Oftersheim. Den im Jahr 1968 geborenen Markus Gastl in Sachen Gartenkultur einen Überzeugungstäter zu nennen, greift wahrscheinlich schon zu kurz. Der Mann hat sich mit Haut und Haar der Renaturierung von Gärten verschrieben. Das einzige Kriterium für ihn: „Wenn man das Leben sieht, hört und riecht, ist es ein guter Garten.“ Und „gut“ heißt für ihn vor allem artenreich in Fauna und Flora.
Geprägt hat ihn dabei unter anderem eine Reise mit dem Fahrrad über die Panamericana von Feuerland im Süden des Kontinents bis nach Alaska ganz im Norden. 42 000 Kilometer in dreieinhalb Jahre und am Ende spürte Gastl das, was Alexander von Humboldt vor über 200 Jahren während seiner amerikanischen Forschungsreisen aufschrieb, geradezu körperlich. „Alles hängt mit allem zusammenhängt und wir sind Teil dieser unendlich vernetzten Welt.“ Das gilt im Großen rund um den Erdball, aber eben auch im Kleinen im eigenen Garten oder dem Balkon. Und man stelle sich vor, die Gärten und Balkone im Land wären allesamt echte Habitate fürs Leben. Es braucht nicht viel, es braucht viele.
Im Interview mit dieser Zeitung gibt Gastl Einblicke in seine Auffassung einer lebendigen Gartenkultur.
Was ist ein Garten für Sie?
Markus Gastl: Für mich ist ein Garten ein Lebensraum, ein Stück Land, das mir oder einem anderen Menschen für seine Lebenszeit anvertraut ist. In einem Garten kann ich ein Paradies schaffen für die Natur und mich selbst. Sechs Hauptthemen sind mir dabei wichtig: Vielfalt, Schönheit, Nutzen, Kreislauf, Nachhaltigkeit und Kreativität. Das Ganze heißt dann „Hortus“ – Latein für „Garten“.
Warum treibt Sie das mit den Gärten so um?
Gastl: In jedem Dorf und jeder Stadt sind Gärten. Alle diese Flächen zusammengenommen, entsprechen weit mehr als alle Naturschutzgebiete in Deutschland an Fläche aufweisen. Hier ist ein unglaubliches Potenzial, das leider in keiner Weise genutzt wird. Die meisten Gärten sind optisch und ökologisch tot. Es sind statische Gebilde, die Jahrzehnte lang gleich aussehen sollen.
Sie kamen vor genau 20 Jahren ans Ziel einer sehr langen Fahrrad-Reise von Feuerland, der Südspitze Südamerikas, bis nach Alaska, ganz im Norden Nordamerikas. Was ist ihre stärkste Erinnerung an diese Zehntausende Kilometer lange und zweieinhalb Jahre währende Reise?
Gastl: Es gibt viele Erinnerungen. Sie zirkeln um Begriffe wie Landschaften, Tiere und Begegnungen mit Menschen und deren Gastfreundschaft. Reisen mit dem Rad ist immer volles „Dortsein“ im Jetzt. Die dünne Haut des Zeltes gibt zwar Sicherheit, aber auch eine unglaubliche Freiheit. Regen, Schnee oder Sturm bekommen eine komplett andere Bedeutung.
Warum sind Gärten gerade heute wichtig?
Gastl: Durch die Flurbereinigung im Besonderen und der Ausbreitung des Menschen im Allgemeinen wird und wurde sehr viel an Natur, Heimat, Leben und Kultur vernichtet. Es ist eigentlich unsere eigene Identität, die aktuell verschwindet oder sich ins „Bauernhof-Museum“ rettet. Jeder kann auf seinem eigenen Grund und Boden zum Erhalt dieser Dinge beitragen.
Vortrag im Bürgerhaus
- Markus Gastl kommt am Dienstag, 12. September, nach Oftersheim und hält im Bürgersaal einen Vortrag
- Thema ist naturnahes Gärtnern anhand des Drei-Zonen-Modells
- Eintrittskarten gibt es ab sofort für acht Euro bei der Gemeindebücherei
- Eine Reservierung von Eintrittskarten ist unter Telefon 06202/ 59 71 55 möglich.
Sie sprechen von den drei Zonen eines Gartens, was heißt das?
Gastl: Das Modell der „Drei Zonen“ habe ich entwickelt, um für Interessierte Anleitungen zu geben, eine Fläche im Sinne eines „Hortus“ zu gestalten. Die Pufferzone umgibt den Garten und schützt nach außen. Die Hotspot-Zone ermöglicht Vielfalt an Blüten und Insekten. Die Ertragszone garantiert reiche Ernten. Durch einen Nährstoffkreislauf verbunden werden Abfuhr von Material oder Einfuhr von Ressourcen überflüssig.
Machen gut konzipierte Gärten für die Artenvielfalt wirklich einen Unterschied?
Gastl: Das steht außer Frage. Stellen Sie sich einfach mit geschlossenen Augen auf einen sogenannten „englischen Rasen“ mit Buchsbaumkugeln garniert und lauschen Sie in den Raum. Sie werden nichts hören, sie werden nichts riechen, sie werde im Grunde genommen nichts spüren. Wenn Sie verstanden haben, um was es geht, können Sie ihre Augen wieder öffnen. Gehen Sie jetzt in einen „Hortus“ und wiederholen Sie das Experiment.
Ist der Artenschwund noch aufzuhalten? Wie müsste gegengesteuert werden?
Gastl: Im Grunde genommen braucht es dafür nur eines: Einsicht, dass der Mensch ohne die Natur letztendlich nicht wird überleben können. Daraus muss kollektives Handeln folgen. Ob dies gelingt, wird sich zeigen. Jeder Einzelne, der beginnt zu handeln, kann viel erreichen.
Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft?
Gastl: Nein. Denn ich lebe im Jetzt und dieses Jetzt ist noch immer lebendig. Was sein wird in Zukunft, weiß ich nicht. Vielleicht werden wir von Außerirdischen abgeholt und gerettet. (lacht)
Soll man in einem Garten die Natur machen lassen oder soll und muss der Mensch eingreifen?
Gastl: Ein Garten ist keine wilde Natur, sondern durch die Tätigkeit des Menschen entstanden. Von alleine kann ein Garten sich selbst nicht erhalten. Dazu ist ein Garten zu kurzfristig und zu klein. Der Mensch kann aber in einem Garten viel lernen über sich selbst und die Gesetzmäßigkeiten der Natur. Ein wichtiges Gesetz der Natur ist „Fressen und gefressen werden“.
Warum ist dies so wichtig?
Gastl: Weil es ein wichtiges Eingangstor zum Verständnis von Natur ist. Die Natur ist ein Kreislauf, alles wird ständig wiederverwertet. Und das geschieht nun einmal größtenteils über das Prinzip „Fressen und gefressen werden“. Leider wird dieses grundlegende Gesetz der Natur aus einer verqueren Gut-und-Böse-Logik zunehmend verdrängt. Die Natur wird verklärt und damit verlieren wir die Natur um uns und in uns.
Wer wieder mehr Natur in seinen Garten lassen will: Was ist zu tun?
Gastl: Sich entspannen und von Ängsten freimachen. Wahrnehmen und sich am Leben freuen. Verstehen, dass Ordnung, Sauberkeit und Sterilität keine göttlichen Gestaltungsprinzipien sind.
Was macht es mit Ihnen, wenn Sie einen schönen Garten sehen?
Gastl: Ein lebendiger Garten lässt einen lebendigen Gärtner vermuten. Es ist ein Lichtblick in der Siedlung und Hoffnung, dass es die kommenden Jahrzehnte nicht so weitergehen muss wie in den vergangenen.
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