Neulußheim. Für den Optimismus, den der Künstler ausstrahle, sei er „in diesen schweren Zeiten“ sehr dankbar – emotionaler als sonst war die Werkeinführung des „Neulußheimer Kunstpapstes“ Wolfgang Treiber bei der Eröffnung der jüngsten Werkschau, die am vergangenen Freitagabend großes Publikum im Kulturzentrum „Alter Bahnhof“ versammelte.
Mehr als eine Titel-Anlehnung an den herzerwärmenden, romantischen, verrückten und liebenswerten Film Jean-Pierre Jeunets war die Kunstausstellung „Die fabelhafte Welt des Dieter Köster“: Auf gleiche Weise spielt der in Ost-Berlin geborene, seit 1991 in Mühlhausen im Kraichgau lebende Allroundkünstler – die Eröffnung bereicherte er zusammen mit Ulrike Miltschitzky selbst am Akkordeon – mit den sinnlichen Empfindungen seiner Betrachter – mal liebevoll, mal irrwitzig, immer aber mit einer geistigen Dynamik, die fesselt und fasziniert.
Dass er dabei ein lupenreiner Autodidakt ist, entnimmt man seinen rund 25 ausgestellten Bildern nicht: Ganz im Gegenteil sind die von einer geradezu verblüffenden technischen Güte, die an die handwerkliche Betonung alter Meister erinnert. Vielleicht eine Reminiszenz an seinen Vater, der einst barocke Kunstwerke kopierte.
Köster war bereits 2013 in Neulußheims guter Stube zu Gast – damals mit seinen „Häusergeschichten“. Eine Etappe auf einem langen und reichhaltigen Ausstellungsweg. Diesmal präsentierte er eine Werkauswahl in einer fantasievollen Mischung aus abstrakter, surrealer und klassischer Malerei – jedes Werk eine eigene Geistesgeschichte, Bilder voll Symbolik, augenzwinkerndem Humor und großer Spannkraft – „sie müssen gelesen werden wie ein Buch“, so Treiber.
Auf Klaviatur eigener Erfahrungen
Und tatsächlich verfangen die meisten Exponate absolut treffsicher. Sie laden ein zu einer genaueren, sehr intensiven Schau, drängen sich dabei aber nicht auf, sondern entschlüsseln sich in der inneren Betrachtung auf der Klaviatur eigener Erfahrungen und erinnerter Eindrücke. Da reitet die „Eidgenössische Mary Lou“, das beflaggter Alphorn wie eine Standarte tragend, auf ein organisch in sich verschlungenes Turmgebilde zu, beobachtet von einem Clown, an dessen schillernden Seifenblasen Fallschirmspringer vor dem Panorama, das wohl am ehesten das Matterhorn sein dürfte, herabschweben.
Die „Bucht von Schokoladien“ verbindet über eine süße Treppe, die Anklänge an den Surrealismus Dalís aufnimmt, ein auf einem Schokofluss fahrendes Handelsschiff mit dem Orient, der Genusssucht der feinen Gesellschaft und dem modernen Schaumkuss – eine Geschichte der Geschichte in beeindruckenden Farben und einer reizvollen Gesamtästhetik.
Rotglühende Lava
Von Farbe und Form fraglos am prominentesten kommt „Der Wanderer nach Mordor“ in einem scharfen Kontrast aus rotglühender Lava, einer kathedralenartig umgestalteten Interpretation von Barad-dûr und einem wie Gischt brodelnden Himmel um den dabei doch beruhigenden Riesenmond daher.
Dieter Köster, der schon seit vielen Jahren der Künstlergruppe Walldorf angehört und der mit der „Pinselwerkstatt“ sein eigenes Atelier betreibt, ist ein begnadeter Erzähler in Farben und Formen, ein Künstler, der inneres Feuer und Begabung miteinander zu einer Kunst vermengt, die zum Verweilen bei gleichzeitiger innerer Reise einlädt.
Oder um es mit der fabelhaften Amélie zu sagen: „Monsieur, wenn ein Finger zum Himmel zeigt, schaut nur der Dummkopf den Finger an“. Alle anderen schauen auf Kösters Farbgeschichten.
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