Jubiläum - Weggefährten und Vereinsmitglieder feiern 60 Jahre Central / Vorbild für andere Häuser

Kultureller Anlaufpunkt

Von 
Benjamin Jungbluth
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Das SWR4-Duo Doris Steinbeißer und Eberhard Reuß erzählen die Ketscher Kino-Geschichte im „Kurpälzisch fer Neigeplackte“-Format. © Jungbluth

Ketsch. Über die große Leinwand im Central flimmern Luftaufnahmen von Rom, während im Flugzeug der kleine italienische Junge Dino Morani der deutschen Sekretärin Elisabeth Klinger (Sabine Bethmann) mit südländischem Akzent die architektonischen Besonderheiten seiner Hauptstadt erklärt - kurz darauf erscheint dann auch schon eine weitere italienische Sehenswürdigkeit im knappen Bikini im Bild. Der Schmachtstreifen „Ohne Dich kann ich nicht leben“ mag nie einen Filmpreis gewonnen haben, das „Lexikon des Internationalen Films“ bezeichnet ihn gar als „rundum zweitklassig“ - doch für das Ketscher Lichtspielhaus hat er eine ganz besondere Bedeutung: Am 20. Dezember 1958 war er der erste Film, der im neueröffneten Central zu sehen war. Fast auf den Tag genau 60 Jahre später war es wieder soweit: Zum Auftakt der Jubiläumsfeier von Vereinsmitgliedern, Weggefährten und Gemeindevertretern gab es einen Ausschnitt des Streifens zu sehen.

Zu einem kurzweiligen „Abend unter Freunden“ hatten der Vorsitzende Hannes Piechotta und seine Mitstreiter geladen, bei dem das Thema Kino selbstverständlich im Mittelpunkt stand. „Unser Verein, der erst seit fünf Jahren und aus der Not heraus das Ruder übernommen hat, ist dabei nur ein kleiner Teil der Geschichte“, kündigte Piechotta an. Tatsächlich legte sodann das SWR4-Duo Doris Steinbeißer (auch im Vorstand des Central) und Eberhard Reuß im „Kurpälzisch fer Neigeplackte“-Format mit lockeren Anekdoten über die cineastische Tradition los, die in der Enderlegemeinde bereits 1925 mit dem benachbarten „Welt-Kino-Theater“ begonnen hatte.

Mit historischen Anzeigen und Bildern aus dem Archiv unserer Zeitung sowie Ausschnitten aus prägenden Filmen aller Kinoepochen spannten die beiden Moderatoren den Bogen bis in die Neuzeit, in der rund 50 Ehrenamtliche den Betrieb mit ungewöhnlich großem Erfolg aufrechterhalten.

„Ein Alleinstellungsmerkmal“ sei es, dass dieses von Bürgern selbst betriebene Haus derart angenommen werde, betonte Bürgermeister Jürgen Kappenstein in seiner Begrüßungsrede, nachdem ihm zuvor von Piechotta für sein großes Engagement bei der Vereinsgründung ausdrücklich gedankt worden war. Reiner Hoff, als Vertreter des Landesverbands der Kommunalen Kinos eigens aus Freiburg angereist, bestätigte die besondere Leistung der Ehrenamtlichen. „Ketsch hat inzwischen schon mehreren ähnlichen Projekten in Baden-Württemberg als erfolgreiches Beispiel gedient, bei denen sich andere viel abschauen konnten“, sagte Hoff.

Doch auch in der Enderlegemeinde hatte man sich vor rund fünf Jahren der Expertise anderer bedient: Insbesondere das Olympia-Kino in Hirschberg-Leutershausen diente 2013 als Vorbild. Bis heute bestehen enge Kontakte zu den dortigen Ehrenamtlichen. Und so waren Wiebke Dau-Schmidt und Jürgen Glökler als Ehrengäste bei der Jubiläumsfeier vertreten. „Unseren Verein gibt es schon seit 1997, wobei wir anfangs nur den kommerziellen Betreiber unterstützt haben. 2007 haben wir dann die Geschäfte komplett selbst übernommen“, erklärte Dau-Schmidt.

Im Gegensatz zum Central gibt es in dem kleinen Kino an der Bergstraße bezahlte Mitarbeiter, und auch die Programmausrichtung orientiert sich eher am Künstlerischen. Für die Ketscher gab es dennoch viel Nützliches zu lernen - „und bis heute haben wir einen engen Austausch, der für uns Ehrenamtliche so wichtig ist“, so Glökler.

Von dem großen Engagement der Bürgerschaft konnte ebenso Norbert Mutterer berichten, ehemaliger Vorsitzende der IG Vereine und heute regelmäßig hinter der Theke des Central aktiv. „Wir haben 2013 alle zusammengestanden und etwas für die Gemeinde sehr Wichtiges geschaffen: einen kulturellen Anlaufpunkt. Der Kino-Verein ist dabei einer der jüngsten in der Gemeinde - und einer der erfolgreichsten“, so Mutterer.

Und so konnten die unterschiedlichsten Weggefährten des Central, darunter auch der langjährige Betreiber Alfred Speiser, einen überaus gelungenen Abend in „ihrem“ Lichtspielhaus verbringen. Dabei unterhielten Aart Gisolf (Saxophon) und Dimitrij Koscheew (Piano) von der Jazzinitiative Schwetzingen das Publikum mit passenden Klassikern der Filmmusik. Stimmungsvoller können Cineasten einen 60. Geburtstag wohl kaum feiern.

Ketsch

Ketsch: Jubiläumsfeier zu 60 Jahren Central Kino

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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