Oftersheim. Es sind Schlager für die Ewigkeit, die damals bei der Universum Film AG, kurz UFA genannt, entstanden – eine der ältesten Filmfirmen in Europa. Damals entstanden die ersten Ton- und Farbfilme und auch die Karrieren von nach dem Krieg beliebten Stars wie Heinz Rühmann, Hans Albers, Marlene Dietrich oder Zarah Leander wurden geboren. Auf Einladung von Seniorennachmittagsleiterin Maria Gramlich von der katholischen Gemeinde hielt die Musikwissenschaftlerin und Germanistin Dr. Anja Pohsner am Mittwoch einen spannenden Vortrag im Josefshaus voller Informationen, Gedichten und von ihr gesungenen und am Klavier gespielten Hits von einst, die zum Teil noch 90 Jahre nach ihrer Veröffentlichung bekannt sind.
Trotz hochsommerlicher Temperaturen waren die Plätze im Josefshaus gut besetzt. Es sei eine ganz besondere Zeit gewesen damals, hieß es von einigen. Nicht umsonst lautete der Titel des Vortrags „Tanz auf dem Vulkan“ – nach einem UFA-Film mit Gustaf Gründgens in der Hauptrolle, in dem es um den Sturz des französischen Königs Karl X. in den 1820er Jahren in Frankreich geht.
Sänger Gustaf Gründgens trotzt Goebbels und ruft zur Rebellion auf
Gründgens war, wenn er sich auch nie offiziell dazu bekannte, homosexuell, was ihn in der Zeit des Nationalsozialismus in großer Gefahr schweben ließ. Er sang: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ – ein offener Aufruf zur Rebellion. Jedoch habe der begnadete Schauspieler unter dem Schutz von Hermann Göring gestanden und auch wenn Reichspropagandaminister Joseph Goebbels den Filminhalt stark kritisiert habe, wurde er nicht zensiert. Deutlich wurde das damalige Lebensgefühl, das besonders in Berlin zu spüren war, jener Stadt, die für Avantgarde stand wie kaum eine andere. Extreme Armut existierte neben Exzess und Luxus. Beliebte Stars wie Willy Fritsch zusammen mit dem jungen Heinz Rühmann und Oskar Karlweis waren indirekt präsent. Aus ihrem Film „Die Drei von der Tankstelle, 1930, wurde „Ein Freund, ein guter Freund“ gemeinsam gesungen.
Passende Gedichte und Zitate, unter anderem von Eugen Roth, Erich Kästner und Joachim Ringelnatz trug Dr. Pohsner ebenso gekonnt vor wie die meist sehr heiteren Lieder. Beim Hit „Davon geht die Welt nicht unter“ der gebürtigen Schwedin Zarah Leander aus dem Film „Die große Liebe“ von 1942 wurde nicht nur mitgesungen, sondern auch kräftig mitgeschunkelt. Titel wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ der Comedian Harmonists aus dem Jahr 1934 ist bis heute unvergänglich und durfte nicht fehlen.
Eingehend ging die Musikwissenschaftlerin auf die Positionierung der Publikumslieblinge gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern ein. Denn je länger diese an der Macht waren, umso mehr wurde die UFA zur Propagandamaschine umfunktioniert.
Legenden wie Hans Albers und Heinz Rühmann mussten sich von Ehefrauen trennen
So wurden Hans Albers und Heinz Rühmann genötigt, sich von ihren ersten Ehefrauen aufgrund deren jüdischer Wurzeln zu trennen und während Albers sich, vermeintlich geschützt durch seine große Popularität, stets kritisch äußerte, war das bei Rühmann nicht der Fall. Die beliebte ungarndeutsche-österreichische Schauspielerin Marika Rökk schrieb sogar einen Bewunderungsbrief an Adolf Hitler, trotz dessen sie nach dem Krieg rehabilitiert worden sei. Im Gegensatz dazu stand Marlene Dietrich, die direkt am Tag nach der Premiere von „Der blaue Engel“ 1930 dem jüdischen Regisseur Josef von Sternberg nach Hollywood folgte. Mit dem Film gelangte sie zu Weltruhm – und wurde noch in den 60er Jahren als „Volksverräterin“ bei einer Deutschland-Tournee geschnitten.
Abschließend wurde „Kein Schwein ruft mich an“ gesungen, von Max Raabe 1992 veröffentlicht, ein Hit im Stil der damaligen Zeit – ein Zeichen, wie unvergänglich der Musikstil dieser Zeit ist. Christa Rösch aus Oftersheim meinte: „Spannende und teils schockierende Informationen und trotz allem tolle Musik“. Sie ergänzte: „Ich finde toll, dass es solche Veranstaltungen für Senioren gibt. Besonders Max Raabe hat mir gefallen.“ Auch Gerda Franz fand den Nachmittag spannend, die sagte: „Gern komme ich wieder.“
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