Naturschutz

Konflikt um Ketscher Rheininsel: Umweltverein Sonnenernte kritisiert Forst BW

Auf der Ketscher Rheininsel tobt weiter ein Streit: Naturschützer bemängeln die Wirtschaftsweise von Forst BW. Der Verein Sonnenernte und sein Vorsitzender Günther Martin fordern eine naturschutzgerechte Bewirtschaftung.

Von 
Henrik Feth
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Die neue Brücke zur Rheininsel war aus der Sicht vom Sonnenernte-Vorsitzenden Günther Martin der "Todesstoß für das Schutzgebiet". © Martin

Ketsch. Der Unmut bei vielen Naturschützern der Enderlegemeinde über die Waldwirtschaft von Forst BW auf der Ketscher Rheininsel ist ungebrochen. Nun meldet sich auch Günther Martin, Vorsitzender des Umweltvereins Sonnenernte zu Wort. Martin ist zunächst um Aufklärung bemüht: „Es ist wichtig, mitzuteilen, was der Rheinwald für ein besonderes Schutzgebiet ist und wie die Vorgaben sind. Diese sind die Grundlage für die Kritik am Vorgehen von Forst BW. Vor allem das Wissen über das Schutzgebiet ist hierbei essenziell und eventuell auch bei vielen nicht komplett vorhanden.“

Ein Naturschutzgebiet wie die Ketscher Rheininsel, ist ein rechtlich geschütztes Gebiet, das zum Erhalt der natürlichen Lebensräume, der Artenvielfalt und der ökologischen Prozesse eingerichtet wurde. Ziel ist es, die Natur vor schädlichen Einflüssen zu bewahren und seltene oder bedrohte Pflanzen- und Tierarten zu schützen.

Naturschutzgebiet Ketscher Rheininsel: Kritik an Forst BW

„Mit der Unter-Schutz-Stellung ist der Auftrag an die Behörden und Bürger verbunden, den Istzustand zu erhalten und die Lebensbedingungen der Tiere und Pflanzen nicht zu verschlechtern. Der Charakter des Gebiets darf nicht nachhaltig verändert werden. Die Zerstörung des Schutzgebiets sowie der Tier- und Pflanzenwelt ist zuerst einmal verboten“, sagt Martin.

Die Rheininsel sei, wie Martin beschreibt, zudem ein sogenanntes Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet), ist Teil der „Rheinniederungen von Philippsburg bis Mannheim“ und gehört zum europäischen Natura-2000-Netzwerk. Für solche Fälle wurden die FFH-Richtlinien im Jahr 1992 von der Europäischen Union festgelegt und werden laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg in Deutschland erst seit 2004 umgesetzt.

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„Bundesländer wie Baden-Württemberg haben sogar erst 2018 ihre endgültigen Schutzverordnungen für FFH-Gebiete verabschiedet. Das bedeutet, dass zwar bereits seit 1992 ein rechtlicher Rahmen existierte, aber die praktische Umsetzung – wie etwa die Festlegung und Sicherung der FFH-Gebiete – schrittweise erfolgte“, kritisiert Martin den fast 30-jährigen Zeitraum zwischen EU-Verabschiedung und Umsetzung im Land.

Ketscher Rheininsel: Herausforderungen bei der Umsetzung von Schutzverordnungen

Für den Sonnenernte-Vorsitzenden ist die Umsetzung der zuständigen Institutionen ungenügend: „Der Forst und auch die Naturschutzbehörden tun sich schwer mit der Umsetzung: Für Forst BW sind es Einschränkungen und für die Naturschutzbehörden Arbeit. Von der Naturschutzbehörde, hier zuständig das Regierungspräsidium Karlsruhe, hört man als Entschuldigung immer wieder, dass dafür kein Personal vorhanden ist.“

Mit Verweis auf die Verordnung von 1983, mit der die Rheininsel zum Naturschutzgebiet ernannt wurde, hebt Martin den darin beschriebenen dritten Paragrafen hervor: „Schutzzweck ist die Erhaltung einer naturnahen Rheinauenlandschaft mit typischer Vegetationsabfolge als Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten sowie Lebensgemeinschaften. Der hohe Natürlichkeitsgrad der Ketscher Rheininsel als ehemaliger Mäanderbogen mit Gleit- und Prallufer sowie die periodischen Überflutungen durch Rheinhochwasser ermöglichen Weich- und Hartholzauen sowie Ulmen-Hainbuchen-Wälder in naturnahem Zustand, die im Wechsel mit Streuwiesen einer arten- und individuenreichen Tierwelt, insbesondere Vögeln und Schmetterlingen, Lebensraum bieten.“

Forstwirtschaft vs. Naturschutz: Ein Konflikt auf der Ketscher Rheininsel

Verboten sind in der Verordnung unter anderem „Pflanzen oder Pflanzenteile einzubringen, zu entnehmen oder zu zerstören“. Der Vorsitzende des Vereins Sonnenernte führt weiter aus: „Der Forst behauptet, dass er eine ordnungsgemäße Forstwirtschaft betreibt und damit alles darf. Er baut nach Angaben des damaligen Leiters des Forstamtes den Rheinwald um, von einem Hochwald zu einem Hochleistungswald. Das sei auch notwendig, denn die Forstwirtschaft müsse, wie der Begriff Forstwirtschaft schon sagt, wirtschaftlich sein.“

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Nun müsse die Frage gestellt werden, ob dies auch so in einem Naturschutzgebiet gelte. „Hat da der Schutzzweck nicht Vorrang vor dem wirtschaftlichen Nutzen? Zur Verordnung des Regierungspräsidiums gehört auch ein Pflege- und Entwicklungsplan, der umgesetzt werden muss. Der Forst sagt, das wäre nur eine Absichtserklärung und muss im Rheinwald nicht beachtet werden“, erläutert Martin seine Kritik an Forst BW.

Eben jener Pflege- und Entwicklungsplan für die Ketscher Rheininsel sei jedoch niemals umgesetzt worden, so Martin. „Es wurde vieles nicht getan, was in diesem Pflegeplan als wichtiger Schutz vorgesehen ist und damit wurde der Lebensraum zerstört.“ Statt wie vorgegeben zehn Prozent zu einem „Bannwald“ zu machen, wurde, so Martin, „hier mehrfach ,durchforstet‘ und damit die Flächen in der im Plan beschriebenen Funktion zerstört.“

Neue Brücke zur Ketscher Rheininsel als „Todesstoß“ für Schutzgebiet

Der Sonnenernte-Vorsitzende stellt klar: „Der Forst handelt ohne die Einschränkungen des Naturschutzes.“ Explizit zu dem aktuell kritisierten „Kahlschlag“ auf der Rheininsel, lässt Martin zudem wissen: „Der Rheinwald war einst ein Hochwald und bestand aus sehr vielen sehr alten Eichen. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde der extrem hohe Wert dieser Bäume entdeckt, für den Abtransport wurde die neue Brücke gebaut und bei deren Einweihung wurde davon gesprochen, diese Eichen nach und nach - noch bis heute - abzuernten. Und momentan gibt es auf der Rheininsel nicht mal mehr zehn Prozent des damaligen Bestandes.“

„Dieser wurde ,wirtschaftlich verwertet‘ und konnte dank der neuen Brücke abgefahren werden. Daher war die neue Brücke der Todesstoß des Naturschutzgebiets“, so Martins klare Schlussfolgerung. Den Ersatzpflanzungen von Forst BW mit der Begründung „Wir müssen heute Eichen setzen, damit die, die in 200 Jahren leben, Eichen haben, die 200 Jahre alt sind“, wirft Martin entgegen: „Lasst sie stehen, dann gibt es in 200 Jahren eben 400 Jahre alte Bäume, jeder Baum hat seine eigene Umwelt um sich herum geschaffen. Jeder Eingriff zerstört nicht nur den Baum, sondern auch viele Tiere und Pflanzen, die sich im Schatten der großen Bäume befinden und damit die Besonderheit in diesem Naturschutzgebiet erst geschaffen haben. Wer diese großen Bäume fällt, zerstört das, was unter Schutz gestellt ist.“

Neupflanzungen und ihre Risiken für das Schutzgebiet Ketscher Rheininsel

Das Neupflanzen der Eichen sei das Einbringen von Pflanzen und Tieren in das Naturschutzgebiet. „Damit werden neue Gene, neue Tiere, Bakterien und vieles mehr eingebracht. Genau das ist aber laut Verordnung verboten. Die Pflanzen werden häufig in Baumschulen in Osteuropa zu günstigen Konditionen aufgezogen und auch mit Insektiziden behandelt.“ Forst BW verweist darauf, dass nur zertifizierte Pflanzen verwendet werden, doch der Sonnenernte-Vorstizende stellt die Frage: „Kann man so eindeutig ausschließen, dass nichts durch diese Pflanzen in das Naturschutzgebiet getragen wird.“

Aus Martins Sicht müsste die Baumschule, wie früher, im Schutzgebiet stehen: „Bäume wurden in Wald entnommen und in dieser Baumschule aufgezogen. Wenn sie eine entsprechende Größe hatten, wurde sie wieder in den Wald gepflanzt. Damit war gesichert, dass keine fremden Tiere und Pflanzen in dieses Schutzgebiet eingebracht wurden.“

Martin und der Verein Sonnenernte erwarten von Forst BW eine naturschutzgerechte Art der Bewirtschaftung nach Pflege- und Entwicklungsplan für die Ketscher Rheininsel, denn so der Vorsitzende abschließend „mit der aktuellen Vorgehensweise vom Forst gibt es auf der Rheininsel keinen naturnahen Wald mehr, sondern eine Waldplantage, die auf Profit ausgelegt ist“.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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