Naturschutzgebiet

Baumfällungen auf Ketscher Rheininsel: Naturschutz in Gefahr?

Auf der Ketscher Rheininsel werden derzeit Bäume gefällt, was bei vielen Spaziergängern Unmut hervorruft. Die Maßnahmen stehen im Spannungsfeld von Naturschutz und Waldbewirtschaftung.

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Benjamin Jungbluth
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Mit großem Gerät werden derzeit zahlreiche Bäume auf der Ketscher Rheininsel gefällt und zwischengelagert – obwohl es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. © Benjamin Jungbluth

Ketsch. Kreischende Sägen, schwere Spezialfahrzeuge und teils großflächig gerodete Bereiche: Auf der Ketscher Rheininsel sorgen aktuell Baumfällungen bei so manchem Spaziergänger für Unmut – handelt es sich doch bei dem betroffenen Gebiet um ein in der ganzen Region beliebtes Naturschutzgebiet. So hat sich unsere Leserin Karin Klein gemeldet, die das Thema bereits seit einigen Jahren verfolgt und die regelmäßigen „Kahlschläge“ kritisiert.

„Ich habe schon Gespräche mit der Leitung des Kreisforstamtes geführt und mit dem Regierungspräsidium Kontakt aufgenommen, aber dort erhält man nur ausweichende Antworten. Demnach seien die Fällungen erlaubt. Gilt der Naturschutz dort etwa nur für uns Bürger? Spaziergänger dürfen keine Pflanzen entfernen, die Wege nicht verlassen und keine Hunde laufen lassen. Aber der Staat darf massenhaft Bäume fällen, um sie zu verkaufen und damit Geld zu verdienen?“, fragt Karin Klein.

Naturschutz und Waldbewirtschaftung auf der Ketscher Rheininsel

Ganz so kritisch würden es die Verantwortlichen wohl nicht ausdrücken, doch tatsächlich weist Forst Baden-Württemberg (ForstBW) auf Nachfrage unserer Zeitung auf einige Besonderheiten beim Thema Naturschutz und Waldbewirtschaftung hin. Da die Ketscher Rheininsel zum Staatswald gehört - also im Eigentum des Landes Baden-Württemberg ist – liegen die Zuständigkeiten bei diesem Landesbetrieb, der seit 2020 als Anstalt des öffentlichen Rechts teilweise Aufgaben der Forstverwaltung übernommen hat (siehe Infokasten).

Forst Baden-Württemberg und der Hardtwald

Der Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (ForstBW) betreut fast den gesamten Staatswald, also den Wald im Eigentum des Landes. Einziger Sonderfall ist der Nationalpark Schwarzwald, für den die Nationalparkverwaltung zuständig ist. Mit über 324.000 Hektar - das entspricht rund einem Viertel der Waldfläche Baden-Württembergs – und rund 1.800 Beschäftigten ist er der größte Forstbetrieb des Landes.

Die Ketscher Rheininsel gehört zum Forstbezirk Hardtwald, einem von insgesamt 21 Bezirken von ForstBW. Zwischen Karlsruhe und Mannheim betreuen etwa 60 Mitarbeiter rund 15.000 Hektar Staatswald. Der größte Teil der Flächen gehört zum namensgebenden Hardtwald mit seinen sandigen Böden und vielen Kiefern. Hinzu kommen im Westen der Auewald entlang des Rheins sowie im Osten, an der Schwelle zum Kraichgau, Wälder mit höheren Anteilen an Eichen in der sogenannten Kinzig-Murg-Rinne.

Für den Wald der Gemeinden und Städte sowie den Wald von Privatbesitzern sind hingegen die Unteren Forstbehörden (UFB) in den Land- und Stadtkreisen zuständig, die sogenannte Landesforstverwaltung. Im Staatswald sind die UFB nur für hoheitliche Aufgaben beauftragt – zum Beispiel für den Fall, dass Wald in eine andere Nutzung umgewandelt werden soll. beju

ForstBW bestätigt, dass die Rheininsel schon seit 1950 grundsätzlich Naturschutzgebiet ist. Später wurde sie außerdem Teil des europäischen Biotopverbundsystems Natura 2000. „Als Konsequenz richtet sich die Waldbewirtschaftung dort auf die Erreichung der Erhaltungs- und Entwicklungsziele der Naturschutzgebietsverordnung und des Managementplans für die Natura 2000-Flächen aus“, erklärt Bernd Schneble, Leiter des zuständigen Forstbezirks Hardtwald.

Doch aus Sicht des Landesbetriebs bedeutet das nicht, dass die Natur dort komplett sich selbst überlassen wird. Stattdessen hätten sich „der große Artenreichtum und die besondere Schutzwürdigkeit der Ketscher Insel aus der langen Bewirtschaftung durch den Menschen ergeben. Es ist deshalb sinnvoll, die bewährte Bewirtschaftung fortzuführen“, heißt es von ForstBW.

Ketscher Rheininsel: Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Aspekte der Holznutzung

Das dabei anfallende Holz werde genutzt und von der Gesellschaft auch benötigt. Gleichzeitig würde die gute Nachfrage nach den anfallenden Hölzern in der Regel ausreichen, um mit den Erlösen die Holzernte und die Unterhaltung der Wege sowie der Erholungseinrichtungen zu finanzieren. „Der Gewinn aus der Holznutzung fließt im Staatswald komplett in die Kasse des Landes und dient damit dem Wohl der Bürger“, betont Bernd Schneble. Gleichzeitig setze sich ForstBW zum Ziel, „ökologisch vorbildlich, sozial ausgewogen und ökonomisch erfolgreich“ zu arbeiten. Auch das Thema Nachhaltigkeit sei für den Landesbetrieb sehr wichtig, was verschiedene Auszeichnungen belegen würden.

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Hinzu kämen im gesamten Staatswald sogenannte Alt- und Totholz-Konzepte. Diese sollen sicherstellen, dass trotz einer Bewirtschaftung bestimmte Tier- und Pflanzenarten ausreichend geschützten Lebensraum finden. „Im Naturschutzgebiet Ketcher Insel wurden dabei drei „Waldrefugien“ mit einem Flächenumfang von 54,1 Hektar sowie eine Vielzahl von über die gesamte Insel verteilten ,Habitatbaumgruppen‘ aus der Nutzung genommen“, erläutert Schneble. Gleichzeitig habe die jüngste Bundeswaldinventur gezeigt, dass die Menge an Alt- und Totholz sowohl im Staats- als auch im Kommunal- und im Privatwald steigen würde.

Das Eschentriebsterben und seine Auswirkungen auf die Ketscher Rheininsel

Doch wie passen diese Erklärungen zu den teils großflächigen und massiven Rodungen, die es jüngst auf der Rheininsel gab? Diese begründet ForstBW mit einer Krankheit, die die heimischen Wälder heimsucht: dem Eschentriebsterben. Ausgelöst wird es durch das „Falsche Weiße Stängelbecherchen“, eine wohl aus Asien stammende Pilzart, die sich seit einigen Jahrzehnten verstärkt in Europa ausbreitet. Während der Parasit in seinen Ursprungsregionen aufgrund von Anpassungen der Bäume kaum Schäden verursacht, ist er bei uns für das Absterben großer Eschenbestände verantwortlich.

Betroffen davon war jüngst wieder eine Fläche auf der Ketscher Rheininsel. Laut ForstBW wurden dort die abgestorbenen oder gerade absterbenden Bäume jetzt gefällt. Ihr Holz könne dabei noch regulär verkauft werden. Doch durch die erkrankten Bestände habe sich das Gebiet weiter verändert, erklärt Schneble. „Unter den absterbenden Bäumen hatten sich Sträucher angesiedelt, die durch ihre Beschattung das Aufkommen von jungen Baum-Sämlingen weitgehend verhindert haben. Gleichzeitig haben diese Pflanzen bei vielen Waldbesuchern die Illusion eines voll bestockten Waldes erweckt.“

Rheininsel Ketsch: Chancen für neue Eichenpflanzungen durch Rodungen

Doch insbesondere Eichen, die für den Artenreichtum der Ketscher Insel „von überragender Bedeutung“ seien, hätten in der Jugend einen hohen Lichtbedarf. Durch das großflächige Fällen ergebe sich nun die Chance, an dieser Stelle neue Eichen anzupflanzen, die unter für sie geeigneten Bedingungen gedeihen könnten. In den kommenden Wochen sollen diese Anpflanzungen beginnen und in den nächsten Jahren eine entsprechende Pflege durch die Forstleute erfolgen.

„Das gleiche Vorgehen gab es in den vergangenen Jahren schon an anderen Stellen auf der Rheininsel“, betont Bernd Schneble. Und je nachdem, wie schnell das Eschentriebsterben fortschreite, könne es in Zukunft derartige Maßnahmen erneut geben. Grundsätzlich strebe ForstBW außerdem eine Verjüngung des Waldes auf der Rheininsel an – das führe zu den gewünschten Mischbeständen und sei zudem wirtschaftlich.

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Der Klimawandel hingegen spielt laut ForstBW auf der Ketscher Rheininsel nur eine Nebenrolle. Denn die Wurzeln der Bäume würden hier zumeist bis an die Grundwasser führenden Schichten im Boden hinabreichen. „Bäume mit Grundwasseranschluss sind von den in der Zukunft verstärkt zu erwartenden Dürrephasen nach den bisherigen Erfahrungen weniger betroffen. In solchen Bereichen ist deshalb ein Waldumbau nicht so dringlich wie beispielsweise auf den Sandböden der Hardtwälder, die ein Hotspot des Klimawandels sind“, betont ForstBW.

Gleichwohl sei es sinnvoll, die sich bietenden Möglichkeiten zur Förderung und Pflanzung von trockenheitsresistenten Baumarten wie der Eiche zu nutzen, zumal sich diese im Schatten der Altbestände auf natürliche Weise nicht ausreichend verjüngen könnten. „Ziel der Waldwirtschaft auf der Insel ist deshalb sowohl die Erhöhung des Eichenanteils durch Pflanzung als auch die Erhöhung des Anteils trockenheitsresistenter Baumarten wie der Hainbuche im Rahmen der Naturverjüngung, um langfristig eine möglichst hohe Trockenheitsresistenz des Waldes zu erreichen“, teilt Forstbezirksleiter Bernd Schneble abschließend mit.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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