Ketsch. Die Freude und der Stolz sind den vier Mitgliedern des Vorstands anzusehen. Seit 60 Jahren gibt es das Central Kino in der Enderlestraße, und dass dieses Jubiläum ab heute mit einer Sonderfilmreihe (wir berichteten) gefeiert werden kann, ist in jüngster Zeit vor allem Hannes Piechotta, Hansdieter Gehres, Christa Brosowski und Doris Steinbeißer zu verdanken. Zusammen mit rund 50 weiteren Ehrenamtlichen betreiben sie seit 2013 das Lichtspielhaus, das damals von seinem letzten kommerziellen Betreiber aufgegeben worden war. „Bürger retten ihr Kino“ – ein ungewöhnliches Konzept, selbst in Zeiten klammer öffentlicher Kassen und häufiger Schließungen für das Gemeinwohl wichtiger Einrichtungen.
In der Enderlegemeinde ist das Konzept geglückt, der Verein hat das Central in den vergangenen fünf Jahren mit einem abwechslungsreichen Programm und viel Liebe zum Detail über die Ortsgrenzen hinaus etabliert. „Unser Erfolgsrezept ist, dass wir ganz viele verschiedene Mitstreiter haben und sich jeder nach seinen Wünschen und Fähigkeiten einbrin-gen kann“, sagt Hannes Piechotta. „Einige von uns kümmern sich um den Verkauf der Eintrittskarten und das Popcorn, andere um die Auswahl der Filme. Wir haben aber auch Mitglieder, die vor allem handwerklich mithelfen und Sessel reparieren oder Lampen austauschen. Diese Vielfalt ist unsere Stärke.“
Nicht nur Hollywood-Blockbuster
Vielfältig ist auch das Programm im Central: Weder zeigen die Ehrenamtlichen nur Hollywood-Blockbuster, noch gibt es ausschließlich hochtrabende Filmkunst zu sehen. „Viele kleine Kinos suchen sich eine Nische und spielen nur eine Richtung, aber wir wollen ein vollständiges Kino für die Ketscher sein. Eines, in dem es eben auch die großen Filme zu sehen gibt, über die alle reden“, erklärt Piechotta das erfolgreiche Konzept.
Rund sechs Wochen nach dem Deutschland-Start sind die Streifen in der Regel in dem gepflegten Saal aus den 1950er Jahren zu sehen, ein Kompromiss an den niedrigen Eintrittspreis von 5 Euro und die bisweilen an Knebelverträge erinnernden Vereinbarungen, die Filmverleiher heutzutage gegenüber den Kinobetreibern durchsetzen.
„Wenn wir einen großen Film mit Bundesstart spielen möchten, müssten wir diesen dann zu vorgegebenen Zeiten und Frequenzen zeigen. Wir wollen unserem Publikum aber Abwechslung bieten und unser Programm an die Wünsche und Nachfrage der Besucher anpassen“, sagt Hansdieter Gehres.
Er ist inzwischen der einzige Vorführer im Central, auch wenn es natürlich eine Notbesetzung gibt. Doch seine Erfahrung und die Verbundenheit zum Kino in der Enderlestraße sind wohl unvergleichlich.
1963 kam er als 15-Jähriger nach Ketsch, wurde erst Stammgast im Central und bald als Vorführer angeheuert. „Es ist einfach schön, dass ich heute noch in diesem Kino Filme zeigen kann und die Besucher das Angebot zu schätzen wissen“, sagt Gehres. Die eigentliche Arbeit hat sich dank der Digitalisierung grundle-gend geändert: Seit der Neueröff-nung vor fünf Jahren werden auch im Central keine 30 Kilogramm schweren, vom Vorführer mühselig zusammengeklebten Filmrollen mehr verwendet. Stattdessen kommen die Werke auf großen Festplatten – der Job bedeutet heute größtenteils Computerarbeit.
Alle Einnahmen für den Betrieb
„Diese neue Technik hat für uns als kleiner Betrieb erhebliche Vorteile: Wir können auf vieles über unser Smartphone von zu Hause zugreifen, die meisten Abläufe sind weit weniger aufwändig als früher. Das entlastet uns“, sagt Doris Steinbeißer. Nur so sei dieses Ehrenamt zu schaffen – viele haben schließlich noch ihren regulären Job. „Eine Aufwandsentschädigung bekommt niemand von uns, sämtliche Einnahmen stecken wir in den laufenden Betrieb“, erklärt Christa Brosowski, die für die Finanzen zuständig ist.
Und so ist es vor allem der Spaß an ihrem ungewöhnlichen Engage-ment, der die vier Vorstandsmit-glieder und ihre vielen Mitstreiter antreibt. „Wenn sich Zuschauer nach dem Film bei uns bedanken und mit einem schönen Kinoerlebnis nach Hause gehen, dann wissen wir, dass wir unser Ziel erreicht haben“, sagt Hannes Piechotta.
Mit diesem Antrieb soll es erfolgreich weitergehen. Der Umsatz im Central liegt laut Vorstand über dem Bundesdurchschnitt, die Zuschauerzahlen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Auch das Kleinkunstprogramm, das auf der für historische Filmtheater typischen schmalen Bühne vor der Leinwand dargeboten werden kann, hat sich etabliert.
Mit der komplett erneuerten Bestuhlung und dem 2017 um zehn Jahre verlängerten Mietvertrag können die Filmliebhaber das Jubiläum voller Vorfreude auf die Zukunft feiern. „Für unsere Besucher bieten wir eine Woche lang Filmklassiker aus sechs Jahrzehnten an, so dass sich jeder etwas Passendes heraussuchen kann“, sagt Hannes Piechotta, der auch eine kleine Festschrift zum Central zusammengestellt hat. „Unser Haus ist lebendige Geschichte, das wollen wir unseren Besuchern bei jedem Besuch zeigen.“
Info: Mehr Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
Historische Fotos gesucht
Der Verein hat für seine Jubiläums-Festschrift einige historische Bilder sowie Artikel aus der Schwetzinger Zeitung zusammentragen können. „Es gibt aber leider nur wenige Aufnahmen, die das alte Kino von außen oder innen zeigen“, erklärt Hannes Piechotta.
Der Verein bittet alle Ketscher, historische Aufnahmen vom Central oder auch von den „Weltlichtspielen“ – dem zweiten Kino in der Enderlegemeinde (siehe Chronik auf dieser Seite) – einzusenden. Die Ehrenamtlichen würden gerne eine kleine Sammlung anlegen und die Fotos bei Gelegenheit öffentlich zeigen.
Wer Fotos – oder Nachfragen – hat, kann sich per E-Mail an info@central-ketsch.de melden. beju
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch_artikel,-ketsch-vorhang-auf-fuers-ganz-grosse-kino-_arid,1368608.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch.html