Baumgeschichten

Dieser Olivenbaum ist in Ketsch fest verwurzelt

Anja Büttner aus Ketsch zieht ihren Olivenbaum aus einem Kern, der nun zusammen mit einer Hanfpalme beim Schillerplatz mediterranes Flair verbreitet.

Von 
Rolf Simianer
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Als "Baummutter" Anja Büttner 2018 in Absprache mit dem damaligen Ketscher Bürgermeister Jürgen Kappenstein hinter dem Schillerplatz ihren Olivenbaum pflanzte, trennte sie ihn nichtvom "Lebenspartner" Palme. © Rolf Simianer

Das Wichtigste in Kürze

Anja Büttner aus Ketsch zieht ihren Olivenbaum aus einem Kern, der nun zusammen mit einer Hanfpalme beim Schillerplatz mediterranes Flair verbreitet.

Ketsch. Viele Menschen sind fasziniert vom silbrigen Schimmer der Olivenblätter, der je nach Lichteinfall mal ins Grünliche, mal ins Bläuliche spielen kann. Zudem begeistern sie sich für die schmucke und lockere Wuchsform des Baumes mit seinen elegant herabhängenden Ästen. Auch liefert der Olivenbaum für eine große Anzahl von Gartenliebhabern ganzjährig das begehrte mediterrane Flair. Doch speziell für Anja Büttner waren es zwei andere Eigenschaften dieser Baumart, die in ihr den Wunsch weckten, ein eigenes Exemplar zu besitzen: Erstens die ausgeprägte mythologische Bedeutung der Olivenpflanze und zweitens ihre Fähigkeit, viele Jahrhunderte alt zu werden und ganze Geschichtsepochen zu überleben.

Ketscherin wählt Mutterpflanze genau aus

Darum machte sich die gebürtige Kielerin vor mehr als 20 Jahren auf die Suche nach der geeigneten Elternpflanze, denn „Vater und Mutter“ leben bei den zumeist aus sich selbst heraus fruchtenden Olivensorten gemeinsam auf einem Baum. Da ihr ganz persönlicher Olivenbaum gute Gene haben sollte, sucht sie diese mit den Augen einer Frau, die den richtigen Mann für ihre zukünftigen Kinder auswählt.

Fündig wird Anja Büttner in Frankfurt, wo sie zu jener Zeit als leitende OP-Schwester am Uniklinikum arbeitet: Direkt am Mainufer wurzelt ein gesunder, kräftiger und schöngewachsener Olivenbaum in der Uferböschung, der ganz sicher schon Fröste, Hundeurin und womöglich auch menschlichen Vandalismus ausgehalten habe, wie sich Büttner denkt und vorstellt. Sie pflückt sich eine besonders schöne Olive und steckt den Kern in handelsübliche Blumenerde. Doch trotz fachgerechter und ausdauernder Pflege passiert erst einmal ein ganzes Jahr lang gar nichts, und irgendwann verwendet die Freundin des naturnahen Gartenbaus die Erde mit dem Kern darin für andere Pflanzen.

Doch dann geschieht das völlig Unerwartete: In diesem eigentlich unwirtlichen Milieu keimt der Same dennoch aus dem Kern. Als Anja Büttner den Keimling als Olivenzweig erkennt, pikiert sie ihn in einen eigenen Topf. Ab diesem Zeitpunkt zieht sie die Jungpflanze mit Liebe auf und - wie jeder echte Gärtner - spricht sie auch mit ihr. Büttner topft das Bäumchen mehrmals um. Und als es zu einer starken Pflanze herangewachsen ist, pflanzt sie diese in einen großen Kübel, der auch im Winter im Freien steht.

Der Olivenbaum hat in den vergangenen Jahren eine wahre Renaissance in deutschen Gärten und auf Terrassen erlebt - längst ist er nicht mehr nur ein Symbol mediterraner Lebensfreude, sondern auch ein beliebtes Gestaltungselement für Hobbygärtner. © Rolf Simianer

Trotz des schwierigen Transports zieht der Baum zuerst nach Mannheim und 2017 dann nach Ketsch mit um, wo Anja Büttner gemeinsam mit ihrem Mann seit nunmehr elf Jahren lebt. Inzwischen war in dem Gefäß auch eine Hanfpalme aufgegangen, sozusagen als Lebensgefährtin, wie Büttner schmunzelnd meint. Deswegen trennt sie die beiden grünen Partner nicht, als sie diese 2018 in Absprache mit dem damaligen Ketscher Bürgermeister Jürgen Kappenstein hinter dem Schillerplatz in gemeindeeigenen Boden pflanzt. An diesem sandigen Standort wächst und gedeiht das Paar seitdem weiterhin einträchtig und in bester Weise.

Im vergangenen Jahr erntet sie die ersten Ketscher Oliven

Anja Büttners Olivenbaum ist eigentlich ein Strauch, da aus einem breiten, leicht gewölbten Wurzelhals drei nahezu gleichwertige Triebe mittlerweile bis in fünf Meter Höhe herauswachsen. Bereits im vergangenen Jahr trug die mehr als drei Meter breite Pflanze die ersten Früchte, und dieses Jahr macht sich die Besitzerin Gedanken, wie sie die Ernte verwenden soll, die bei Oliven in den Wintermonaten stattfindet. Frisch vom Baum essen kann man die Früchte nicht, da sie zu viele Bitterstoffe enthalten. Erst nach Entzug dieser Stoffe in einer Salzlake sind sie roh genießbar, beispielsweise als Salatbeilage. In Olivenöl eingelegt und luftdicht verschlossen sind Oliven mindestens ein Jahr haltbar. Man kann sie auch in verschiedenster Weise mit Kräutern marinieren und zu köstlichen Leckerbissen verarbeiten. Der größte Teil der Olivenernte wird in allen Anbaugebieten jedoch zu Olivenöl verarbeitet, das wegen seiner einfach gesättigten Fettsäuren und Wirkstoffe gegen Zellgifte (Antioxidantien) das Herz-Kreislauf-System schützt und den Fettstoffwechsel positiv beeinflusst. Im Geschmack ebenfalls großartig sind entkernte und mit Mandeln, Paprika oder halben Knoblauchzehen gefüllte Oliven.

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Der Oliven- oder Ölbaum stammt ursprünglich aus dem gesamten Mittelmeerraum und dem Nahen Osten. Die afrikanische Wildform stammt aus Südafrika. Er gehört zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit. Bereits 4000 Jahre vor Christus kultivierten Bauern aus der Wildform die viel ertragreichere Gartenolive. Der Baum erträgt zwar Hitze gut, ist aber frostempfindlich. Versuche, sein Anbaugebiet weiter nach Norden auszudehnen, scheiterten immer wieder an zu harten Wintern. Zuletzt im Jahr 1956, als ein Kälteeinbruch aus Osteuropa Millionen von Olivenbäumen in Südfrankreich, Italien und Spanien vernichtete. Ende der 1980 er Jahre wurde den Olivenanbau wiederbelebt und die nördlichste Plantage zur Ölgewinnung liegt seit 2008 in der Nähe von Köln.

Der verstorbene Künstler und Gymnasiallehrer Otto Eberhardt hatte vor mehr als zwei Jahrzehnten vier Olivenbäumchen von einer Italienreise mitgebracht, die er in seinen Garten vor dem Wohnhaus pflanzte. © Rolf Simianer

Ein weiterer Pionier der kurpfälzischen Olivenzucht war neben Anja Büttner der Schwetzinger Künstler und Gymnasiallehrer Otto Eberhardt, der 2019 verstorben ist. Wie sein ebenfalls in Ketsch lebender Sohn Nikolaus Eberhardt berichtet, brachte sein Vater vor mehr als zwei Jahrzehnten vier Olivenbäumchen von einer Italienreise mit, die er in seinen Garten vor dem Wohnhaus pflanzte. Obwohl der Frost sie mehrmals ernsthaft schädigte, trieben sie immer wieder aus und stellen heute beinahe einen kleinen Olivenhain dar. Und weil die vier Bäume sich auch gegenseitig befruchten, hängen sie aktuell prasselvoll mit Früchten. Übrigens steht auch ein fast 50 Jahre alter Feigenbaum im Eingangsbereich des heutigen „Otto-Eberhardt-Hauses“ in der Schwetzinger Schillerstraße.

Olivenzweig ist ein Hoffnungs- und Friedenssymbol

Wenn Anja Büttner an die mythologische Bedeutung der Olivenpflanze denkt, fällt ihr zuerst deren Hoffnungs- und Friedenssymbolik ein. In der alttestamentarischen Geschichte von der Sintflut schickt Noah nach 40 Tagen auf dem Wasser eine Taube als Kundschafterin in die Lüfte. Sie kommt mit einem Olivenzweig im Schnabel zurück als Zeichen, dass die Erde wieder grünt, neue Hoffnung entstanden ist und Gott wieder Frieden mit den Menschen geschlossen hat. In der Bibel finden sich außerdem Hinweise darauf, dass die Könige David und Salomon den Anbau von Oliven gefördert hätten. Außerdem sei der Olivenbaum zusammen mit dem Feigenbaum und dem Rebstock ein Symbol für Wohlstand und bürgerliches Glück gewesen.

In der griechischen Mythologie galt der Olivenbaum als heiliger Baum der Göttin Athene, die ihn einst den Einwohnern von Athen zum Geschenk gemacht haben soll. Homer, der Autor der „Ilias“, gibt in seinen Schriften bereits im 8. Jahrhundert vor Christus Auskünfte über den Gebrauch des Olivenholzes für Werkzeuge und als Brennholz sowie den Einsatz von Salben aus Olivenöl für medizinische und kosmetische Zwecke.

Frostempfindlichkeit bleibt ein großes Problem

Aktuell ist der Olivenbaum in Mode. Man findet ihn als Topf- oder Kübelpflanze beinahe in jedem Bau- und Gartenmarkt. Es ist auch möglich, über Baumschulen noch größere Bäume direkt aus Spanien zu beziehen und von einer Firma des Garten- und Landschaftsbaus bei sich zu Hause einpflanzen zu lassen. Die Frostempfindlichkeit der Pflanzenart bleibt jedoch ein großes Problem. So muss der Gärtner den Boden unter der Krone im Winter unbedingt mit einer dicken Schicht aus Zweigen abdecken. Zudem sind spezielle Säcke im Einsatz, die zum Schutz vor Kälte über die gesamte Krone gestülpt werden, bei wärmerer Witterung und Sonnenschein jedoch wegen drohender Hitzeschäden unbedingt zu öffnen sind. Sogar Bodenheizungen werden um die Bäume herum eingebaut.

Doch an Anja Büttner geht dieser „Olivenhype“ vorbei. Sie genießt das Glück, mit ihrem selbstgezogenen Olivenbaum leben zu dürfen. Für die Ketscherin sind außerdem Pflanzen als ausgleichendes Element gegenüber dem Klimawandel genauso wichtig wie Menschen und Tiere.

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