Christuskirche

Brahms-Requiem in Oftersheim: Eine Erfahrung von Verlorenheit

Mehr als 100 Sänger und Musiker führen unter der Leitung von Bezirkskantor Detlev Helmer das „Deutsche Requiem“ auf. Auch sein Sohn ist an der Aufführung beteiligt.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Der Chor mit einer Größe von über 100 Musikern besteht aus dem Schwetzinger Vokalensemble und der Evangelischen Kantorei Wiesloch. © Lackner

Oftersheim. Mit der Aufführung des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms hat sich Bezirkskantor Detlev Helmer kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand noch einen persönlichen Wunsch erfüllt. Es sei sein „liebstes Requiem“, bekennt er im Programmheft zum Konzert in der Oftersheimer Christuskirche am vergangenen Sonntag. Und die Aufführung bestätigt: Brahms’ Totenmesse ist in seiner musikalischen Faktur und seiner religiösen Wucht wirklich eine besondere Vertreterin dieser Gattung.

Ganz auf Versen aus dem Alten und dem Neuen Testament aufgebaut, beschreibt das Requiem jene menschliche Erfahrung im Wissen um die eigene Vergänglichkeit, die im Blick über sich selbst hinaus auf jene unsterbliche Hoffnung trifft, dass der Tod nicht das letzte Wort habe. Die Musik stellt diesen Vorgang auch klanglich dar: Zu Beginn zirkuliert sie in den tiefen Regionen von Kontrabass, Celli und Bratschen, bevor der Chor mit der Seligpreisung aus Jesu Bergpredigt sanft das Licht erstrahlen lässt.

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Der mehr als hundertköpfige Chor, gebildet aus dem Schwetzinger Vokalensemble und der Evangelischen Kantorei Wiesloch, trägt die Anfangsverse noch in behutsamer Erhabenheit vor. Doch im Trauermarsch des zweiten Satzes gewinnt der dynamische Gesang an Fülle und Dramatik. Inmitten der Tristesse, die sich im Bild des verdorrten Grases wiederfindet, leuchten die Stimmen in helleren Farben auf, die die Vorfreude auf die bevorstehende Ankunft des himmlischen „Ackermanns“ kolorieren.

Mit leidenschaftlichem Nachdruck begegnen die Sänger jener Verheißung der Erlösung durch den wiederkommenden Herrn. Eine Passage, die der Chor, auch in dieser Szene kräftig unterstützt vom Heidelberger Kantatenorchester, als felsenfestes Bekenntnis formuliert.

Bariton Matthias Horn durchdringt im Wechselgesang mit dem Chor jenes Bewusstsein von der Begrenztheit des Lebens auf eine Weise, die sowohl die resignierten als auch die heroischen Potenziale in diesem seelischen Erleben zum Klingen bringt.

Die „letzte Posaune“

Unter dem souveränen Dirigat von Detlev Helmer vertraut sich der Chor im weiteren Verlauf jenen schwelgerischen Harmonien an, die das Trauern auch gesanglich in die Weite führen.

Mit inniger Empfindung und feiner Kontur auch in den hohen Lagen gestattet die Sopranistin Carmen Buchert in ihrer Arie einen trostvollen Nachvollzug, den die impulsiven Bläser des Heidelberger Kantatenorchesters ausdrucksschön illustrieren. Die „letzte Posaune“, die nach biblischer Verheißung bei der Auferstehung der Toten erklingt, findet aber nicht nur im Orchester, sondern auch im machtvollen Ton Widerhall, den Matthias Horn anklingen lässt.

Er wirkt wie ein Signal, das der Chor nun mit einer hymnischen Steigerung des Gesangs befolgt und bis in die Verästelungen der Schlussfuge hinein als ein feierliches Credo bewahrt. Eine Darbietung, die in die ruhevolle Gewissheit des Glaubenden mündet, der sich seiner Erlösung gewiss ist. Die Harfe umflort dieses Finale mit ätherischen Glissandi.

Vaterfreude pur: Bezirkskantor Detlev Helmer (links) umarmt seinen Sohn Benjamin Helmer, der das Musikstück „Wellen“ zur Uraufführung bringt. © Ralf Lackner

Der herzliche Applaus in der Oftersheimer Christuskirche gilt nicht nur den Aufführenden rund um Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer, sondern auch dessen Sohn Benjamin Helmer, der dieses Konzert mit der Uraufführung eines eigenen Werkes bereichert hat. Vom zweiten und dritten Teil des Brahms-Requiems war sein Zyklus „Wellen“ umfasst, der die Erfahrung von Verlorenheit im Angesicht menschlicher Begrenztheit mit der klanglichen Ästhetik des Wassers versinnbildlicht. Das ursprünglich kreatürliche Verhältnis des Menschen zur Natur und zum Sein wird auf diese Weise einem schroffen Entfremdungsprozess unterworfen.

Dunkel-Hell-Kontraste, filigrane Orchestereinlagen, extrem verlangsamt und versetzt einsetzende Chorstimmen – ähnlich wie Knut Nystedts „Immortal Bach“ – Sprechgesänge und assoziative Klangereignisse schufen eine verdichtete Atmosphäre, die als eine sinnliche Vertiefung von Brahms’ Totenmesse verstanden werden konnten.

Zu den „lieblichen Wohnungen“ Zebaoths, die der Chor im weiteren Fortgang des Requiems öffnete, nahm man anschließend gerne Zutritt.

Freier Autor

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