabe bewusst und sitzen nicht da und warten ab.“ Dass auch in den nächsten Jahren Geld fehlt für die Sanierung von Straßen und Kanälen, dürfte ebenfalls klar geworden sein. Und mit der Stadthalle und dem Gartenschaugelände habe die Rennstadt noch weitere defizitäre Objekte.
Die Diskussionsrunde sparte nicht mit Kritik. Erst auf Nachfrage habe Zeitler die Erschließung des Areals für Wohnraumflächen zur Gegenfinanzierung zugegeben. Das hätte man vorher kommunizieren sollen. Bei der Präsentation sei zudem nicht sofort zu erkennen gewesen, dass das Freibad komplett wegfällt. Ob die Rechnung bei einem geschmälerten Angebot wirklich aufgeht, wollte ein Besucher wissen. Viele zeigten sich unzufrieden mit dem neuen Konzept. Ohne Freibad sei das Bad zum Scheitern verurteilt. Einige Diskussionsteilnehmer hätten sich mehr Informationen im Vorfeld gewünscht.
Bei dem verbleibenden Sport- und Vereinsbecken sei es möglich, durch einen Hubboden auch einen Kinderschwimmbereich herzustellen, so Kuhn. Wenigstens das Freibad während der Bauarbeiten geöffnet zu lassen, sei nicht möglich. Mitglieder des Schwimmvereins freuten sich, dass das Aquadrom nicht dauerhaft schließen wird. Die Umsetzung der angepeilten Variante umfasse allerdings eine Reduzierung des Personals, gab Zeitler zu. Warum man trotz Besucherrekorden auf das Freibad verzichten will, war manchen Teilnehmern nicht einleuchtend. Während der Corona-Pandemie habe man Badegäste vergrault, so ein weiterer Kritikpunkt. Vielleicht kämen deshalb so wenige Hockenheimer, nämlich nur 29 Prozent der Badegäste. Man hätte die Eintrittspreise ruhig erhöhen dürfen, so eine weitere Meinung. „Wir wollten Ihnen heute die knallharte Wahrheit sagen“, teilte Oberbürgermeister Zeitler abschließend mit: „Wir scheuen uns nicht vor der großen Herausforderung.“
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-wie-es-mit-dem-hockenheimer-aquadrom-weitergehen-koennte-_arid,2315716.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-hockenheims-ob-zum-aquadrom-defizit-ist-einfach-zu-hoch-_arid,2315490.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html