Oftersheim. Was war Anfang November? Richtig, der offizielle Dienstantritt des neuen Bürgermeisters Pascal Seidel. 100 Tage ist das her – eine Steilvorlage, um sich mit dem Diplom-Verwaltungswirt (FH) als maßgebliche Tageszeitung auszutauschen und ein erstes Zwischenfazit zu ziehen. Der zweifache Familienvater und Ex-Handballer der HG Oftersheim/Schwetzingen ist ein waschechter Oftersheimer. Er lebte schon immer in der Hardtgemeinde – heute guckt er von seinem Schreibtisch aus auf den Hof der Friedrich-Ebert-Grundschule und sein Sohn Felix winkt ihm als Pennäler täglich zu. Beim 40-jährigen Seidel löst das Glücksgefühle und Erinnerungen aus. Es ist für ihn eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. Denn der Rathauschef hatte einst die Schulbank in der Ebert-Schule gedrückt.
100 Tage Bürgermeister-Dasein – wie lässt sich das einfangen, zusammenfassen und vermitteln? „100 Tage sind nicht lang“, sagt Seidel, „sie sind vergangen wie im Flug.“ Er sei super gut von den Kollegen aufgenommen worden, wirklich überrascht habe ihn so gut wie nichts. „Es war von Anfang an sehr intensiv. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse.“ Als Verwaltungsfachmann und als Ex-Ordnungsamtsleiter der Stadt Schwetzingen seit 2014 kenne man die Themen und die Abläufe, dadurch sind logischerweise Hintergründe leichter zu erfassen.
„Jeden Tag gerne ins Büro“
„Ich gehe jeden Tag gerne ins Büro. Mein Job ist eng getaktet. Man braucht als Bürgermeister ein gutes Zeitmanagement. Es ist total abwechslungsreich. Ich führe sehr viele Gespräche und nehme dabei auch jedes Anliegen ernst“, berichtet Seidel. Lösungsorientierte Kommunikation steht bei ihm weit oben. Das ist sein Leitfaden und sein Selbstverständnis und dieser Mechanismus greift nach innen wie nach außen. In den ersten drei Monaten seiner Amtszeit hat sich Seidel viel um die eigene Rathausmannschaft gekümmert und den Jour fixe mit Abteilungen und Einzelpersonen eingeführt. Einer seiner Devisen im Umgang mit den Mitarbeitern lautet: „Ernsthaftigkeit in der Sache, Herzlichkeit im Stil.“ Man nimmt es ihm ab, Seidel präsentiert sich als oberster Repräsentant der Gemeinde genauso wie als Privatmensch. Das macht ihn glaubwürdig.
„Im Rathaus ist unser Personal das Kapital“, unterstreicht Pascal Seidel, vertrauensvolle Zusammenarbeit, Respekt und Wertschätzung seien für ihn zentral. Die Faustregel: Je wohler sich die Leute fühlen, desto besser arbeiten sie, bestenfalls mit intrinsischer Motivation. „Heyder + Partner“, eine Gesellschaft für Kommunalberatung aus Tübingen, wird demnächst eine Organisationsuntersuchung durchführen. Workshops, Behandlung von relevanten Zukunftsthemen, eine Bestandsanalyse, Einzelinterviews – ein über ein halbes Jahr dauernder Prozess wird starten, nachdem er bereits unter Seidel-Vorgänger Jens Geiß angestoßen worden war. Ist das Rathaus von „Ofdasche“ auf dem neuesten Stand?
In der Außendarstellung hat sich Pascal Seidel ähnlich positioniert. Die Tagesordnung der Gemeinderatssitzungen wurde umgestellt – die Bürger-Fragestunde kommt gleich zu Beginn. Ein Symbol – die Räte hätten es goutiert. Wo immer es ihm möglich ist, lässt sich Pascal Seidel blicken. Prunksitzung oder „Schmudo“-Party sind für ihn keine Last, sondern eine Form von Leichtigkeit und Kontaktpflege. Als frisch gekürter „Ehrensenator“ des CC Grün-Weiss ohnehin.
Er ist im Ort greifbar und nahbar, zu Fuß, auf dem Fahrrad oder etwa auf dem Wochenmarkt. Seidel lebt und liebt Oftersheim. Kurze Wege, Netzwerk, die Beantwortung jeder Bürgerfrage nach der 48-Stunden-Regel, all dies sei ihm wichtig.
Welches Feedback bekommt er? „Es fällt grundsätzlich positiv aus“, verrät Seidel, „mein Vater Roland würde sagen: Nicht kritisiert ist Lob genug.“ Da muss er ziemlich schmunzeln.
Streng genommen ist es so, dass er Leiter einer Gemeinde ist, was mit vielerlei Erwartungshorizonten verbunden sei. Seidel verabscheut Schwarz-Weiß-Malerei und Legendenbildung, siehe das brisante Thema Geothermie. Wenn wohlfeil behauptet wird, das drei Kraftwerke nach Oftersheim kommen, dann ärgert ihn das. So sehr er die Aufregung bei den Bürgern wegen der „Rüttelfahrzeuge“ versteht. Seidel weiß: Geothermie bleibt ein Dauerthema.
Klimaschutz mit Meilenstiefeln
Was passiert in den nächsten 100 Tagen und darüber hinaus? Inhaltlich steht vieles auf der Agenda: Das Klimaschutzkonzept und Klimaförderprogramm, das der neue Klimaschutzmanager Martin Hirning mit „Zehn-Meilen-Stiefeln“ (Seidel) nach vorne treibt; die Migration, 2023 soll die Gemeinde 150 Flüchtlinge aufnehmen, ein sensibler Aspekt, der „zu keiner Spaltung in der Gesellschaft“ führen dürfe; ein einigermaßen ausgeglichener kommunaler Haushalt, in der Ratssitzung am 14. Februar im Fokus; das komplexe Gemeindeentwicklungskonzept, das sich um prädestinierte Flächen und Gebäude in der Ortsmitte dreht; Neuerungen wie das digitale Ratsinformationssystem – demnächst werden 30 Tablets an Gemeinderäte und weitere Verantwortungsträger ausgeteilt.
Gelegentlich schaltet sich Seidel in den sozialen Medien ein – als Vertreter der Gemeinde. Für den 9. und 10. März ist Seidels Antrittsbesuch in der Partnerstadt Weinböhla geplant. Der Gemeinderat setzt sich am 28. März wohl öffentlich mit der „Causa Halle“ auseinander. Einen Tag später wird das Frühlingsfest für Senioren nachgeholt. Und und und.
Der Bürgermeister ist froh, sehr erfahrene Leute um sich zu haben. So lassen sich Genese, Entwicklung und Historie eines Sachverhalts besser bewerten. „Ich liebe Pragmatismus“, sagt Seidel über Seidel, „am Ende suchen wir alle gemeinsam Lösungen und haben ein Ziel vor Augen.“ Das gilt erst mal bis 2030 und einer Amtsperiode von 2920 Tagen ...
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim_artikel,-oftersheim-buergermeister-pascal-seidel-nach-100-tagen-im-amt-ich-liebe-pragmatismus-_arid,2048962.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html