Gemeinderat

Zweifel gibt es nur wegen der Ich-Kultur

Von 
Marco Brückl
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Dieter Mummert arbeitet seit zwei Jahrzehnten im Gemeinderat mit – dabei sei es früher eine ehrenvolle Aufgabe gewesen, während man heute mitunter als Prügelknabe durchgehe. © Brückl

Ketsch. Dieter Mummert (Freie Wählervereinigung) erhielt in der zurückliegenden Gemeinderatssitzung in der Rheinhalle eine Auszeichnung – gewürdigt wurde sein Engagement als Bürgervertreter, das nunmehr 20 Jahre währt. „Natürlich ist das eine lange Zeit, aber sie ging schnell dahin“, sagt der 64-Jährige. Am meisten verändert habe sich das Verständnis der Leute, „früher konnte man diskutieren und man kam auf einen Nenner“. Die heutzutage vorherrschende Ich-Kultur sorge mitunter dafür, dass „Leute ihre Aussagen später wieder vergessen haben“.

Es ist klar, welche Ratsmitglieder Mummert mit „Leute“ meint. Er nennt die Grünen, zuvorderst Günther Martin und Heike Schütz. „Wir haben in Ketsch viel bewegt. Seit die Grünen im Rat sind, hat die Verwaltung mehr mit ihnen zu tun als mit ihren Verwaltungsaufgaben“, sagt Mummert. Die Grünen seien der Grund, warum alles neuerdings sehr lange dauere.

„Schlägt Fass Boden aus“

In den 20 Jahren, die er im Rat mit dabei sei, habe es Ketsch stets geschafft, die nötigen Vorhaben aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Nun seien die Gewerbesteuereinnahmen weniger geworden und die Aufsichtsbehörde habe zuletzt nicht die volle Summe an anvisierten Kreditaufnahmen genehmigt, sondern rund zwei Millionen Euro weniger (wir berichteten). In solch einer Situation hätten die Grünen 20 000 Euro für das Mietradsystem Next-bike, 40 000 für Baumpflanzungen und 5000 Euro für ein Tourismuskonzept in den Haushalt einstellen wollen. „Das schlägt dem Fass den Boden aus. Wie willst du im Rat weiterkommen, wenn es solche Hirngespinste gibt“, fragt der frühere Inhaber eines Handwerksbetriebs.

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Auf die Frage, was für ihn das wichtigste Projekt in 20 Jahren gewesen sei, meint Mummert, dass es ein solches nicht gebe. Wenn man sich voll und ganz mit der Aufgabe im Gemeinderat identifizieren könne, sei man mit Herz und Seele dabei. Da gehe es nicht um ein Lieblingsprojekt. Umso nachdenklicher sei er geworden, als er als „Lakai des Bürgermeisters“ beschimpft wurde. „Da frage ich mich, wo leben denn die Leute? Wegen der Ich-Mentalität habe ich manchmal gedacht, ob ich noch richtig bin im Rat. Ich dachte auch, vielleicht bist du zu alt.“ Früher sei es eine ehrenvolle Aufgabe gewesen, im Rat mitzuwirken, heute sei das bedauerlicherweise nicht mehr so. Man sei eher zum Prügelknaben verkommen. Früher sei man stolz durch den Ort gelaufen, heute denke man beinahe, „hoffentlich spricht mich niemand an“.

Räumliche Entlastung

Nichtsdestotrotz sei er damals, als es um die Entscheidung ging, wie der Marktplatz neu gestaltet werden soll, dafür gewesen, ein neues Gebäude zu errichten. Der Platz sei auch ohne wunderschön geworden. Aber im geplanten neuen Gebäude am Marktplatz hätten auch Verwaltungseinheiten Platz gefunden und so für eine räumliche Entlastung gesorgt, denn das Rathaus am alten Standort platze aus allen Nähten. Erweitern ginge dort nicht mehr.

Im Falle der dringend benötigten Betreuungsplätze in Ketsch gibt Mummert zu bedenken, dass die Gemeinde vor fünf Jahren noch überlegt habe, Plätze abzubauen. Das Problem sei durch die große Politik erwachsen, vor Ort müssten die Beschlüsse zur Kinderbetreuung umgesetzt werden, sodass man speziell in der Enderlegemeinde nicht hinterherkomme, die vielen Plätze vorzuhalten. Man sei dabei, zwei Kindergärten zu bauen. Das gehe aber nicht von heute auf morgen.

Der Vertreter der Freien Wähler verweist auf die Neurottschule, wo allein für Maßnahmen des Brandschutzes drei Millionen Euro investiert worden seien, um beispielsweise den Neubau der Mensa nicht zu vergessen, damit die Bildungsstätte Gemeinschaftsschule sein könne. „Das Geld dafür kann man sich nicht einfach aus den Rippen schneiden“, sagt Dieter Mummert und dennoch sei die Pro-Kopf-Verschuldung minimal, liegt unter dem Landesdurchschnitt.

Ein Projekt, wie es die in die Jahre gekommene Rheinhalle erfordert, werde noch ein paar Jahre Geduld brauchen. Egal, welche Variante man für eine zukunftsfähige Lösung präferiere – Mummert spricht auch eine teilweise Umnutzung als kleines Theater wie die Wollfabrik in Schwetzingen an – es werde viel Geld in die Hand genommen werden müssen.

Mummert, dem aufgrund der aktuellen Performance der Bundesregierung die wenigen Haare zu Berge stünden, wie er selbst sagt, findet, dass die Ketscher Gemeindeverwaltung ein großes Lob verdient habe. „Unter Bürgermeister Jürgen Kappenstein hat sich viel bewegt.“ Zu bemängeln seien nur Kleinigkeiten. Er verstehe all jene nicht, die über die Verwaltung herziehen.

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