Gewerbegebiet Süd - Mit Aldi und 21sportsgroup bald zwei große Flächen frei / Bürgermeister und Land sehen keinen Grund zur Sorge / Brache wird doch verkauft

Trotz Rückschlags keine Alarmstimmung in Ketsch

Von 
Benjamin Jungbluth
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Ketsch. Was wird aus dem Ketscher Gewerbegebiet Süd? Mit zahlreichen großen und kleinen Betrieben bildet es nicht nur die wirtschaftliche Herzkammer der Enderlegemeinde, sondern bietet auch die letzte freie Gewerbefläche im gesamten Ortsgebiet. Die Ankündigung von Aldi Süd, seine Regionalgesellschaft bis Mitte 2022 aufzugeben, ist deshalb ein herber Nackenschlag für den Standort – wenn auch nur der jüngste. Denn bereits die Pleitegeschichte um den Sportartikelhändler 21sportsgroup hat für große leerstehende Gewerbeflächen gesorgt. Und einige Jahre zuvor führte die Einstellung der Produktion bei BorgWarner zum Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen. Zeigt sich also ein Abwärtstrend, bei dem sich die großen Firmen langsam aus Ketsch verabschieden?

Bürgermeister Jürgen Kappenstein widerspricht diesem Bild energisch. „Die jüngsten Entwicklungen sind natürlich sehr unerfreulich für unsere Gemeinde und vor allem eine große Belastung für die betroffenen Mitarbeiter, aber sie sind kein Alarmzeichen. Es gibt weiterhin viele kleinere und mittlere örtliche Unternehmen, die gut aufgestellt sind und einen Großteil des Gewerbegebiets Süd ausmachen“, sagt Kappenstein. Gerne würde sich der Bürgermeister beim Thema Ansiedelung von Großbetrieben mehr einmischen, doch ihm seien die Hände gebunden. „Wir sind jederzeit für Gespräche offen und unterstützen jede Form von Gewerbeansiedelung, aber wir können als Gemeinde keine aktive Wirtschaftspolitik betreiben. Außer mit der Schaffung von Infrastruktur und damit ist Ketsch und insbesondere das Gewerbegebiet im Süden bereits gut aufgestellt“, sagt Jürgen Kappenstein.

Die Pläne bleiben vage

In die konkreten Pläne der großen Firmen wird die Kommunalpolitik also kaum eingebunden – und auch die Öffentlichkeit erfährt Details oft nur in gezielter Dosierung. Aldi Süd vermeldete seine Umzugspläne zwar öffentlich, nachdem die betroffenen Mitarbeiter informiert worden waren, bleibt ansonsten aber vage. So wurden aus den zunächst 180 bestätigten Stellen, die am Ende in Ketsch wegfallen sollen, erst durch Informationen des Betriebsrates 275 betroffene Mitarbeiter, weil es viele Teilzeitstellen gibt.

Zu seinen Plänen mit den freiwerdenden Büros und Logistikhallen gibt Aldi Süd keine Auskunft. Der Zeitpunkt sei noch zu früh für Bekanntmachungen, heißt es gegenüber unserer Zeitung. Auf die Nachfrage, wie groß denn überhaupt die Fläche ist, die von der Umstrukturierung in Ketsch betroffen ist, teilt eine Sprecherin mit: „Dazu möchten wir keine Angaben machen.“

Produkte für die Antriebstechnik

Klar ist lediglich, dass die Kaffeerösterei nicht von den Umzugsplänen betroffen ist. Allerdings gehört diese seit 2017 ohnehin nicht mehr direkt zu Aldi Süd, sondern wird zusammen mit einer weiteren Rösterei in Mühlheim an der Ruhr von der eigens gegründeten Tochtergesellschaft „NewCoffee GmbH & Co. oHG“ betrieben.

Direkt nebenan liegt das Betriebsgelände des US-amerikanischen Autozulieferers BorgWarner. Dieser hatte bereits 2013 seinen Produktionsbetrieb eingestellt und rund 180 Arbeitsplätze in der Enderlegemeinde abgebaut. Geblieben ist ein Entwicklungszentrum mit rund 150 Mitarbeitern. „Wir entwickeln in Ketsch Produkte im Bereich Antriebstechnik für den globalen Markt“, teilt eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Und sie kann beruhigen: „Derzeit planen wir keine Schließungen in Ketsch oder der Rhein-Neckar-Region.“

Völlig unklar ist hingegen die Lage bei dem erst 2018 in Betrieb genommenen, 30 000 Quadratmeter großen Logistikzentrum, das von der 21sportsgroup genutzt wurde. Der Sportartikelhändler hatte große Wachstumsambitionen und wollte das Zentrum sogar noch ausbauen. Hunderte neue Arbeitsplätze sollten hier entstehen, teilte das Unternehmen damals mit. Anfang vergangenen Jahres meldete die 21sportsgroup dann allerdings Insolvenz an, seitdem wirkt das rund 70 000 Quadratmeter große Betriebsgelände verlassen. Zwischenzeitlich nutzte Mercedes-Benz einen Teil des Gebäudes für die Lagerung von Fahrzeugteilen, wie ein Unternehmenssprecher unserer Zeitung bestätigte.

Auch die Gemeinde weiß nicht, was mit dem großen Gelände geplant ist. „Dazu haben wir keine Informationen“, sagt Bürgermeister Jürgen Kappenstein. „Wir wissen lediglich, dass inzwischen ein Investmentfonds der Eigentümer ist und zuletzt wohl ein Unternehmen aus dem Medizinbereich Interesse bekundet hat. Aber wir sind als Gemeinde nicht in die privatwirtschaftlichen Verhandlungen eingebunden.“

Optionsrecht abgelaufen

Klarheit herrscht inzwischen hingegen bei dem angrenzenden Wiesengrundstück, das einst als Erweiterungsoption für das Logistikzentrum geplant war. Dafür war mit dem Eigentümer der Brachflächen, dem Land Baden-Württemberg, extra ein vertragliches Vorkaufsrecht abgeschlossen worden. Mit der Einstellung des Logistikzentrums wurden Stimmen unter örtlichen Betrieben laut, diese letzte freie Gewerbefläche anderweitig zu nutzen (wir berichteten). Jetzt reagiert das Land, wie Uwe Baumann, stellvertretender Leiter des regionalen Amtes für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt. „Wir werden die Fläche definitiv verkaufen, das Optionsrecht für das angrenzende Logistikzentrum ist inzwischen nämlich zeitlich ausgelaufen“, so Baumann.

Ob das mehr als 14 000 Quadratmeter große Areal allerdings in einem Stück oder doch in mehreren kleinen Teilen veräußert werden soll, sei noch nicht entschieden. „Wir schauen erst einmal, welche Anfragen bei uns oder der Gemeinde eingehen. Falls wir die Fläche aufteilen, müsste zunächst eine weitere Stichstraße gebaut werden, um die hinteren Bereiche in Richtung der Felder erreichen zu können“, sagt Uwe Baumann. Eine Ausgleichsfläche für die geschützte Haubenlerche ist das Areal seiner Aussage zufolge nicht: Nur solange es nicht genutzt werde, sei es zum Schutz des Vogels noch entsprechend eingezäunt.

Sorgen um die Vermarktung der letzten Fläche im Gewerbegebiet Süd – und damit der letzten Gewerbefläche in der gesamten Enderlegemeinde – macht sich Uwe Baumann nicht. Dafür sei die Ortslage zu gut. „Die Rhein-Neckar-Region ist weiterhin ein sehr starker Wirtschaftsstandort, weshalb wir trotz der Corona-Krise eine hohe Nachfrage an Gewerbeflächen spüren. Ketsch profitiert außerdem davon, dass die großen Zentren Mannheim und Heidelberg inzwischen sogar auf ihren Konversionsflächen kaum noch Kapazitäten haben. Gleichzeitig ist die Anbindung an die Autobahn über Hockenheim-Talhaus ideal, hinzu kommt die Nähe zu den Rheinüberquerungen. Aus meiner Sicht besteht also kein Grund zur Sorge“, sagt der stellvertretende Leiter des regionalen Amtes für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Uwe Baumann.

Info: Mehr Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

Ketsch

Ketsch: Rückzug von Aldi belastet Gewerbegebiet Süd

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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