Klimawandel in der Region

Wandel des Waldes auf der Ketscher Rheininsel ist unaufhaltsam

Für Revierförster Andreas Kolb ist die Zeit des Schönredens und Hinauszögerns vorbei – Kiefern sind tot oder liegen im Sterben, auch den Eschen geht es nicht gut.

Von 
Stefan Kern
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Der Wald auf der Rheininsel hat mitunter Urwaldcharakter - der Weg der Rohrhofer Allee verschwindet unter rechts im Bild. BIld: Kern © Kern

Ketsch. Der Sommer war hart für den Förster Andreas Kolb. Schon länger sieht er die Veränderungen im Wald und so hielt 2022 für ihn auch keine besonderen Überraschungen bereit. Doch zu sehen, wie mächtig und vor allem schnell sich dieser Wandel in Szene setzt, verdüstere den Blick nach vorn. Das Schlimmste: Wer auch nur einigermaßen die Berichte des UN-Weltklimarates (IPCCI) kenne und hier natürlich vor allem die Berichte für Deutschland, sagt Kolb, könne nicht sagen, dass das alles aus dem heiteren Himmel käme.

Vielleicht habe man nicht so genau hingesehen, sich mit kosmetischem Aktionismus beruhigt oder die Warner als Pessimisten deklariert. Ihm selbst sei das noch vor wenigen Jahren bei Exkursionen mit Bürgern ständig passiert. Und insgeheim hat er sich sogar gewünscht, dass sie recht haben. Doch sie hatten und haben nicht recht und das hat das Jahr 2022 einmal mehr sehr eindrücklich vorgeführt: „Der Wald steht vor fundamentalen Veränderungen.“

Keine Hoffnung für Hardtwald

Wie sehr die sich verändernden Bedingungen auf den Wald auswirken, machte Kolb in einem Gespräch mit unserer Zeitung anhand der Ketscher Rheininsel und dem Hardtwald deutlich. Für den letztgenannten sieht Kolb mittelfristig gar keine Zukunft mehr. „Ich habe für den Hardtwald ehrlich gesagt keine Hoffnung mehr.“

Kronenverlichtungen sind allenthalben zu erkennen – das sei zumindest ein klares Zeichen dafür, dass die Bäume unter Stress stehen, sagt Revierleiter Kolb. © Kern

Dabei sei es nicht nur die Dürre, die sich auf dem Sandboden für die Bäume besonders verheerend auswirke. Unter Stress setzt die Bäume auch die zunehmende Kraft der Sonne. Die Bäume litten verstärkt unter Sonnenbrand, ja gerade die Jungbäume würden regelrecht verbrannt. Schon bei Temperaturen über 30 Grad und das über längere Zeit erhöhe sich die Temperatur unter der Rinde auf 45 Grad und mehr. Das hat zur Folge, dass Stammteile absterben und die Rinde beschädigt wird. „Sieht aus wie aufgeplatzt.“ Ein Pilzbefall, sagt Kolb, sei schon fast unausweichlich und damit dann auch der Tod des Baums.

Und da ist zudem noch der Schädlingsbefall, der den Bäumen ebenfalls zusetzt. Im Hardtwald sind es vor allem die Engerlinge, die Larve des Maikäfers. Alle drei Krisen griffen ineinander und eskalierten die Situation. Trockenheit und Hitze schwächen den Baum und Schädlinge erledigten sozusagen den Rest. „Es ist Drei-Fronten-Krieg, den wir nicht gewinnen können.“ Der Hardtwald wird in seinen Augen daher auch in wenigen Jahrzehnten Geschichte sein. Zu finden sei dann noch eine Art Buschlandschaft mit niedrigem Gehölz.

Nicht ganz so düster sehe es für den Wald auf der knapp 500 Hektar umfassenden Rheininsel aus. Zum Vorteil gereicht hier den Bäumen das besser Bodensubstrat, das im Vergleich zum Sandboden deutlich mehr Wasser speichern und führen kann. Aber auch hier sind die Spuren der Hitze und Dürre nicht zu übersehen. Ganz vorne natürlich der ausgetrocknete Boden. „So wenig Wasser auf der Rheininsel wie 2022 gab es meines Wissens noch nie.“

Förster Andreas Kolb ist auch für die Rheininsel zuständig. © Scholl

Wilder Wein leidet

Es gebe Stellen, da sei der Boden aufgerissen, wie man es aus Dürreregionen kenne. Den Kampf bereits verloren haben die großen Kiefern. „Diese großen, alten Bäume sind tot oder liegen im Sterben.“ Nicht gut sieht es außerdem für die Eschen aus. Und auch der Wilde Wein, für den die Ketscher Rheininsel berühmt ist, scheint unter der Hitze und Dürre zu leiden. „Nur wenige tragen Früchte und schon jetzt werfen sie die Blätter ab.“

Es ist noch nicht das große Sterben, aber die Veränderungen sind unübersehbar und sie setzen ihm zu. Besonders schmerzt es Andreas Kolb, dass die Kluft zwischen Wissen und Handlung nicht geschlossen wird. Schon seit vielen Jahren wüsste man recht genau, was auf die Region zukomme. Aber beim Gegenhalten bilanziert er unmissverständlich: „Ziel verfehlt“. Es wurde und wird nicht nur zu wenig gegen den Klimawandel getan, auch bei den Anpassungen sei man nicht auf der Höhe des Problems.

Bei diesem Blick nach oben kann man das Eschentriebsterben erkennen – bei der Baumkrankheit, die durch einen aus Ostasien eingeschleppten Pilz verursacht wird, sind die Kronen wegen der abgestorbenen Triebe und Zweige verlichtet. © Kern

Kein Zweifel am Klimawandel

„Zuallererst müssten wir uns alle endlich ehrlich machen.“ Für den Wald heißt das einzugestehen, dass der Wandel mittlerweile unaufhaltsam ist. „Der Wald wie wir ihn kennen, hat realistischer Weise keine Zukunft.“ Und das müsse den Menschen in aller Deutlichkeit gesagt werden. Die Dinge schönzureden, sei nicht mehr zielführend. Und alle, die am Klimawandel und seinen Folgen zweifeln, lädt Kolb gerne in den Wald ein. „Man muss nur hinsehen, um die Veränderungen zu sehen.“ Nach dem Eingeständnis, dass der Wandel nicht mehr aufzuhalten sei, müssten Rettungsversuche, die am Ende nur das Unausweichliche hinauszögern, gestoppt werden.

Natürlich weiß der 56-jährige Kolb, der seit mittlerweile 32 Jahren Revierförster ist, dass das alles leichter gesagt als getan ist. Die Situation ändert sich schnell und viel Wissen verliert rasend schnell an Wert. Aber der Mensch könne ja auch schnell lernen.

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Feldahorn ein Kandidat

Man wisse zum Beispiel schon lange, dass gerade Buchen mit ihrer dünnen Rinde besonders anfällig für Sonnenbrand seien. Also müsse für Schatten gesorgt werden. Weitere Punkte seien intelligente Wasserversorgungssysteme und auch mehr Baumarten, von denen man wisse, dass sie widerstandsfähiger sind. Ein Kandidat ist in Kolbs Augen der Feldahorn.

Aber am Ende bleibt für Andreas Kolb der Gedanke, dass der Mensch hier wie der Zauberlehrling bei Goethe etwas ins Werk gesetzt hat, was er nicht mehr kontrollieren, geschweige denn stoppen, kann. „Schön ist das nicht.“ Vor allem weil man es schon so lange habe kommen sehen.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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