Schulen

Betreuungskrise in Ketsch: Familien und Gemeinde vor großen Herausforderungen

Ab September fehlen in Ketsch bis zu 30 Betreuungsplätze für Grundschulkinder. Eltern wie Sarah Blossfeldt könnten gezwungen sein, ihre Berufe aufzugeben.

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Benjamin Jungbluth
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Im kommenden Schuljahr wird es bei der Kernzeitbetreuung an der Neurottschule eng: Wegen geburtenstarker Jahrgänge gibt es zu wenig Plätze. Für die betroffenen Familien ergeben sich daraus große Probleme. © Benjamin Jungbluth

Ketsch. Für Sarah Blossfeldt und ihre Familie könnte das kommende Schuljahr schwierig werden: Dann wechselt eines der drei Kinder von der Kita an die Neurottschule. Weil Sarah Blossfeldt aber in einer 70 Prozent-Stelle und ihr Mann in Vollzeit arbeitet, sind die Eheleute auf eine verlässliche Betreuung angewiesen. Und eben diese ist für rund 15 bis 30 Ketscher Grundschulkinder ab September nicht gewährleistet – obwohl die Anmeldungen teils schon Jahre zuvor erfolgt sind.

„Wir haben deswegen schon Kontakt zum Gemeinderat und zum Bürgermeister aufgenommen und suchen seit Monaten händeringend nach Lösungen. Aber bislang werden wir leider nur vertröstet. Zusagen will uns niemand machen. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass Eltern demnächst ihren Job kündigen müssen, weil es keine ausreichenden Betreuungsangebote in Ketsch gibt“, sagt die dreifache Mutter.

Schulbetreuung: Ketscher Familien sehnen sich nach Verlässlichkeit

Dabei geht es den meisten derzeit Betroffenen nicht um eine Ganztagsbetreuung, sondern um ein verlässliches Zeitfenster von 7 bis 14 Uhr. Denn in der Regel startet ein Schultag in der 1. Klasse erst um 8 Uhr oder gar um 8.45 Uhr. Das Ende ist bereits um 12.25 Uhr oder 13.10 Uhr.

„Weil das immer schwankt, können wir mit maximal viereinhalb Stunden pro Tag sicher rechnen. Wenn man dann noch abzieht, dass die meisten Arbeitnehmer nicht selten 30 Minuten Anfahrt haben, ist die mögliche Arbeitszeit derart gering, dass sich kaum ein Arbeitgeber darauf einlässt“, erklärt Sarah Blossfeldt.

Im kommenden Schuljahr wird es bei der Kernzeitbetreuung an der Neurottschule eng: Wegen geburtenstarker Jahrgänge gibt es zu wenig Plätze. Für die betroffenen Familien ergeben sich daraus große Probleme. © Benjamin Jungbluth

„Wir würden uns wünschen, dass die Gemeinde zeitnah eine Lösung für das nächste Schuljahr findet. Denn ab 2026 startet dann ja ohnehin der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Deshalb müssen endlich auch Land und Bund genug Unterstützung an die Kommunen leisten, damit das alles umgesetzt werden kann“, betont die Ketscherin.

Ketscher Bürgermeister zeigt großes Verständnis für die betroffenen Familien

Bürgermeister Timo Wangler zeigt im Gespräch mit unserer Zeitung großes Verständnis für die betroffenen Familien. „Es ist gar keine Frage, dass es im Interesse der ganzen Gesellschaft ist, dass Beruf und Familie gut vereinbar sind. Wenn stattdessen dringend benötigte Arbeitskräfte ausfallen oder die Betroffenen in ihrem Alltag stark eingeschränkt werden, dann hilft das niemandem“, so Wangler.

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Doch gleichzeitig verweist der Bürgermeister auf die hohen Finanzierungskosten für die Kinderbetreuung. Mit insgesamt rund 13 Millionen Euro jährlich sei dieser Bereich der größte Posten im Haushalt der Gemeinde. Allein bei den Kindergärten und Kitas blieben am Ende noch rund sechs Millionen Euro an Ketsch hängen - trotz der Beiträge der Familien und der Zuschüsse des Landes.

„Wir geben also schon enorm viel Geld dafür aus. Hinzu kommen die zahlreichen weiteren Pflichtausgaben, die uns durch Bund und Land vorgegeben werden und für die wir keine ausreichende Unterstützung erhalten. Dieses Problem haben alle Kommunen in Deutschland: Auf lokaler Ebene fallen rund 25 Prozent der staatlichen Ausgaben an, aber wir erhalten nur etwa 14 Prozent der staatlichen Mittel“, erklärt Wangler die prekäre Lage der Städte und Gemeinden.

Sparmaßnahmen zwingen Ketsch zu Abstrichen bei freiwilligen Aufgaben

Weil Ketsch zusätzlich in hohem Maße sparen müsse, könnten bekanntermaßen nur noch wenige freiwillige Aufgaben finanziert werden. „Es ist also nicht die Frage, ob wir die Schulbetreuung erweitern wollen, sondern ob wir das überhaupt können“, so Wangler. Denn erst ab dem darauffolgenden Schuljahr 2026/27 gebe es für Familien den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in Grundschulen.

Auch an der Alten Schule sind die Plätze für die Kernzeit knapp - immerhin ist hier dank der jüngsten Sanierung und des neuen Anbaus die Raumsituation entspannter. © Benjamin Jungbluth

Doch schon bei der bestehenden Kernzeitbetreuung zwischen 7 und 14 Uhr gibt es ab dem kommenden Schuljahr in Ketsch Kapazitätsprobleme, wie der Bürgermeister einräumt. „Wir sind da seit einigen Wochen in der finalen Klärung mit dem Trägerverein Postillion. Aktuell rechnen wir in ganz Ketsch mit insgesamt 15 bis 30 Plätzen, die ab September fehlen werden. Wie diese sich aber über unsere beiden Schulen verteilen werden, wissen wir erst in den Sommerferien – denn bis zuletzt ist es für Familien möglich, einen Wechsel des Schulbezirks zu beantragen“, erklärt Wangler.

Schulbetreuung in Ketsch: Gemeinde kann bislang keine Zusagen machen

Deshalb könnten für manche Betroffenen bislang keine Zusagen gemacht werden, so bitter diese Planungsunsicherheit auch sei. Insgesamt sei das Angebot in der Enderlegemeinde aber gut: Mit 315 Plätzen in der Schulbetreuung erreiche man eine Quote von etwa 66 Prozent aller Grundschüler.

„Der Landesschnitt liegt bei rund 70 Prozent. Durch mehrere besonders geburtenstarke Jahrgänge hat sich da jetzt ein größerer Bedarf entwickelt, dessen Spitze wir im kommenden Schuljahr wohl erreicht haben“, so Wangler. Ausreichend Räume seien indes vorhanden: An der Alten Schule gebe es dank der jüngsten Sanierung und des neuen Anbaus keine Probleme und auch an der Neurottschule seien noch Möglichkeiten vorhanden.

„Beim Personal ist der Postillion gefragt, wobei natürlich auch dort der Fachkräftemangel zu spüren ist. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir bis zum nächsten Schuljahr Lösungen finden werden. Am Ende muss aber der Gemeinderat diese zusätzlichen Kosten für den Ketscher Haushalt genehmigen“, sagt Bürgermeister Timo Wangler.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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