Austausch

Vielen Künstlern bleibt nur der Gang in Hartz IV

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Trotz angespannter Lage hat Musiker Athi Sananikone glücklicherweise sein Lachen noch nicht verloren. Doch die Pandemie setzt ihm wie vielen Künstlern zu. © privat

Ob sich die Kulturszene und insbesondere die Musikszene im Raum Schwetzingen nach Corona wieder erholen wird, steht in den Sternen. Das wurde durch die Ausführungen von Athi Sananikone deutlich. Der Musiker berichtete bei der jüngsten Ortsverbandsversammlung der Schwetzinger Grünen von der aktuellen Lage der Musiker in der Stadt, heißt es in einer Pressemitteilung.

„Während im Sommer 2020 noch der eine oder andere Auftritt oder ein paar Engagements möglich waren, so ist derzeit die Ausübung einer musikalischen Tätigkeit schlicht nicht machbar“, berichtete Athi Sananikone. Generell seien die Aussichten für den Sommer 2021 viel weniger positiv, als man bisher hoffte. „Verschobene Aufträge aus dem Vorjahr werden nur zögerlich angegangen oder doch noch abgesagt“, erzählt Sananikone. Durch die Planungsunsicherheit der Veranstalter kämen auch generell viel weniger Anfragen herein. Und selbst bei den wenigen Auftritten bleibt den Künstlern ein schaler Nachgeschmack. Sananikone: „Es schwingt immer die Angst mit, selbst infiziert zu werden und dann für weitere Aufträge auszufallen oder gar Teil eines Superspreader-Events zu werden.“

Große Lücken in der Kasse

Wie sich diese Situation ganz konkret auf ihre Existenz auswirkt, dazu hatte Athi Sananikone zuvor sowohl Musikerkollegen im Voll- als auch im Nebenerwerb befragt. „Beim ersten Lockdown konnten die Soforthilfen die Monate März bis Mai 2020 finanziell abfedern“, berichtete er von Rückmeldungen. Anders habe dies dann später ausgesehen: Zunächst einmal konnten nun nur noch Steuerberater die Anträge für die darauffolgenden Überbrückungshilfen stellen – die natürlich die Künstler bezahlen mussten. Außerdem wurde nun eine Auszahlung zu einem bestimmten Grad an Umsatzverlust gekoppelt. „Dementsprechend wurde den Anträgen nicht immer stattgegeben“, so Sananikone.

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Fatal wirkte sich für viele schließlich aus, dass auch noch die Laufzeiten zwischen Antragstellung, Genehmigung und schließlich Auszahlung der Gelder stark variierten. „Es ergaben sich mitunter große Lücken und manche Kollegen waren gezwungen, Hartz IV zu beantragen“, wusste Sananikone zu berichten. Andere hatten mehr Glück und fanden die Möglichkeit, auf mehr Studioarbeit oder Musikunterricht auszuweichen. „Dies war aber leider – mangels Qualifikationen oder Ressourcen – nicht für jeden machbar“, so Sananikone weiter. Einige hätten immerhin vorübergehend die Branche wechseln können und arbeiten jetzt im Bau, als Fahrer oder in der Pharmaindustrie.

Vernetzung Gold wert

Die Reaktion innerhalb der Gruppe der Kulturschaffenden auf die prekäre Lage sei unterschiedlich, so Athi Sananikone. Die Künstler rückten teils aneinander, andererseits drifteten sie auseinander – insbesondere auf der einen Seite diejenigen, die von der Kunst leben müssen, und auf der anderen Seite diejenigen, die noch ein anderes Standbein haben. „Die Organisationsstruktur der Künstler ist schlecht, jeder steht allein. Zum Beispiel gibt es keine Organisation, die Spenden gleichmäßig verteilt“, erklärte Sananikone.

Wie wichtig die Vernetzung der Künstler vor Ort ist, darauf ging der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Schwetzinger Gemeinderat, Professor Josef Walch ein. Er war 2007 Mitbegründer der Künstlerinitiative Schwetzingen KIS. Mehr als 30 Ausstellungen seien seitdem organisiert worden. „Ohne eine enge Vernetzung untereinander hätten wir das nie leisten können“, betonte Walch. Er erklärte in diesem Zusammenhang aber auch, dass es für Kulturschaffende in Schwetzingen unabhängig von Corona an Räumen mangele. Hier hofft er auf das sanierte und umgebaute Rothackersche Haus, das sowohl Musikern als auch bildenden Künstlern neue Raumangebot schaffen soll.

Ein ganz anderes Problem hob der ehemalige kulturpolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Manfred Kern, hervor: „Die von Athi angesprochene Aufnahme eines nichtkünstlerischen Jobs für den Lebensunterhalt hat fatale Folgen. Denn zahlreiche Künstlern fliegen aus der Künstlersozialkasse und müssen in der Folge die doppelten Beiträge für Kranken- und Rentenversicherung zahlen. Die Grünen im Bundestag hatten hierzu eine Gesetzesänderung beantragt, die aber von CDU und SPD abgelehnt wurde.

Forderung nach Grundeinkommen

Viele hoffen jetzt, dass das von mir seit Jahren geforderte Künstler Grundeinkommen in das Wahlprogramm der Grünen aufgenommen wird, sodass nach der Bundestagswahl die Chance besteht, endlich die Kunstfreiheit gesetzlich abzusichern, indem die Abhängigkeit der Kunstschaffenden von Mäzenatentum und Auftragskunst beendet wird.“

Auch für Dr. Andre Baumann, neuer Staatssekretär im Umweltministerium des Landes, steht fest: „Die Corona-Maßnahmen haben Künstlerinnen und Künstler besonders hart getroffen.“ Insofern sei er froh, dass das Land Baden-Württemberg nach wie vor das Bundesland sei, das Kunstschaffende am besten unterstütze, erklärte der Staatssekretär und hiesige Landtagsabgeordnete. Und das bleibe auch der Anspruch für die nächsten Monate: Das Land habe einen „Masterplan Kultur BW – Kunst trotz Abstand“ aufgelegt und finanzielle Hilfen für Soloselbstständige, Freischaffende, Einrichtungen und Betriebe geschaffen.

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