Glaube

Oftersheimer Pfarrer Tobias Habicht verlässt Gemeinde

Nach einem „ruckeligen Start“ folgt nach sechs Jahren der Abschied: Der Oftersheimer Pfarrer Tobias Habicht kehrt nach vielen Brüchen Ende August der evangelischen Gemeinde den Rücken.

Von 
Connie Lorenz-Aichele
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Tobias Habicht. © Ralf Lackner

Oftersheim. Im Gottesdienst hat er es schon verkündet, im nächsten Gemeindebrief werden es die Kirchenmitglieder dann auch ganz offiziell erfahren, was schon angekündigt und durchgesickert war: Pfarrer Tobias Habicht verlässt die Gemeinde, er hat seine Pfarrstelle zum 31. August gekündigt. Wir haben ihn zwischen Kisten packen und Kinder in die Ferien bringen, Kartons und Stapeln zu Hause besucht. Er wirkt erschöpft und etwas gestresst. Dennoch hat er sich gefreut auf den Termin, man spürt, dass er gerne über die Gründe sprechen möchte, wieso er den Entschluss gefasst hat, zu gehen.

Herausforderungen auch gesundheitlicher Art

Es seien „intensive Jahre gewesen“, so beginnt er seine Erklärung. Auch Corona ist gleich ein großes Thema. Das habe ihm als neuem Pfarrer viel abverlangt. „Ein normales Gemeindeleben war nicht möglich, ich habe vieles probiert: Online-Gottesdienste, E-Mails an die Gläubigen, Telefonate, Gartenzaunbesuche und Gemeindebriefe.“ Aber eine richtige Kontaktaufnahme mit direktem Kontakt sei in dieser Zeit der Einarbeitung und des eigentlichen Kennenlernens der Gemeindemitglieder eben nicht möglich gewesen. Und auch die Zusammenarbeit mit dem 2022 eingestellten zweiten Pfarrer, Simon Layer, sei zu Beginn „ruckelig“ gewesen. Das Bewerbungsgespräch sei digital abgelaufen, weil Simon Layer zu der Zeit an Corona erkrankt war. „Wir hatten keinen gelungenen Start“, so Habicht. „Als er anfing, hatte ich Urlaub, dann war Simon Layer in Elternzeit und danach hatte ich eine OP aufgrund eines Hirntumors.“ Der Start sei also alles andere als einfach gewesen, es fehlte der direkte Austausch, sowohl zwischen den Kollegen als auch zu den Gemeindemitgliedern.

Dies kann sein Kollege, Dr. Simon Layer, bestätigen. „Wir beiden haben verschiedene Verständnisse von Kommunikation, Gottesdiensten oder Mitarbeiterführung. Das haben wir allerdings durch ‚Paartherapie‘, wie ich unsere Supervision gerne genannt habe, gut in den Griff bekommen und konnten uns in danach im unterschiedlichen Amtsprofil und -verständnis jeweils stehen lassen.“ Er beschreibt seinen Kollegen Habicht als strukturierten Menschen, der nach einem konservativen Verständnis sein Amt ausführte. Das kam nicht bei allen gleich gut an. Dennoch habe Habicht durchaus eine „Fanbase“ gehabt, die ihn und etwa seine Art zu predigen, mochten. „Es gab keine Indifferenz, sondern zwei klare Lager“. Layer kann sich gut vorstellen, dass „wir erst noch merken werden, was wir mit ihm verlieren – gerade an Schaffens- und Arbeitskraft“, glaubt er. Ein Weggang bedeutet auch immer Raum für etwas Neues – und das gilt immer auf beiden Seiten.

Konflikte und Umbrüche in der Gemeindearbeit

„Simon Layer und ich haben intensiv daran gearbeitet, nach einem Cut konnten wir in großer Offenheit und Transparenz ein gutes Miteinander finden“, sagt Habicht im Gespräch. Es habe in seiner Zeit viele Umbrüche und Abbrüche gegeben. „Das Studium lehrt uns ein Gemeindeleben in Optimalversion – das weicht im echten Leben doch sehr davon ab, es war eher ein ‚learning by doing‘“, so Habicht. Er hatte auf einmal 60 Mitarbeitende, viele Themen prasselten auf ihn ein. „Kindergarten war gleich zu Beginn schon mein wichtigster Schwerpunkt.“ Und genau da hat es dann auch relativ schnell zum ersten Mal in seiner Amtszeit gekracht.

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„Ich habe Nachholbedarf gesehen und auch ein paar Leichen im Keller entdeckt.“ Welche das genau waren, will er im Gespräch nicht offenlegen, nur so viel: „Ich sah Nachholbedarf bei der pädagogischen Arbeit in einer der drei Einrichtungen und man hat bei der Umsetzung eines evangelischen Profils sicher auch nicht alles richtig gemacht“, sagt er. Es habe große Verletzungen gegeben, die schließlich auch zu Kündigungen geführt haben. „Es gab Gesprächsangebote, die nicht wahrgenommen wurden“ – so erklärt er sich die Krise, die dann entstand. „Das Ganze hat Nachwirkungen bis heute, ich werde von manchen Menschen hier in Oftersheim nicht mehr gegrüßt“, bedauert der Pfarrer.

Entscheidende Maßnahmen und deren Folgen für die Gemeinde in Oftersheim

In eine ähnlich missliche Lage brachte ihn die Entscheidung, den Vertrag des lang gedienten und beliebten Chorleiters Roland Ruhland nicht zu verlängern. Das sorgte für Empörung und drastische Schritte wie Kirchenaustritte in der Gemeinde. Die Entscheidung sei allerdings nicht von ihm (allein) getroffen wurde, das hätten insgesamt 13 Kirchengemeinderäte entschieden. Es seien insgesamt für ihn „heftige Zeiten“ gewesen, er hätte neben etwa 70 Prozent Verwaltungstätigkeiten nur noch wenig Zeit für pastorales Arbeiten gehabt. „Ich wollte einen Kulturwandel, statt dessen gab es Grenzüberschreitungen.“ Sein Erleben sei gewesen, dass es zu wenige Möglichkeiten für ihn gab, offen über die Probleme zu sprechen, es hätten sich Menschen „aus der Verantwortung gezogen“. „Ich spreche es ganz offen an, ich habe mich sogar im vergangenen Jahr bei der Thomaskirche in Leipzig auf eine offene Stelle beworben“, berichtet Habicht.

„Es fehlte einfach an Transparenz – auf beiden Seiten. Und es gab, gerade nach Corona, eine riesengroße Erwartungshaltung bei den Menschen.“ So wurde von ihm als Pfarrer einiges verlangt, er spricht von unzähligen „Sonderwünschen“ bei Taufen, Hochzeiten und Bestattungen. Die „starken Forderungen“ hätten ihm zu schaffen gemacht. So sei der Entschluss gereift, die Kündigung einzureichen und sich direkt im Anschluss in eine Maßnahme in einem Therapiezentrum für Pfarrer zu begeben, das laut Website anbietet, „auf Zeit aus einem konfliktbeladenen Umfeld auszusteigen um belastende berufliche und familiäre Probleme zu bearbeiten“.

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