Umwelt

Warum die Ketscher Blühwiese trist aussieht, aber funktioniert

Die Testfläche in der Wiesenbacher Straße ist aus Sicht der Gemeinde gut angewachsen und wird bald vom unansehnlichen Bauzaun befreit.

Von 
Benjamin Jungbluth
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Ketsch. Zugegeben: Sonderlich blühend oder lebendig sieht die gemeindeeigene Blühwiese in der Wiesenbacher Straße derzeit nicht aus. Zumindest der Laie erkennt in dem kleinen Grünstreifen unterhalb der Starkstromtrasse nicht viel mehr als eine gemähte Grasfläche, aus der einzelne braune Büschel herausragen und die von einem mannshohen Bauzaun umschlossen ist. Ganz vereinzelt sind blütentragende Pflanzen zu sehen, die auch den angrenzenden Gehweg bewachsen – früher hätte man wohl schlicht „Unkraut“ dazu gesagt.

Doch in Zeiten des Insektensterbens und Naturschutzes und vor allem mit den Augen eines Experten gestaltet sich die Situation im Osten der Enderlegemeinde bedeutend anders. „Die Blühwiese macht derzeit genau das, was wir von ihr erwartet haben: Nachdem der erste Bewuchs vor einiger Zeit gemäht worden ist, bietet sie Insekten und anderen kleinen Tieren einen sicheren Rückzugsraum. Sobald der trockene Hochsommer vorbei ist, werden hier auch wieder mehr Pflanzen wachsen, weshalb etwa im September die zweite jährliche Mahd folgen wird“, erklärt Dominique Stang, der Umweltbeauftragte der Gemeinde.

Recht trostlos sieht die Blühwiese in der Wiesenbacher Straße derzeit aus, was auch am hochsommerlichen Wetter liegt. Doch aus Sicht der Gemeinde wächst die naturnahe Fläche gut an und bietet bereits jetzt einen Lebensraum für Insekten. © Benjamin Jungbluth

Stang koordiniert im Rathaus das Projekt, das aus den Reihen des Gemeinderats entstanden ist und als – im wahrsten Sinne des Wortes – Feldversuch für mögliche weitere Blühwiesen in Ketsch dienen soll.

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gvk
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Dem Projekt Zeit geben

Dass manche Einwohner sich über die bislang eher trist anmutende Fläche wundern und in der Folge deren Sinnhaftigkeit infrage stellen, kann Stang zwar verstehen, doch er entkräftet diese Kritik gleichzeitig mit fachlichem Hintergrundwissen. „Wir müssen zunächst abwarten und dem Projekt etwas Zeit geben. Schon bei der Aussaat im vergangenen Oktober haben wir immer wieder betont, dass es rund zwei Jahre dauert, bis ein erstes Fazit gezogen werden kann. So lange kann es dauern, bis alle Pflanzen austreiben und anwachsen – mitunter sogar noch länger“, erklärt der Umweltbeauftragte Stang.

Die von der Gemeinde gewählte Variante einer Blühwiese sei dafür aber besonders kostensparend und langfristig angelegt: Außer dem Säen ganz zu Beginn sowie dem zweimaligen Mähen im Jahr durch einen Landwirt entstünden keinerlei Ausgaben, betont Bauamtsleiter Marc Schneider, der ebenfalls in das Projekt eingebunden ist.

Geringe Gesamtkosten

„Bislang liegen die Gesamtkosten bei etwa 500 Euro, und da kommt eben kaum noch etwas hinzu. Das ist bedeutend weniger als vorher, denn da musste die herkömmliche Rasenfläche im Sommer alle zwei Wochen gemäht werden“, sagt Marc Schneider. „Auf Nachsaaten verzichten wir bewusst. Damit könnten zwar häufiger blühende Pflanzen zu sehen sein, aber das würde nicht nur die Kosten erhöhen, sondern auch der Natur keinen nennenswerten Mehrwert bringen.“

Denn die Wiese biete auch unter den derzeitigen Bedingungen einen viel besseren Lebensraum für Insekten als die vorherige reine Rasenfläche. „Wir werden künftig an einzelnen Stellen altes Gras höher stehen lassen, so wie wir das schon an vielen Stellen im Gemeindegebiet machen. Das wird dann einen noch besseren Schutz bieten, auch falls doch einmal Hunde oder Menschen über die Wiese laufen sollten“, sagt der Umweltbeauftragte Dominique Stang. Deshalb könne der hohe Bauzaun auch schon bald wieder abgebaut werden, den der örtliche Handwerker Helmut Eisenberg gesponsert habe.

Diesen nächsten Arbeitseinsatz an der Blühwiese wollen Moses Ruppert (SPD) und weitere Gemeinderäte bald gemeinsam angehen. Ruppert hatte ursprünglich die Idee zu dem Projekt, das schnell eine Gemeinschaftsaktion aller Fraktionen und Mitglieder des Gremiums wurde. „Wir halten das für einen wichtigen und spannenden Versuch, um künftig noch viel mehr Flächen in Ketsch naturnah gestalten zu können. Dabei wollen wir aber natürlich auch die Bevölkerung mit ins Boot holen und sind jederzeit für Rückmeldungen und Gespräche dankbar“, betont Moses Ruppert.

Bienenhotel ist bereits geplant

Beim Abbau des Bauzauns könne außerdem das Bienen- und Insektenhotel aufgestellt werden, das als Ergänzung der Blühwiese geplant sei, hofft Ruppert. „Das ist dann auch eine gute Gelegenheit, um mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen und etwas über ihre Sicht der Dinge zu erfahren. Falls es Kritik geben sollte, hören wir uns das gerne an – denn am Ende wollen wir eine Lösung, die alle mittragen“, sagt Moses Ruppert.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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