Vom Flüchtlingslager zum Zuhause (Teil 4)

Ein Oftersheimer Ortsteil im steten Wandel

Um- und Anbauten prägen das heutige Bild der Hardtwaldsiedlung, die über Generationen nicht an Beliebtheit verloren hat. Gaby Bursa führt uns durch den Ort.

Von 
Benjamin Jungbluth
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Der Streifen zwischen der Walldorfer Straße (r.) und der B 291 (l. hinten) ist das letzte potenzielle Erweiterungsgebiet der Hardtwaldsiedlung und schon seit langem im Flächennutzungsplan entsprechend ausgewiesen. Doch die Gemeinde hat weiterhin nicht vor, hier eine Bebauung anzugehen – zu aufwendig und teuer sei das Vorhaben, heißt es aus dem Rathaus. © Benjamin Jungbluth

Oftersheim. In ihren 75 Jahren hat die Hardtwaldsiedlung viele Veränderungen erlebt. Exemplarisch lässt sich in unserer kleinen Jubiläumsserie an der Familiengeschichte von Gaby Bursa zeigen, die ebenso alt und im südlichen Ortsteil von Oftersheim aufgewachsen ist.

„Wir sind 1953 hierhergezogen und hatten neben meinen Eltern, meinem Bruder und mir noch eine Flüchtlingsfamilie mit vier weiteren Kindern im Haus. Viel Platz gab es also nicht, zumal im Garten Obst und Gemüse angepflanzt und Schweine gehalten wurden. Da war also immer etwas los“, erzählt Gaby Bursa lachend.

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Von
Hans-Peter Sturm
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1978 baute die Familie dann an, um mehr Platz zu haben. Das ist typisch für die gesamte Siedlung, die sich dadurch immer mehr den sich verändernden Anforderungen ihrer Bewohner anpasste. „2018 hat schließlich meine Tochter den Dachstuhl ausgebaut und lebt hier heute samt Enkel.

Wir sind also drei Generationen in exakt dem Haus, mit dem damals alles für uns in der Hardtwaldsiedlung angefangen hat. So machen das viele Bewohner: Die Kinder bauen um und ziehen wieder ein, sodass es immer wieder junge Familien in der Siedlung gibt. Wir sind hier also trotz unserer Geschichte stets auf die Zukunft ausgerichtet“, freut sich Gaby Bursa.

Das merkt man bei einem Rundgang durch die heutige Siedlung.

Die Hardtwaldsiedlung hat ihr eigenes Ortsschild, was mit zur Identitätsstiftung beitragen dürfte. Vor dem Gasthof „Landhof“ befindet sich außerdem ein Hebewerk, das für den Abwasseranschluss wichtig war - bis etwa 1960 gab es in der Siedlung fast nur Plumpsklos. © Benjamin Jungbluth

Autostellplätze statt Schweineställe

Während an vielen Stellen die ursprünglichen Häuser der 50er-Jahre noch gut zu erkennen sind, zeigen sich überall An- und Umbauten. Mit den Jahren wurde der Wohnraum neu aufgeteilt und vergrößert, Gärten und Höfe umgenutzt und an neue Bedürfnisse angepasst. „Ausreichend Stellplätze für mehrere eigene Autos pro Familie waren in den Anfangsjahren der Hardtwaldsiedlung natürlich kein Thema. Heute ist das hingegen bedeutend wichtiger als die Nutzbarkeit des Vorgartens für die Schweinehaltung. Die Zeiten ändern sich eben“, sagt Gaby Bursa.

Gleichzeitig bedient der Gemeindeteil im Süden Oftersheims, der sogar über eigene Ortsschilder verfügt, moderne Ansprüche: Umgeben vom Wald und mit viel Grün auch innerhalb der Siedlung gibt es hier zahlreiche Erholungsmöglichkeiten. Hinzu kommen das Wildgehege, die verschiedenen Sport- und Vereinsangebote sowie die immer noch erstaunlich hohe Gastronomiedichte.

Viele Gebäude in der Siedlung wurden über die Jahre sichtlich umgebaut, erweitert und modernisiert, um den veränderten Ansprüchen und Lebensbedingunjgen Rechnung zu tragen. Dadurch ist der Ortsteil bis heute bei Familien sehr beliebt. © Benjamin Jungbluth

Entsprechend groß ist deshalb die Nachfrage nach einem Haus in der Siedlung, was die Preise in der ohnehin schon überhitzten Region Rhein-Neckar noch weiter antreibt. „Was heute teilweise bezahlt wird, lässt einen schon ein bisschen den Kopf schütteln. Aber anscheinend ist das Angebot bei uns derart gut, dass die Leute dazu bereit sind“, sagt Harry Schreiner, der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft.

Diese trägt zur Attraktivität des Ortsteils bei, sind doch die Aktivitäten auf ihrem weitläufigen und von hohen Bäumen umgebenen Vereinsgelände ein Anziehungspunkt für Besucher aus dem ganzen Ort und der Region. „Neben unserem eigenen Siedlerfest versuchen wir uns für andere Vereine zu öffnen und gemeinsam attraktive Angebote zu bieten, sei es beim Weihnachtsmarkt oder durch andere Feste, für die wir unser Gelände zur Verfügung stellen. Das alles hat dazu geführt, dass wir uns als Siedlergemeinschaft für die Zukunft gut aufstellen konnten“, betont Schreiner.

Grenzen der baulichen Erschließung erreicht

Baulich ist die Hardtwaldsiedlung freilich schon lange an ihre Grenzen gekommen. Die letzte große Erschließung fand bereits 1978/79 statt, als im Bereich Am Kuhbrunnenweg und Waldfrieden noch einmal 31 Grundstücke hinzukamen. Zur Jahrtausendwende entstand dann auf dem ehemaligen Panzerschießstand und späteren Gerätelager der Bundeswehr der Gewerbepark Hardtwald.

Eine weitere Ausdehnung der Wohnbebauung wäre grundsätzlich noch zwischen der Walldorfer Straße und der B 291 möglich: Die dortigen Wiesen und Felder sind im Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands Heidelberg-Mannheim als Entwicklungsfläche ausgewiesen. „Das ist aber schon seit über 20 Jahren immer wieder im Gespräch, getan hat sich da aber nie etwas“, merkt Harry Schreiner an.

Am Eingang in der Hockenheimer Straße zeigt eine große Übersichtskarte, wie deutlich die Hardtwaldsiedlung vom restlichen Oftersheim abgetrennt ist. Die verschiedenen Sportplätze, das Wildgehege, die Waldparkplätze, die Gastronomie und auch der Friedhof sorgen aber für viele Besucher. © Benjamin Jungbluth

Und auch die Gemeinde zeigt sich bei dem Thema zurückhaltend. „Konkrete Überlegungen für eine Umlegung und die Aufstellung eines Bebauungsplanes gibt es aktuell nicht“, heißt es aus dem Rathaus. Denn der längliche Streifen sei mit lediglich zwei Hektar eher klein und verfüge über einen „nicht optimalen Geländeverlauf“. Auch seien durch den inzwischen vorgeschriebenen Lärmschutz und strengere Umweltauflagen hohe Kosten zu erwarten.

Stattdessen liege der Fokus der Gemeindeentwicklung in absehbarer Zeit auf dem Neubaugebiet Stimplin/Obere Hardtlache sowie auf einem sparsamen Umgang mit Flächen durch eine Innenverdichtung im restlichen Ortsgebiet.

Diese inzwischen aus Gründen der Nachhaltigkeit in Mode gekommene Ausnutzung vorhandener Flächen wird in der Hardtwaldsiedlung indes schon seit ihrer offiziellen Gründung vor 75 Jahren praktiziert. Waren es am Anfang noch Schuppen und kleinere Erweiterungen, kamen später Anbauten für Geschäfte oder ganze Familien hinzu. Somit scheint der Oftersheimer Ortsteil bestens für die Zukunft aufgestellt zu sein: Immer wieder im Wandel, aber fest verankert in seiner besonderen Geschichte.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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