Ketsch/Brühl. Während der Corona-Pandemie galt in Restaurants ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent auf alles – außer Getränke. Das änderte sich jedoch mit Anfang des Jahres. Auf Speisen in Gasthäusern müssen seitdem wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gezahlt werden. Darauf hat sich die Regierungskoalition verständigt.
Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt und bei der Lieferung werden grundsätzlich mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Danach wurde die Regelung wegen der Energiekrise noch mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Nun gilt wieder der alte Steuersatz und in der Gastronomie herrscht deshalb vielfach großer Frust.
Wir haben auch bei mehreren gastronomischen Betrieben in Ketsch und Brühl nachgefragt, was die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer für sie bedeutet, wie sie darauf reagieren werden und ob es noch andere Probleme für Restaurants gibt. Die meisten Anfragen blieben allerdings unbeantwortet.
Geringer Stundenlohn
Umgehend reagiert hat Peter Röger Wirt der Ketscher Gaststätte „Hundehidd“, die er gemeinsam mit Mandy Benz im Oktober nach Umbau mit deutlich ausgeweitetem Angebot neu eröffnet hat (wir berichteten).
„Die Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen wird bei einigen Gastwirten der Todesstoß sein. Gaststätten kommen gerade so über die Runden mit den hohen Löhnen, die jetzt auch wieder steigen. Die Energiewirtschaft in unserem Land ist eine Katastrophe, zu der Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie den hohen Energiekosten kommen dann noch die Mautgebühren, die ebenfalls umgelegt werden müssen“, schreibt Röger.
In seiner Stellungnahme geht er auch auf den Stundenlohn eines Gastwirts ein: „Dieser liegt inzwischen bei aller Arbeit vielleicht bei drei Euro pro Stunde, da ist es rentabler für viele, Bürgergeld zu beziehen. Kunden werden ausbleiben, weil sie sich das Essengehen schlichtweg nicht mehr leisten können“, schimpft Röger auf die Politik: „Alles in allem werden wir regiert von Lügnern und Analphabeten, die für alle Länder mehr übrig haben als für die eigene Bevölkerung. Bei einer Rekordsumme der Steuereinnahmen in Höhe von über einer Billion Euro sollte es möglich sein, das eigene Volk zu versorgen.“
Weiter wie bisher
Natürlich sei es ein weiteres Thema, dass Gastronomen beschäftigen müsse, sagt Kostas Christodoulou von „The Woods“ bei den Ketscher Naturfreunden. Er wolle jetzt erst einmal die weiteren Entwicklungen abwarten – vielleicht müsse er in näherer Zukunft die Preise der Mehrwertsteuererhöhung anpassen, vielleicht nicht.
„Aber letztlich geht es doch immer weiter wie bisher“, zeigt er sich zuversichtlich. Doch das hänge natürlich auch davon ab, wie die Gäste bereit seien, das mitzutragen. „Aber letztlich geht es doch um einen, maximal zwei Euro pro Gericht – das dürfte doch nicht derart gravierend sein“, meint der Gastwirt, der sein Lokal vor knapp zwei Jahren eröffnet hat.
Personalmangel als Problem
Klaus Piechotta vom „Bootshaus“ in Ketsch hat sich über die Folgen der Wiedereinführung des alten Mehrwertsteuersatzes „keine Gedanken gemacht, da wir schon länger beschlossen haben, unsere Arbeitsstätte Ende Januar aufzugeben“. Zum 1. Februar geht er in Ruhestand, heißt es auf der „Bootshaus“-Homepage in einer Nachricht an „die lieben Gäste und Freunde“.
Nicht nur die Mehrwertsteuer sei ein Problem für die Gastronomie, meint Piechotta gegenüber unserer Zeitung, sondern auch der drängende Personalmangel, der nach seiner Meinung als Grund auch „das zu viel ausgezahlte sogenannte Bürgergeld“ habe.
„Keine Katastrophe“
Flavio Assenza vom „Ristorante Peperoncino“ in Brühl erklärt im gespräch mit unserer Zeitung, er sehe die Wiedereinführung der 19-prozentigen Mehrwertsteuer eher gelassen. „Es hat doch schon immer mit diesem Steuersatz funktioniert“, betont der erfahrene Gastwirt, der seit Jahren im Geschäft ist. Er habe die Sieben-Prozent-Regelung als Bonus in einer schweren Zeit angesehen, die auch gut geholfen habe.
„Aber jetzt hat sich die Situation wieder normalisiert“, urteilt er und macht eine kleine Rechnung auf: „Mehr Umsatzsteuer bei weniger Einkommenssteuer.“ Unter dem Strich sei das wirtschaftlich keine Katastrophe. Deshalb will er die Preise in seinem Lokal auch nicht in dem Umfang erhöhen, wie es allgemein in der Gastronomie vorgerechnet werde. „Wenn da der Bogen überspannt wird, kommen immer weniger Gäste und dann rechnet es sich am Ende nicht, mehr zu verlangen, und das Minus wird größer“, meint Assenza.
Mehrkosten aufteilen
Georgios Dichris hat erst vor wenigen Monaten mit seiner Familie die Brühler „Ratsstube“ übernommen, doch zuvor hatte er sein griechisches Speiselokal in Rohrhof. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie habe man die Preise für die Speisen etwas anheben müssen. „Aber wir geben das nicht eins zu eins an die Gäste weiter, sondern tragen als Wirtsleute auch unseren Teil bei, um die Erhöhung moderat zu halten“, sagt Dichris, „wir teilen uns die zwölf Prozent also ganz fair mit unseren Gästen“.
Für ihn sei es nicht infrage gekommen, alles auf die Gäste abzuwälzen. Offensichtlich habe das auch die Kundschaft erkannt und bleibe der Wirtsfamilie treu.
„Es geht an unseren Geldbeutel“
„Wenn argumentiert wird, dass es doch nur zur Ausgangssituation bei der Mehrwertsteuer zurückgeht, dann werden Preissteigerungen beim Einkauf, die höheren Energiepreise und die Inflation vergessen“, stellt Jürgen Kracht vom TV-Clubhaus in Brühl seine Sicht dar. Gerade im Bereich der Speiselokale wie bei ihm seien zwölf Prozentpunkte mehr schon ziemlich happig.
Diese Mehrkosten könne man auch nicht einfach an die Gäste weitergeben, „es geht also an den Geldbeutel der Gastronomen“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung, „wie immer müssen die Bürger ausbaden, wenn in der Politik solche Entscheidungen gefällt werden“. Für sein Clubhaus sei die Veränderung zwar wohl nicht hoch existenzgefährdend, „aber es werden sicher eine Wirte die Türe abschließen – und ich denke, dass die Steuermehreinnahmen durch die Anhebung von den durch die Schließungen bedingten Ausfällen aufgehoben werden“. Eine gewisse Gelassenheit zeigt Kracht, weil er perspektivisch „in drei, vier Jahren“ in Ruhestand gehen möchte – „das werden wir trotz Einbußen bestimmt überbrückt bekommen“.
„Rückgängig machen“
„Die aktuelle Situation und die damit verbundene, steigende Kostenentwicklung innerhalb kürzester Zeit im Einkauf und Betrieb zwingt uns leider dazu, die Preise unserer Gerichte vorübergehend anzupassen“, heißt es beim Ketscher „Zum Alten Fitz“.
Kostensteigerung beim Einkauf von beispielsweise bis zu 40 Prozent bei Fleisch uns 100 Prozent bei Speiseölen machten eine pauschale Preisanpassung von 1 Euro bei Salaten, Nudelgerichten, Vorspeisen und Kindergerichten und 1,90 Euro bei Fleischgerichten notwendig, damit der laufende Betrieb aufrechterhalten werden kann und sich die Gäste „wie bisher auf die guten Qualität unserer Gerichte verlassen können“, heißt es auf der Homepage des „Alten Fritz“.
„Zudem versichern wir, die Preissteigerung unverzüglich rückgängig zu machen, sobald die Regulierung der Einkaufspreise für die Gastronomie feststeht und der Wahnsinn ein Ende hat“, verspricht Wirt Uwe Ries seinen Gästen und bittet um deren Verständnis.
„Einheitlich regeln“
Joachim Albrecht vom „Goldenen Lamm“ in Ketsch habe, wie er sagt, die zwölfprozentige Steuererhöhung an die Gäste seines Restaurant weitergeben müssen. Bisher habe sich das noch nicht auf die Anzahl der Gäste ausgewirkt, hat er beobachtet, allerdings würden sie sich schon genauer überlegen, ob sie sich noch ein Getränk leisten wollen oder nicht. „Der Umsatz beim einzelnen Gast nimmt also vielfach ab“, urteilt Albrecht.
Er spricht sich gegen die aktuelle Steuerregelung aus, insbesondere die Unterscheidung zwischen Verkauf außer Haus mit sieben Prozent Mehrwertsteuer und in Gaststätten – beim gleichen Produkt sind da 19 Prozent fällig – hält er für nicht nachvollziehbar. „Das sorgt nur für Chaos und sollte unbedingt einheitlich geregelt werden“, fordert der Ketscher Gastronom.
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