Neulußheim. Nach der Sommerpause erwacht der Neulußheimer Leuchtturm und hat von seiner überregionalen, kulturellen Strahlkraft nichts eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Der Kulturtreff Alter Bahnhof wartete mit einer ganz besonderen Ausstellung auf. Kunstpapst Wolfgang Treiber gelang der Coup – auch aufgrund des guten Rufs des Alten Bahnhofs und der Expertise von 32 Jahren Ausstellung seitens des Ehepaars Treiber – den Ausnahmekünstler Lothar Bergmann zu überzeugen, erstmals eine Einzelausstellung zu planen und zu präsentieren, die den Arbeitstitel „Mysterium Weib“ trägt.
Die Vernissage fand am vergangenen Freitag statt und zog ein illustres Publikum an. Darunter auch der frisch in Amt und Würden stehende Neulußheimer Bürgermeister Kevin Weirether, der es sich bei seinem Antrittsbesuch im Alten Bahnhof nicht nehmen lies, eine spontane Rede zu halten und die Audienz mit seinem Geschick und Sachverstand in Sachen Kunstinterpretation zu verblüffen.
Kunst und Musik gehen in Neulußheim einher
Nachdem Ellen Eichele am Saxofon und Karlheinz Steidel am Klavier – im gewohnt, harmonisch eingespielten Duett – die Veranstaltung musikalisch begleiteten, stellte Marianne Treiber den Künstler vor. Bergmann hat – bis auf eine einjährige Ausbildung im Akt- und Porträtzeichen an der Freien Kunstschule Darmstadt – keinerlei künstlerische Ausbildung und erarbeitete sich sein Handwerk beinahe gänzlich in autodidaktischer Manier.
„Oldschoolart“ – zu deutsch: Die Kunst der Alten Schule – nennt Bergmann sein Handwerk. Dies aufgrund der Orientierung an Malweisen, die eben nicht dem aktuellen Trend entsprechen, definiert Marianne Treiber den Malstil. Hinzu kommt die Faszination Bergmanns vom Können der Alten Meister, denen er einige seiner Bilder als Hommage gewidmet hat. „Lothar Bergmann malt gegenständlich, realistisch bis fotorealistisch, lehnt sich an Pop-Art und die Pin-up-Malerei der 1940er bis 1960er Jahre an, wobei seine bevorzugten Motive Frauen sind, die er bisweilen im biblischen oder griechisch-mythologischen Kontext ansiedelt“, resümiert Marianne Treiber den künstlerischen Hintergrund. Dabei verzichtet Bergmann bewusst auf historisch korrekte Darstellung, würzt seine Werke aber oft mit einer Prise an Humor.
Hollywood-Ikone als Muse
Ein nicht unbedeutender Anteil der Gemälde ist der legendären Schauspielerin Marilyn Monroe – Filmgöttin, Sexsymbol und zeitlose Ikone weiblicher Schönheit – gewidmet, als deren Verehrer sich Bergmann sieht. Marianne Treiber ging in ihrer Laudatio hierzu näher ein: „Der unbekleidete Körper bietet unerschöpfliche Möglichkeiten, die Sicht des Menschen auf sich selbst, seine sozial
en Träume und Ängste darzustellen – er kann intim, modern, realistisch, politisch oder verletzlich sein.“
Laut Marianne Treiber ist der Akt ein Genre, das sich immer wieder neu erfindet, um ästhetische, soziale oder auch politische Belange zu transportieren. In diesem Zusammenhang ist Bergmann ein kontrovers diskutierter Künstler: Was Männer wollen? Ganz einfach. Was Frauen wollen? Nicht zu begreifen. Wer kokettiert, wer hat die Macht, wer „hat die Hosen an“ und wer hat schlussendlich das Sagen? Ist man peinlich berührt, will man verschämt wegschauen, oder doch einen vorsichtigen Blick riskieren, um den Dialog zu suchen?
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Die Veranstalter sehen eine sich voll im Gang befindliche Generaldebatte, bei der nichts mehr eine Rolle spielen soll und der Geschlechterkampf unentschieden ausgeht. Männer können das „Mysterium Weib“ nicht ergründen. Unter ihrer Oberfläche bleibt die Frau ein Rätsel hinsichtlich Schönheit und Verführungskraft. Was darf gezeigt werden, was darf man sich ansehen, was ist verboten, was ist erlaubt?
Vielleicht ist am Ende alles nur eine Fiktion von Lothar Bergmann – eine Persiflage oder Satire? Dem Künstler gelingt jedenfalls der Spagat zwischen den Emotionen, denn in der Kunst sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. So bleibt es dem Betrachter überlassen, was Mann oder Frau, oder was auch immer, denken könnte. Vielleicht wurde es vom Künstler auch einfach nur meisterlich in Acryl gemalt – voller Ausdruckskraft, mit Witz, einem zwinkernden Auge und stets mit Humor bedacht.
- Die nächste Kunstausstellung im Alten Bahnhof findet vom 1. bis 3. November statt, wobei die Künstlerin Cornelia Komor mit abstrakter Malerei aufwartet.
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