Impfung

Oftersheimer Hausarztpraxen sind am Limit

Von 
Isabel Schönfelder
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Viele hätten gern in ihrem Impfpass die Aufkleber, die eine Covid-19-Impfung bescheinigen. In den Arztpraxen quellen die Wartelisten über. © dpa

Oftersheim. Ein Hoffnungsschimmer für Impfwillige: Seit Montag darf sich jeder in Hausarztpraxen mit allen zugelassenen Impfstoffen gegen Covid-19 impfen lassen. Es gibt keine Impfpriorisierung mehr bei Hausärzten in Baden-Württemberg und ab 7. Juni folgt die bundesweite Priorisierungsaufhebung. So weit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie ist die Situation in den Oftersheimer Arztpraxen?

„Unsere Wartelisten schnellen schlagartig in die Höhe, der hohe Verwaltungsaufwand ist für das Team kaum noch machbar. Das E-Mail-Aufkommen und die Telefonanrufe sind enorm und bringen uns an unsere Grenzen“, erklärt der Allgemeinmediziner Dr. Martin Schmitt am Telefon. In seiner Corona-Schwerpunkt-Praxis hat der Ansturm, der bereits nach der Öffnung für den Astrazeneca-Impfstoff groß war, noch mal zugenommen. Vermehrt klagen Patienten: Am Telefon sei ein Durchkommen aufgrund so vieler Nachfragen kaum möglich. „Pro Woche wollen um die 300 bis 400 Leute eine Impfung bekommen, wir bekommen diese Woche allerdings nur um die 120 Dosen Biontech und 80 Astrazeneca. Davon sind außerdem viele Dosen bereits für Zweitimpfungen reserviert“, schildert Dr. Schmitt. Der Hausärzteverband Baden-Württemberg forderte nicht umsonst eine verstärkte Zulieferung an Impfdosen für Praxen. Jeden Donnerstag wird die Praxis informiert, wie viel Impfstoff in der kommenden Woche geliefert werden kann. Dadurch können aktuell kaum Prognosen gestellt werden, wie schnell das Impfen in der Hausarztpraxis vorangehen wird und auf wie viel Wartezeit sich Patienten einstellen müssen.

Der schlagartige Andrang ließe sich kaum vermeiden und sei grundsätzlich auch ein gutes Zeichen zur Impfbereitschaft, erklärt der Allgemeinmediziner. Parallel zu den Erleichterungen für Geimpfte steige auch die Motivation, sich das Vakzin spritzen zu lassen. Ein potenzieller Ausweg sei höchstens, die Anfragen per E-Mail statt telefonisch zu äußern, um die Leitungen zu entlasten. „Ich würde den Leuten auch empfehlen, zweigleisig zu fahren und sich parallel auf unsere Warteliste und die eines Impfzentrums setzen zu lassen – sofern man dazu berechtigt ist. Ich finde es völlig okay, wenn die Patienten dann im Vorhinein anrufen und den Termin bei uns rechtzeitig wieder absagen“, rät Dr. Schmitt.

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Es kämen nun vor allem viele Jüngere auf die Praxis zu, was es dahingehend problematisch mache, da die Praxen sowieso schon am Limit seien: „Für uns hätte es die komplette Öffnung noch nicht unbedingt gebraucht, da wir nicht die Situation haben, viel Impfstoff übrigzuhaben. Im Gegenteil: Der Bedarf war die ganze Zeit höher, als was wir geliefert bekommen haben.“ Die Gründe, dass Impfstoff übrigbliebe, lägen wenn überhaupt am schlechten Ruf von Astrazeneca, aber nicht an der mangelnden Impfbereitschaft, meint Dr. Martin Schmitt. Der mRNA-Impfstoff sei insbesondere gefragt. Wenn Patienten die Wahl hätten, entschiede sich die Mehrheit für Biontech-Impfstoff.

Warteliste mit 24 Seiten

Einen Wartelisten-Stopp gibt es seit Montag in der gynäkologischen Praxis Dr. Susanne Laupichler. Hier kann sich also vorerst niemand mehr auf die Warteliste für die Impfung eintragen. Denn auch hier laufen die Leitungen heiß, erklärt die medizinische Fachangestellte Sabrina Koch: „Bei uns klingelt ununterbrochen das Telefon und auch per SMS kommen viele Anfragen. Der Andrang ist schon die ganze Zeit so hoch und wir müssen das als Praxis ja auch stemmen können. Wir haben jetzt eine 24-seitige Impfliste und es wird ja nur noch länger.“ Die bereits eingetragenen Patienten müssten jetzt zuerst behandelt werden, bevor neue Impfwillige angenommen werden können. Die Frauenarztpraxis informiert auf ihrer Internetseite über das Vorgehen bei Interesse einer Impfung – sobald die Warteliste wieder geöffnet wird. Die Eintragung erfolgt per SMS an die Nummer 0160/95 14 03 11 mit Angabe aller notwenigen Informationen. Erst wenn genug Impfstoff vorhanden ist, werden die Patienten zwecks Terminvereinbarung und Beratung kontaktiert. Prognosen, wann das sein wird und auch, wann geimpft werde, könne niemand zurzeit aufstellen. Auch wenn das Team der gynäkologischen Praxis durch den Andrang stark ausgelastet ist, zeigt sich Sabrina Koch optimistisch: „Wir schaffen das schon!“

Zweitimpfungen abarbeiten

Gleiches Bild in der Praxis von Dr. Sascha Wohnsland: Auch hier häufen sich die Anfragen, berichtet die medizinische Fachangestellte Julia Tippl: „Das Telefon klingelt am laufenden Band. Wir haben wahnsinnig viele Anfragen zum Impfen, es ist das Gesprächsthema Nummer eins.“ Momentan gebe es nicht genügend Impfstoff – außer Astrazeneca. Davon gebe es zwar genügend, „doch viele lehnen den Impfstoff ab“, meint Tippl. Die meisten würden sich für Biontech interessieren, da dieser wissenschaftlichen Aussagen zufolge einen höheren Schutz biete als Astrazeneca.

Tippl rät den Impfwilligen, sich trotz der Wartezeit schon mal bei der Hausarztpraxis zu melden und auf die Warteliste einzutragen. Gerade bei jungen Menschen ohne Priorisierung könne es allerdings noch Wochen oder Monate dauern, bis sie Biontech geimpft bekommen könnten. Wie lange genau, ließe sich schwer sagen. Auch hier tritt das Problem wie bei der Praxis Dr. Schmitt auf: die Zweitimpfungen. In dieser Woche erhielt die Praxis nämlich nur Dosen für die Zweitimpfung und komme damit mit dem Erstimpfen gar nicht hinterher. „Wir haben noch viele Patienten mit Priorisierung, die vorher geimpft werden müssen und Biontech wollen“, erklärt die medizinische Fachangestellte. Bis also wirklich alle drankommen, wird es noch dauern.

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