Ketsch. Nicht erst durch die erfolgreiche Rettung des Central Kinos durch den Trägerverein 2013 ist die Enderlegemeinde zu einer kleinen cineastischen Hochburg geworden. Für seine Größe hat Ketsch eine ungewöhnlich lange und nahezu durchgehende Lichtspielhaus-Tradition. Ein Überblick, wie ihn der Verein zusammengetragen hat:
25. Dezember 1925: Emil Knittel – eigentlich Korbmacher und Malermeister – eröffnet das „Welt-Kino-Theater“ im Gebäude unmittelbar neben dem heutigen Central. Es bietet stolze 420 Sitzplätze mit Balkon und großer Leinwand. Unterstützung gibt es vom kulturbegeisterten Pfarrer Gustav Westermann. Zuvor waren Stumm- und Schmalfilme in der alten Kinderschule (Herzogstraße) und in Nebenräumen von Gaststätten gezeigt worden.
1951: Umbenennung in „Weltlichtspiele“. Parallel Bruch mit der Kirche und dem Ketscher Pfarrer Herbert Hoffmann, weil Emil Knittel im Kino den Skandalfilm „Die Sünderin“ (mit Hildegard Knef) zeigt.
20. Dezember 1958: Eröffnung des Central Kinos in einem an die „Weltlichtspiele“ angeschlossenen Neubau mit dem Heimatfilm „Ohne dich kann ich nicht leben“. Beide Kinos werden parallel betrieben und bieten zusammen Platz für 720 Besucher. Der leicht ansteigende Saal des Central mit seinen optimalen Sichtverhältnissen wurde vom Architekten Robert Lautenschläger entworfen, der auch die Apollo-Lichtspiele in Mannheim-Rheinau (1951) und das Luxor in Schwetzingen (1953) verantwortete.
1. Juli 1968: Die „Weltlichtspiele“ schließen, bis 2001 zieht ein Supermarkt in ihre Räume. Die Konkurrenz durch das Fernsehen und der Umbau großer Filmtheater in Kinos mit vielen kleinen Sälen - und somit mehr Vielfalt im Programm - führen zu einem deutschlandweiten Sterben kleinerer Häuser. Balkon und große Treppe der „Weltlichtspiele“ sind bis heute erhalten.
1984: Rosa Knittel geht in Rente, es findet sich kein Nachfolger. Das Central geht fünf Jahre lang in „Betriebsruhe“ – wobei die damalige Volksbank Ketsch einmal im Monat kostenlos einen Film im Central zeigt. Diese Tradition endet erst 1997.
26. Oktober 1989: Der Weinheimer Kinobetreiber Alfred Speiser eröffnet mit „Batman“ das Kino wieder, jetzt unter dem Namen „Neues Central“ - mit neuer Bestuhlung und erstmals Popcornverkauf, damals eine „Modeerscheinung“ aus den USA.
22. Juli 1995: Orkantief Emily zerstört in der Region und der Enderlegemeinde mit starkem Hagel zahlreiche Gebäude. Das Dach des Kinos wird zerschlagen und Starkregen setzt den kompletten Saal unter Wasser. Die notwendige Komplettsanierung ist indes ein Glücksfall: Theaterleiter Oliver Lebert modernisiert das Haus, erhält aber gleichzeitig den Charme der 1950er Jahre.
2002: Die Kinobetreiber-Familie Englert aus Schifferstadt übernimmt das Central, nachdem sie zuvor bereits die Häuser in Schwetzingen (bis heute) und Brühl betrieben hat.
2011: Die Eigentümerfamilie Knittel/Diehm verkauft das gesamte Objekt an den Ketscher Malermeister Peter Gerwig. Das Haus wird grundlegend saniert, größtenteils unabhängig des Kinos.
31.12.2012: Da die Umrüstung auf den neuen Standard der digitalen Projektionstechnik, die 2006 und 2007 einsetzte, zu aufwändig ist, schließt der Betreiber das Central Kino kurzfristig. Eigentümer Peter Gerwig wirbt in der Schwetzinger Zeitung für die Gründung eines Förderkreises.
10. April 2013: Rund 50 Kinofreunde haben sich auf den Artikel in unserer Zeitung gemeldet und gründen im Rathaus unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Jürgen Kappenstein den Verein Central Kino Ketsch. Weil der alte Pächter die Bestuhlung mitgenommen hat, bauen die Ehrenamtlichen mit Unterstützung der Gemeinde die alten Sessel aus dem ehemaligen Brühler „Rheingold-Kino“ aus. Mitte 2018 komplett neu bezogen und aufbereitet, werden die Sessel noch immer verwendet.
11. Juli 2013: Wiedereröffnung des Central mit modernster digitaler Filmtechnik (Auflösung bis 4K/Ultra-HD und 2000-Watt 7.1-Ton). Ab 2014 folgen Live-Events, Konzerte und Kleinkunstveranstaltungen.
20. Dezember 2018: Auf den Tag genau ist das Central Kino 60 Jahre alt, was Vereinsmitglieder und Freunde des Kinos in geschlossener Runde feiern. Für das Publikum läuft von heute an bis Mittwoch, 19. Dezember, eine Sonderreihe mit Filmen aus den vergangenen sechs Jahrzehnten.
Historische Fotos gesucht
Der Verein hat für seine Jubiläums-Festschrift einige historische Bilder sowie Artikel aus der Schwetzinger Zeitung zusammentragen können. „Es gibt aber leider nur wenige Aufnahmen, die das alte Kino von außen oder innen zeigen“, erklärt Hannes Piechotta.
Der Verein bittet alle Ketscher, historische Aufnahmen vom Central oder auch von den „Weltlichtspielen“ – dem zweiten Kino in der Enderlegemeinde (siehe Chronik auf dieser Seite) – einzusenden. Die Ehrenamtlichen würden gerne eine kleine Sammlung anlegen und die Fotos bei Gelegenheit öffentlich zeigen.
Wer Fotos – oder Nachfragen – hat, kann sich per E-Mail an info@central-ketsch.de melden. beju
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