400-Meter-Sprinterin

Hannah Mergenthaler aus Oftersheim: eine Frau – zwei Leben

Von 
Michael Wiegand
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Oftersheim. Es ist beeindruckend, wie Hannah Mergenthaler Spitzensport und Studium miteinander zu verbinden versteht. „Sport steht aktuell an erster Stelle, die Uni an zweiter“, sagt die 24-jährige 400-Meter-Sprinterin. Die Oftersheimerin, die vor einigen Monaten sogar an den Olympischen Sommerspielen in Tokyo teilgenommen hat, meistert den Spagat zwischen Training und Hörsaal dabei ohne Manager oder Assistenz – die Familie einmal ausgenommen.

Hannah Mergenthaler

  • Hannah Mergenthaler wurde am 9. März 1997 in Schwetzingen geboren.
  • Die Oftersheimerin hat bei der LG Kurpfalz mit Leichtathletik begonnen und startet mittlerweile für die MTG Mannheim.
  • Mergenthaler hat sich auf den 400-Meter-Sprint spezialisiert. Ihre Bestleistungen liegen in der Halle bei 53,39 und im Freien bei 52,83 Sekunden.
  • Bei der U23-Europameisterschaft 2017 errang die 24-Jährige Bronze mit der 4x400-Meter-Staffel, 2018 folgten bei Deutschen Meisterschaften Einzel-Silber und 2020 Einzel-Bronze in der Halle. mgw

Seit September trainiert Mergenthaler unter Valerij Bauer. „Das Training ist bei ihm intensiver und aufwändiger als ich es gewohnt bin“, bilanziert sie nach den ersten Monaten. In acht Einheiten pro Woche – in Summe ungefähr 18 Stunden – bereitet sich die Spitzenathletin auf die Saison 2022 vor. Im nächsten Jahr stehen unter anderem die EM in München und die WM im US-amerikanischen Eugene an.

Immenser Zeitaufwand

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Zum Trainingspensum kommen bereits jetzt Physiotherapie sowie Regeneration hinzu und auch wenn Mergenthaler bereits seit sieben Jahren auf professionellem Niveau läuft, dadurch schnell erwachsen und selbständig wurde und das Organisieren ihrer Tagesabläufe gelernt hat, ist viel neben dem eigentlichen Sport zu erledigen. Über das Tool „Athlete Central“ der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) muss die Athletin beispielsweise genauestens ihren Aufenthaltsort, die Trainingszeiten und -stätten, wiederkehrende Termine und Übernachtungsorte angeben, damit die NADA jederzeit eine entsprechende Kontrolle vornehmen kann. Die Eintragungen seien leicht vorzunehmen, kosteten aber ebenso Zeit wie Gespräche mit dem Trainer oder die Fahrwege zu den Trainingsorten.

Für einen Profisportler – je nach Disziplin – ein vermeintlich geringer Zeitaufwand, für Mergenthaler aber eigentlich kaum zu leisten. Denn da gibt’s ja noch ihr zweites Leben: das einer Studentin und Vertretungslehrerin.

Hannah Mergenthaler möchte Grundschullehrerin werden und arbeitet seit März bereits als sogenannte „Unterricht plus“-Kraft, also Vertretungslehrerin an der Viernheimer Friedrich-Fröbel-Schule. Das Konzept in Hessen und Rheinland-Pfalz greift auf Lehrkräfte zurück, die auf Abruf bereitstehen, sollten Vollzeitkräfte einmal ausfallen. „Das funktioniert bei mir neben dem Sport sehr gut“, freut sich Mergenthaler, die dadurch an Trainingscamps und Wettkämpfen teilnehmen und auch an zwei Tagen pro Woche zwei Einheiten in ihrem Trainingsplan absolvieren kann.

Sie müsse entsprechend Prioritäten setzen, gibt die junge Oftersheimerin zu bedenken. Verständlich, denn das tägliche Pensum Mergenthalers ist immens. Sie setze sich allerdings nicht unter Druck, weder sportlich noch beruflich. „Wenn man sich als Läuferin zum Beispiel eine bestimmte Zeit als Ziel setzt, sorgt das für unnötigen Druck. Mein Ziel ist es vielmehr, so gut wie möglich zu trainieren.“ Entsprechend könne dann bei Wettkämpfen eine gute Leistung abgerufen werden. „Das halte ich für den besseren Weg.“

„Im Moment bleiben“

Man müsse stets im Moment bleiben, sich auf Dinge konzentrieren und das große Ganze sehen. So möchte sich Hannah Mergenthaler in den nächsten Wochen viel Zeit für sich selbst nehmen. „Ich habe da einen guten Weg gefunden, wie ich am besten regenerieren kann“, erklärt sie. Pünktlich ins Bett gehen, genügend schlafen und gesund kochen, zählt sie auf. „Mir ist bewusst, dass mein Körper mein Arbeitswerkzeug ist.“

Zur Regeneration gehören neben der klassischen Physiotherapie daher unter anderem auch viel Yoga, das sich Mergenthaler gerne bei Yogalehrerin, Youtuberin und Bloggerin Mady Morrison abschaut, Meditation und eine Verbannung der besonderen Art. „Das Handy hat nachts nichts im Schlafzimmer zu suchen!“ Stattdessen liest die 24-Jährige lieber – von Romanen über Sachbücher bis hin zu Lehrbüchern ist alles dabei. „,Schnelles Denken, langsames Denken’ von Daniel Kahneman wurde beispielsweise von der Uni empfohlen. Ich hätte mich aber sowieso dafür interessiert.“

Dass sie als Kind wenig Fernsehen habe sehen dürfen – „Außer Sport, den durften mein Bruder Nicholas und ich so lange schauen wie wir wollten“, ergänzt sie schmunzelnd – habe sie geprägt, so Mergenthaler, die heute eher Musik und Podcasts anhört. „Musik nur im Auto und Podcasts wie ,Hotel Matze, oder ,Betreutes Fühlen’ und ,Baywatch Berlin’. Im Fernsehen gerne Handball.“

Immer wieder tauchen in der Play- und Bücherliste Mergenthalers Titel auf, die darauf schließen lassen, dass die eigene Weiterentwicklung und -bildung von außerordentlicher Wichtigkeit für sie ist.

Egoistisch? Keineswegs! Lehrerin habe sie werden wollen, um es Schülern einfacher zu machen, mit Spaß etwas zu lernen. Anders als sie es selbst erlebt habe. „Man sollte Kinder so annehmen, wie sie sind und sie auf ihren individuellen Stand fördern“, gibt sie zu bedenken. „Auch wenn ich einen Schüler nur eine oder zwei Stunden pro Woche sehe, kann ich als Lehrerin bereits viel bewirken. Und es bereitet mir große Freude, wenn ich zumindest kleine Erfolge in der Entwicklung der Kinder sehe. Auch, wenn es um die Vermittlung von Werten geht. Das Lesen einer Geschichte über St. Martin kann den Wert des Teilens einfach und unterhaltsam vermitteln.“

Die Sache mit dem Schienbein

Für Kinder habe sich ihre Tochter bereits früh eingesetzt, erzählen Mergenthalers Eltern Susi und Martin. Hannahs Mutter fordert lachend im Vorbeigehen „Erzähl’ vom Schienbein“, darüber zu berichten, wie die kleine Hannah dem Arzt einen Tritt vor’s Schienbein gegeben hat, als dieser ihrem Bruder eine Spritze geben wollte. „Sie hat Nick auch im Kindergarten immer ,beschützt’.“

Die Familie ist für Hannah Mergenthaler äußerst wichtig. Nicht nur Eltern und Bruder, sondern auch die Großeltern Johanna und Walter, bei denen sie zumindest einmal pro Woche isst – zum Beispiel in der Mittagspause zwischen den Trainingseinheiten dienstags und donnerstags. „Ich darf mir dann immer etwas wünschen. Meistens Gemüseplatte oder Wokgemüse mit Hähnchenfleisch.“

Als „ziemlicher Familienmensch“ freue sie sich über die Unterstützung ihrer Eltern. Vieles, das neben dem Sport anfalle – Verwaltung, Verträge, Steuern – erledige ihr Vater. „Er hängt sich da sehr ’rein, sodass ich meine Energie bündeln kann“, bedankt sie sich indirekt.

Energie tankt Hannah Mergenthaler auf unterschiedlichste Weise. Bei ihren Großeltern habe es nach Olympia eine große Gartenparty gegeben. „Da habe ich viele schöne Momente gesammelt.“ Auch ihre Freunde geben ihr Rückhalt, sodass Treffen immer einem Heimkommen gleichkämen. Das Geschenk an sich selbst – einen ruhigen Dezember – nutze sie auch, um Freunde zu treffen, die in der Advents- und Weihnachtszeit ihre Familien besuchten.

Mergenthaler ernährt sich sehr gesund. „Dabei ist es cool, Neues auszuprobieren, sonst kommt zu oft Standard auf den Tisch“, erklärt sie. Derzeit kocht sie Gerichte von „Heavenlynn Healthy“ nach, die sie sich online aussucht. Lieblingsgericht seien allerdings die Hirsebratlinge mit Fenchel-Dattel-Salat à la Mama.

Als Leistungssportlerin müsse sie auch im Bereich Ernährung organisiert sein. Entsprechend plant Hannah Mergenthaler auch ihre Einkäufe nicht selten für die komplette Woche. Viele Zutaten kauft sie in der Nähe ihres Elternhauses im Hofladen des Spargel- und Melonenhofes Gieser ein. Nicht selten werde hier der fast komplette Wocheneinkauf vorgenommen, so Mergenthaler.

Um gut über den Winter zu kommen, setzt die Oftersheimerin neben gesundem Essen auch auf Ingwer in heißem Wasser – und einmal wöchentlich Sauna. „Beides ist immerhin gut gegen Erkältungen.“

Der für Mergenthaler ruhige Dezember hat mit einem Frühstück mit Freundin Lena begonnen. Ausschließlich mit gesunden Zutaten und appetitlich angerichtet. Auch das Frühstück dürfte zu einem schönen Moment geworden sein.

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