Ketsch. Foodsharing – bei der ein oder anderen Person hinterlässt der Begriff vielleicht noch ein Fragezeichen, Ketsch beschert er seit Samstag einen großen, robusten Schrank, reichlich gefüllt mit etlichen Lebensmitteln: Um 14 Uhr an diesem Tag ist es so weit, die offizielle Eröffnung des neuen Fairteiler-Schrankes neben dem Hauptportal der katholischen Kirche. Freudestrahlende Gesichter der ehrenamtlich Engagierten, allen voran der Initiatorin Angela Lück, begrüßen bei sonnigem Sektempfang die zur Einweihung Erschienenen. Selbst der alkoholfreie Sekt ist ein gerettetes Lebensmittel, es solle jeder etwas davon haben, verkündet die Foodsaverin lachend.
Ab sofort ist der Fairteiler-Schrank, bestehend aus zwei Seitenfächern mit jeweils fünf Regalen, Tag und Nacht geöffnet und steht jedem zur Verfügung, der sich daran bedienen möchte. An diesem Tag hatten die Foodsaver bereits vier Abholungen. Das Ergebnis präsentiert sich im komplett gefüllten Schrank, aus dem ein fruchtig-appetitlicher Duft strömt: Unzählige Obstsorten, frische Backwaren, Salate, Paprika, Rettiche, Bohnen finden sich in den Regalfächern. Und es wird sich bereits freudig bedient. „Eben kam eine Dame und hat den Schrank mit frischen Pfirsichen aus ihrem Garten bestückt“, erzählt Lück.
Die 36-jährige Ketscherin ist seit 2017 Foodsaverin und mittlerweile als Botschafterin die Betriebsverantwortliche für Schwetzingen und Hockenheim. „Jeder kann einfach Lebensmittel bringen und sich aus dem Schrank nehmen.“ Man muss sich nirgendwo registrieren. Wer sich auf www.foodsharing.de dennoch registrieren möchte, erhält eine Mitteilung, sobald der Schrank neu befüllt wurde und ein Foto mit dem vorhandenen Angebot. „Eine Garantie ist das natürlich nicht, wir können nichts reservieren“, meint Lück.
Bürgermeister begeistert
Auch Bürgermeister Timo Wangler ist von der Initiative der Lebensmittelretter begeistert: „Ehrenamtliches Engagement ist das Wichtigste. Das haben wir alle, die Vereine, die Läden, jeder Einzelne in der Pandemie gemerkt.“ Nicht minder legt er sein Augenmerk auf die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. „Läden oder Geschäfte, die die Tafeln beliefern, sind beim Foodsharing außen vor. Mit fast allen der Lebensmittel, die hier gerettet wurden, könnten die Tafeln nicht beliefert werden.“ Die Tafeln sollen weder verdrängt werden noch stehen sie in Konkurrenz. Vielmehr werden zweierlei unterschiedliche Nachhaltigkeitskonzepte verfolgt und unterstützt.
Angela Lück kam erst Anfang der Woche mit ihrem Vorhaben auf Wangler zu und berichtete über das Konzept des Fairteiler-Schranks. „Wenn sich niemand beteiligt, passiert eben auch nichts. Umso mehr freue ich mich über das Engagement von Angela Lück“, lobt er. Auch Diana Jung, Mutter von Lea Jung und deren Tante Ina Kühnle, haben sich dem Foodsharing verschrieben. „Lea bringt regelmäßig gerettete Lebensmittel in den Hof, dann werden alle aus der Umgebung zusammengetrommelt. Alle sind begeistert und es wird wirklich viel mitgenommen“, berichtet die Hockenheimerin, Ina Kühnle.
Dass hinter der ganzen Initiative sehr viel private Freizeit, Engagement und Herzblut stecken, zeigt sich auch an der detaillierten Planung. Denn mit der Befüllung des Schrankes alleine ist es lange nicht getan. Alle zwei Tage wird der Schrank anhand eines ausgearbeiteten Reinigungsplans gründlich von den Freiwilligen gereinigt. Die 24-jährige Lea Jung ist seit 2021 dabei. „Die Freude daran, Lebensmittel vor der Tonne zu retten und diese weiterzugeben, ist unbeschreiblich. Es ist mir einfach sehr wichtig“, leuchten ihre Augen überzeugend.
Fünf- bis sechsmal pro Woche fährt die Chemietechnikerin deshalb nach Feierabend zu den Läden, um Lebensmittel zu retten. „Wir bekommen sehr viel Unterstützung von der katholischen Kirche hier in Ketsch und von ehrenamtlichen Helfern“, äußert Lück ihren Dank und erklärt: „Einzig um den Schrank bauen zu können, bekamen wir Spenden. Zudem durfte mein Mann die Werkstatt seines Arbeitgebers nutzen, um den massiven Schrank zu bauen. Foodsharing läuft ohne Geldspenden und basiert auf rein freiwilliger und ehrenamtlicher Basis.“ Und das regionale Interesse wächst zunehmend.
Anfragen aus umliegenden Orten
„Wir bekommen inzwischen Anfragen aus Oftersheim und Reilingen“, verrät Botschafterin Christine Schiffmann. Auch ein Standort in Brühl ist im Fokus der Botschafterinnen. Dass der Fairteiler-Schrank zugänglich im öffentlichen Raum steht und somit auf eine pflegliche und sorgsame Behandlung aller Nutzer angewiesen ist, ist den Foodsavern bewusst.
Günther Leder, ebenfalls Botschafter, deutet auf die Lebensmittel: „Es geht hier absolut nicht um Bedürftigkeit. Es geht ausschließlich darum, Lebensmittel zu retten. Das Prinzip lebt davon, dass es wirklich jeder nutzt und es dem Verzehr dient und die Lebensmittel nicht in der Tonne landen“, betont er. Für ihn ist mit der feierlichen Eröffnung der Tag noch nicht zu Ende. „Ich fahre heute Abend noch zu einem Geschäft. Es gibt noch ein paar Lebensmittel zu retten“, sagt er.
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