Ehrenamt

Wenn Sekunden zählen: Helfer vor Ort in Neulußheim

In Neu- und Altlußheim startet ab Januar 2026 ein „Helfer vor Ort“-System (HvO) des Deutschen Roten Kreuzes. Vor welchen Herausforderungen das Team steht.

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Rebecca Jankowski
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Anette Oechsler (v. l.), Angelika Ressl, Elias Grundwald, Nils Rubner (Bereitschaftsleiter), Nadja Baumann, Martin Rubner (Ortsvereinsvorsitzender) und Florian Lauer freuen sich über das neue Fahrzeug. © Rebecca Jankowski

Alt-/Neulußheim. Manchmal entscheiden Sekunden über Leben und Tod. Ein medizinischer Notfall duldet keinen Aufschub. Doch das Gesundheitssystem ist angespannt, der Rettungsdienst oft stark ausgelastet. Umso wichtiger sind Strukturen, die die Zeit bis zum Eintreffen eines Rettungswagens überbrücken. In Neulußheim und Altlußheim startet ab Januar 2026 ein „Helfer vor Ort“-System (HvO) des Deutschen Roten Kreuzes.

HvO ersetzt nicht den Rettungsdienst, sondern ergänzt ihn. Das Konzept ist einfach: Ehrenamtlich geschulte Helfer werden von der integrierten Leitstelle Rhein-Neckar/Heidelberg zusätzlich zum Rettungsdienst alarmiert, wenn sie den Ort eines Notfalls schneller erreichen können als der Rettungsdienst oder wenn das nächste Rettungsfahrzeug noch im Einsatz ist. Sie leisten qualifizierte erste Hilfe, stabilisieren den Patienten und übergeben ihn später an den Rettungswagen oder Notarzt. Damit wird die therapiefreie Zeit verkürzt, also die Phase zwischen Notruf und Beginn der medizinischen Behandlung.

DRK-Ortsverein Lussheim ist einer der 27 „Helfer vor Ort“-Systeme im Kreisverbandsgebiet

Das künftige Einsatzgebiet umfasst Neulußheim, Altlußheim sowie angrenzende Straßen. Alarmiert wird werktags von 18 bis 6 Uhr, an Wochenenden auch rund um die Uhr. Insgesamt 27 „Helfer vor Ort“-Systeme gibt es im Kreisverbandsgebiet des DRK Rhein-Neckar/Heidelberg in den Gemeinden (Stand 2023). So beispielsweise auch in Hirschberg, wo nach Angaben des Ortsvereinsvorsitzenden Martin Rubner jährlich rund 280 Einsätze gefahren werden.

Erste Überlegungen für das HvO-Konzept im DRK-Ortsverein Lussheim gab es bereits 2018, sie scheiterten jedoch. Nach den Vorstandswahlen im November 2023 griff der Ortsverein das Thema erneut auf. Zunächst musste ein Fahrzeug beschafft werden. Da der Ortsverein keinerlei Zuschüsse oder Förderungen von der Gemeinde erhalten hat, starteten die Mitglieder eine eigene Spendenaktion.

Die Gesamtkosten für Fahrzeug und Technik belaufen sich auf circa 45.000 Euro

Insgesamt kamen rund 40.000 Euro zusammen. Ein gebrauchter Audi Q5, zuvor als Notarzteinsatzfahrzeug im Dienst, wurde innerhalb einer Woche in Fulda gekauft. „Ein neues Fahrzeug in dieser Größe wäre einfach zu teuer gewesen“, erklärte Martin Rubner. In Eigenarbeit entfernten die Mitglieder die Folierung des Autos, bauten nicht benötigte Teile aus, eine Rücksitzbank ein und prüften die Elektrik. Die neue Folierung übernahm anschließend die Firma Werbezimmer Mannheim. Später erfolgte die TÜV-Abnahme im Autohaus Stoner in Altlußheim.

Für die technische Ausstattung musste zusätzlich investiert werden. Eingebaut wurden ein Handfunkgerät sowie ein Columbus-Navigationssystem mit Datenträger, über das die Leitstelle Einsatzdaten direkt ins Fahrzeug übermitteln kann. Das Navi ist in etwa so teuer wie ein Handfunkgerät – beides zusammen war notwendig, um den HvO-Betrieb sicherzustellen. Ein Defibrillator, wie er auch im Rettungsdienst eingesetzt wird, soll laut Rubner noch angeschafft werden und damit wäre alles einsatzbereit. Die Gesamtkosten für Fahrzeug und Technik belaufen sich auf circa 45.000 Euro, so Rubner. Hinzu kommen jährlich 3.000 bis 4.000 Euro für den Unterhalt.

Ehrenamtliche Rettungskräfte stehen vor vielen Herausforderungen im Alltag

Die neue Initiative bringt auch einige Schwierigkeiten mit sich. Ein zentrales Problem ist die Einsatzkleidung: Sie muss nach jedem Einsatz hygienisch einwandfrei gereinigt werden. In Neulußheim gibt es dafür keine geeigneten Räumlichkeiten. Als Übergangslösung soll die Kleidung notfalls in der Desinfektionswaschstraße in Oftersheim gewaschen werden. Das bedeutet aber zusätzliche Wege und Mehrarbeit für die Ehrenamtlichen. Um diesen Aufwand zu verringern, wäre langfristig ein zweiter Satz Einsatzkleidung für jeden Helfer notwendig – was wiederum zusätzliche Kosten verursacht.

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Ein weiteres Hindernis: Immer weniger junge Menschen verfügen über einen Führerschein. Viele können ihn sich finanziell nicht leisten oder benötigen ihn nicht für ihren Beruf. Für den Ortsverein ist das ein echtes Problem. Besonders schwierig wird es bei Fahrten mit Anhänger, die im Vereinsalltag ebenfalls anfallen. Derzeit gibt es im Ortsverein nur noch zwei Mitglieder, die den entsprechenden Anhängerführerschein besitzen.

Die Ausbildungskosten werden vom DRK-Kreisverband übernommen

Voraussetzung für die Mitarbeit im HvO ist mindestens eine Sanitätsausbildung oder eine vergleichbare Qualifikation. Hinzu kommen Einweisungen für das Fahrzeug, die Medizintechnik und den Defibrillator sowie ein Reanimationstraining, Fahrtrainings mit Sondersignal und ein Praktikum von mindestens 16 Stunden beim Rettungsdienst, teilweise auch mit Notarztbegleitung. Zusätzlich wurden einige Lizenzen für die Lern-App „Einfach retten“ angeschafft, die den Helfern anhand von Fallbeispielen den Umgang mit unterschiedlichen Einsatzsituationen vermittelt.

Auch ohne Vorkenntnisse kann man sich für eine Ausbildung zum HvO anmelden. Die Ausbildungskosten werden vollständig vom DRK-Kreisverband übernommen. Besonders engagierte Helfer werden zu Spezialkursen nach Pfalzgrafenweiler eingeladen. Dort können die Teilnehmenden weitere Qualifikationen erwerben, etwa als Feldkoch. Nils Rubner erzählt: „Dieses Angebot wird von vielen als besonderer Ansporn gesehen – nicht zuletzt, weil das Wochenende in Pfalzgrafenweiler für die Ehrenamtlichen auch ein Gemeinschaftserlebnis ist. Die Rückmeldungen der bisherigen Teilnehmenden sind durchweg positiv.“

Ehrenamtliche leisten einen Beitrag zum Überleben

Das HvO-Projekt verursacht jährliche Betriebskosten von rund 3.000 bis 4.000 Euro – etwa für Unterhalt des Fahrzeugs, Reinigung oder Verbrauchsartikel. Finanziert wird dies komplett über Spenden. Immerhin erhält der Ortsverein regelmäßig größere Zuwendungen von Unternehmen in Höhe von 5.000 bis 8.000 Euro pro Jahr. Dennoch bleibt die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung entscheidend, um auch die laufende Arbeit sicherzustellen. „Außerdem möchten wir langfristig für unseren Ortsverein eine Abteilung Jugendrotkreuz aufbauen“, so Rubner.

Anette Oechsler (v. l.), Martin Rubner, Florian Lauer, Angelika Ressl, Elias Grunwald, Nadja Baumann und Nils Rubner vom DRK-Ortsverein Lussheim präsentieren das neue HvO-Auto. © Rebecca Jankowski

Das „Helfer vor Ort“-System ist für den DRK-Ortsverein Lussheim kein Prestigeobjekt, sondern eine Investition in das Wichtigste überhaupt: das Leben von Menschen. Jede Sekunde, die im Notfall gewonnen wird, kann entscheidend sein. Dass die Gemeinde Neulußheim einen zu kurzfristig gestellten Antrag auf Zuschuss ablehnte, hat den Verein nicht aufgehalten. Für die Zukunft bleibt jedoch die Frage, ob die Verantwortung für solch lebensrettende Strukturen allein auf den Schultern Ehrenamtlicher lasten sollte.

Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung soll bei den Haushaltsberatungen für 2026 geprüft werden

Bürgermeister Kevin Weirether sagt dazu: „Wir schätzen die Arbeit des DRK-Ortsverein Lussheim außerordentlich – die Ehrenamtlichen leisten einen immens wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Beitrag für ein gesundes gesellschaftliches Zusammenleben in unserer Gemeinde. Grundsätzlich haben wir zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen, dass eine finanzielle Unterstützung möglich ist“. Er erklärt weiter, dass freiwillige Zuschüsse der Kommune frühzeitig geplant und im Haushalt berücksichtigt werden müssten. Das Fahrzeug sei bereits angeschafft gewesen, als der Antrag auf Unterstützung einging. Die Beantragung erfolge üblicherweise vor einer Anschaffung zur rechtzeitigen Planung. Bei den Haushaltsberatungen für 2026 werde geprüft, ob und in welcher Höhe eine Unterstützung möglich sei.

Interessierte Bürger können sich am Dienstag, 28. Oktober, um 19 Uhr im Bürgersaal der Gemeinde Altlußheim (Schulstraße 1) zum Thema „Helfer vor Ort“ informieren.

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