Neulußheim. Sie sind Dauergast im „Alten Bahnhof“ und ihre Fangemeinde ist dermaßen treu, dass auch Kälte und Regen den Zustrom nicht stoppen können: Der aus dem irischen Kilkenny stammende Wahl-Karlsruher Seán Treacy und seine drei Mannen haben den Neulußheimern am Sonntag eingeheizt, dass zumindest im Kulturzentrum manch einer ins Schwitzen geraten ist.
Dazu trug natürlich die Menschenmasse bei, die sich in der „guten Stube“ der Vier-Sterne-Gemeinde zu einer kuscheligen Runde ballte, vor allem aber der unnachahmliche Sound der Seán-Treacy-Band. Der ist etwas wie ein Markenzeichen, das in den Jahren, seit der kauzig-kultige Ausnahmesänger durch unsere Region tingelt, eben gerade diese enge Bindung zwischen Künstler und Zuhörern gefestigt hat: Wenn Seán ruft, dann kommen sie alle.
Gute Musik und hervorragende Bewirtung beim Frühschoppen in Neulußheim
Sicherlich auch, weil der „Alte Bahnhof“ längst für solide, immer anspruchsvolle Kultur steht und das Team des Kulturtreffs zusammen mit Kulturamts-Chefin Alexandra Özkalay das frühere Bahngebäude selbst unter den widrigen Umständen, die an diesem Sonntagmorgen herrschten, zu einer gemütlichen Oase des Genusses verwandelt: Sekt, Feuerwust, hochbegehrter Kuchen und dann auch noch Musik vom Feinsten.
Bei der setzte das klangliche Viergestirn auf das, was es am besten kann: Klassikern einen ganz neuen Charakter zu geben, ohne dabei den „Weißt-Du-noch“-Effekt zu verlieren. Eine wundervolle Mischung aus Nostalgie und Performance ist, was Treacys Sound auszeichnet: Ob der Kansas-Alltime-Hit „Dust in the Wind“ oder das „Hotel California“, mit dem es die Eagles in die Liste der 500 besten Songs aller Zeiten geschafft haben – aus den Kehlen und auf den Instrumenten der Treacys haben diese Gassenhauer noch ihre Patina, kommen aber doch in einem ganz eigenen, neuen und individuellen Gewand daher.
Stefan Buchholz ist die geniale Zweitstimme und gleichzeitig ein höchst gefühlvoller Percussionist, der sich ganz auf die Cajon-Box verließ, Claus Bubik steuert einen grundsoliden Bass bei – ein Fundament, auf dem Andreas Bock mit wundervollen Gitarren-Einlagen förmlich tänzelte und dann natürlich die markige, erdige Stimme des Meisters selbst – in der Melange ein covermäßiger Dauerbrenner, der durch Klasse und Präsenz nicht nur einen Ruf, sondern längst Kultstatus erlangt hat.
Dem folgte das Publikum auch diesmal blind: Johnny Cashs „Folsom Prison Blues“, den der Großmeister der Country-Music Anfang der 1950er in seiner Zeit bei der US Air Force in Landsberg schrieb, gab die Seán-Treacy-Band mit der gleichen Inbrunst und Lässigkeit im „Boom-Chicka-Boom“-Sound der damals noch „Tennessee Two“, allenfalls das legendäre „Hello, I’m Johnny Cash“ fehlte. Aber die Vier machten das Stück vielschichtiger, den Bass noch beschwingter und setzten zum Highlight auch noch ein Wolfsgeheul darauf – unter dem frenetischen Jubel des Auditoriums.
Gleiches beim U2-Klassiker „I still haven’t found what I’m looking for“, der übrigens ein wirklich gänsehautverdächtiges Revival im Animationsfilm „Sing 2“ in einer Interpretation von Scarlett Johansson und U2-Frontmann Bono gefeiert hat: Die Treacy-Version atmete alle Emotion, Sehnsucht und Stärke der irischen Rockband, verwandelte das Stück aber in einen richtigen Kuschelsong.
Letztlich ist es einmal mehr ein Fest für die Ohren gewesen und perfekter Anlass, darauf zu warten, bis es wieder heißt „Boys are back in Town“.
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