Ketsch. Es kann doch nicht sein, dass so kleine Lebewesen wie die Ameisen vom Menschen nicht vollständig in den Griff zu bekommen sind – im Falle der Plage, die in der Enderlegemeinde herrscht und sich vom Friedhof ausgehend auf bis zu zehn Hektar erstreckt, muss sogar damit gerechnet werden. „Es ist nicht viel zu machen. Bisher ist kein Kraut gewachsen. Man kann sie lediglich eindämmen“, sagt Dr. Bernhard Seifert vom Senckenberg- Museum für Naturkunde in Görlitz.
Der Fachmann erforscht Ameisen seit 1978. Wenn man die in Ketsch festgestellte Art „Tapinoma magnum“ an einer Stelle bekämpfe, würden die Verluste „wieder aufgefüllt“. Zu den Besonderheiten dieser Ameisenart gehöre es, dass sie wie die „Tapinoma ibericum“ oder die „Tapinoma darioi“ Superkolonien bilde und hoch invasiv sei. So eine Kolonie könne über Zehntausende, manchmal Hunderttausende reproduktive Weibchen verfügen. Die Erdnester seien über hunderte Meter an verschiedenen Stellen verteilt und miteinander verbunden.
Auf die Frage, ob man die Plage nicht frühzeitig hätte feststellen müssen, antwortet der Ameisenforscher: „Das hätte nur jemandem gelingen können, der sehr aufmerksam ist und Bescheid weiß.“ Der Normalfall sei, dass die Ameisenplage einem erst ins Bewusstsein komme, wenn es bereits zu spät sei. Auch er selbst brauche eine gewisse Analysearbeit, um die Art zu bestimmen.
Mit fast nichts zufrieden
Die „Tapinoma magnum“ könne „aus fast nichts starten“, sagt Bernhard Seifert. Die Ameisen brauchten nur wenige Artgenossen und noch nicht einmal notwendigerweise eine Königin am Beginn, sie seien mit chemischen Waffen effizient ausgestattet, bestens organisiert mit einem gut funktionierenden Alarmsystem und zudem nahrungsökologisch sehr gut aufgestellt. Auch kältere Winter wie in Deutschland mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt können die Ameisen ohne größere Verluste überstehen.
Die Ameisenart, die normalerweise im mediterranen Raum anzutreffen ist, werde über den Pflanzenhandel und -transport in hiesige Breiten gebracht. In den Niederlanden seien alle drei genannten Superkolonie-Arten angekommen und hätten sich gemäß eines umfassenden Monitorings explosionsartig vermehrt. Innerhalb eines Jahres hätten die Ameisen ihre Anzahl verdoppelt.
Zur wirksamen Bekämpfung der Ameisen, die sich vermehrt im deutschen Südwesten heimisch fühlen, müsse noch viel geforscht werden. „Es muss etwas sein, das langsam wirkt. Der Futterfluss muss gewährleistet sein“, sagt Bernhard Seifert, denn es müsse bis zu den Königinnen vordringen. Solange es noch kein wirksames Mittel gegen die Ameisen gebe, hege er berechtigte Hoffnung, dass sie sich selbst ihrer Lebensgrundlage berauben und sich die Kolonie mangels Ressourcen zerstört oder durch mitgebrachte Feinde (Viren, Bakterien) ausstirbt beziehungsweise durch genetische Verarmung eingeht.
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