Kulturtreff

Textile Kunstwerke im Alten Bahnhof in Neulußheim

Ingrid Eckert stellt ihre textilen Kunstwerke im Alten Bahnhof in Neulußheim aus. Mit Stoffen erschafft die Künstlerin Landschaften. Was Sie erwartet.

Von 
Andreas Wühler
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Marianne Nagel-Treiber (v.l.), Künstlerin Ingrid Eckert und Wolfgang Treiber vor den Kunstwerken „Stausee“ und „Dolomiten“. © Dorothea Lenhardt

Neulußheim. Es sind Landschaften von transparenter Schönheit, die Ingrid Eckert mit zartem Strich auf die Leinwand gebannt hat. In Pastellfarben erstrecken sie sich bis zum Horizont und gehen dort ansatzlos in den wolkenverhangenen Himmel über. Flüsse mäandern durch grüne Landschaften, Berge und Hügel türmen sich zu luftigen Gebilden auf und das Meer brandet endlos an den Gestaden an. Bilder von einzigartiger Faszination, zumal wenn man bedenkt, dass hier nicht Pinsel und Farbe den Fluss der Kreativität lenkten, sondern Nadel und Faden.

Denn Ingrid Eckert hat sich der Textilkunst verschrieben, einem der ältesten Zweige der darstellenden Kunst, deren wohl bekanntestes Zeugnis der Wandteppich von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert ist, der die Eroberung Englands durch die Normannen zum Thema hat. Seit fast fünf Jahrzehnten hat sich die Heidelberger Künstlerin dem Gestalten mit Stoffen verschrieben, nun war sie mit ihren Werken erstmals im Neulußheimer Kulturtreff Alter Bahnhof vertreten.

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„Kunstpapst“ Wolfgang Treiber hieß zu der Ausstellungseröffnung zahlreiche Gäste im Alten Bahnhof willkommen, darunter die frühere Landtagsabgeordnete Rosa Grünstein, den Landtagsabgeordneten Andreas Sturm und zahlreiche Gemeinderäte. Es sei, betonte Treiber in seiner Begrüßungsrede, die letzte Ausstellung in diesem Jahr und fast war man geneigt, hinzuzufügen, dass das Beste meist am Schluss kommt – dies, ohne die bisherigen Ausstellungen übertrumpfen zu wollen, doch allein schon die Art des künstlerischen Handwerks, die Eckert präsentiert, verschaffte den Werken ein Alleinstellungsmerkmal.

Marianne Nagel-Treiber führte in das Werk der Heidelberger Künstlerin ein, die sich, wusste sie zu berichten, schon von Kindesbeinen an zur Kunst hingezogen fühlte. Töpferin oder Weberin habe sie werden wollen, so die frühen Berufswünsche, denen ihre Mutter jedoch jenen Riegel vorschob, zu dem viele Erziehungsberechtigte greifen – kann man davon leben?

Kurzum, ein Brotberuf musste her und so wurde aus Eckert im ersten Ansatz keine Künstlerin, sondern eine Lehrerin, sie unterrichtete Textiles Werken an einer Realschule – mit großem Erfolg, nicht nur bei den Schülern, sodass sie bald der Ruf ereilte, als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule ihr Wissen künftigen Lehrerinnen und Lehrern zu vermitteln. Mittlerweile ist ihre Schulzeit beendet, genießt Eckert ihren Ruhestand, den sie jedoch flugs gegen den Berufsstand der freien Textilkünstlerin eintauschte.

Die Künstlerin arbeitet mit Dreidimensionalität

Mit der Hand und mit der Nähmaschine gestaltet sie ihre Bilder, wusste Nagel-Treiber zu berichten, die den Gästen der Vernissage die Vorgehensweise von Eckert schilderte. Basis ihrer Werke sind meist Baumwollstoffe, auf die sie ihre Ideen skizziert. Inspirationen für ihre Bilder holt sie sich auf Wanderungen rund um Heidelberg oder auf ihren zahlreichen Reisen. Ist die Skizze fertig, wird sie mit verschiedenen Stoffen, die übereinander geschichtet werden, modelliert.

Die Stoffe, meist Seidenorganza in sanften Farbstufen, das einen transparenten, luftigen Eindruck hinterlässt, werden vernäht, was den Werken einen dreidimensionalen Charakter verleiht. Nicht umsonst sprach Wolfgang Treiber in seiner Begrüßung von „Multimedia-Landschaften“. Zumal diese von der Künstlerin mit aufgelegten Perlen oder Papieren noch stärker modelliert werden, sodass sie auf den Betrachter einen starken Sog ausüben, zum Erkunden einladen. Marianne Nagel-Treiber nannte die „Tiefe des Raums“, die den Betrachter lichtdurchflutet einlade. Fast ist man geneigt, zum Wanderstock zu greifen.

Die Ausstellung im Alten Bahnhof ist gut besucht. © Dorothea Lenhardt

Diese Dreidimensionalität treibt Eckert mit Holzkästen, in denen ihre Ideen plastische Gestalt annehmen, auf die Spitze. Dennoch, ihre Kunst ist nicht nur ein Spiel mit Formen und Farben, sie hat gleichzeitig jede Menge Tiefe. Die Künstlerin erzähle von Erinnerungen und Erfahrungen, die sie prägten, gehe in ihren Bildern auch auf Veränderungen in der Landschaft ein, sei es durch Unwetter, Brände oder den gegenwärtig allgemein zu beobachtenden Verfall in der Natur.

Auf jeden Fall boten die in Neulußheim zu sehenden Kunstwerke jede Menge Gelegenheiten zum „Augenspaziergang durch Landschaften“, wie es Marianne Nagel-Treiber auf den Punkt brachte und zu dem sich die Besucher anschließend auf den Weg machten.

Umrahmt wurde die Vernissage durch Miriam Eisenmann, die mit ihrem Spiel auf der Blockflöte begeisterte. Sie spielte zwei Werke aus der Sammlung „Der Fluyten-Lusthof“ des niederländischen Blockflötenvirtuosen, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts einer der bekanntesten Künstler seiner Zeit war. Melodien, die die Luftigkeit und Transparenz der Kunst von Ingrid Eckert in Noten aufgriffen.

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