Im Interview

Oftersheimer VdK-Vorsitzender: „Geringverdiener gehen leer aus“

Der Ortsvorsitzende Peter Mark erkennt steigende Zahl der von Armut bedrohten Menschen in Oftersheim. In der Gemeinde sieht er in dieser Hinsicht mehrere Baustellen.

Von 
Noah Eschwey
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Für viele ältere Menschen ist die Umstellung auf reine Online-Terminvereinbarungen schwer – wenn sie überhaupt Internetzugang haben. © Christoph Soeder/dpa

Oftersheim. „Wohlstand für alle“ – Das war das politisch motivierte Versprechen, als 1948 im Westen der Republik die soziale Marktwirtschaft eingeführt wurde. Ein System, das Wohlstand freilich noch nie allen garantieren konnte, aber doch einer großen Mehrheit nutzen sollte, die dann Übriggebliebene mittragen würde – so die Theorie. Doch was ist, wenn der Zahn der Zeit das Soziale in der Marktwirtschaft zerkaut und 75 Jahre später in eine andere Gesellschaft spuckt? Eine Antwort könnten diejenigen liefern, die sich das Wohlergehen derer auf die Fahne geschrieben haben, die sich – zumindest finanziell – nicht auf der Sonnenseite des Lebens wiederfinden.

Perter Mark vom VDK bei seiner Ansprache © Ralf Lackner

In Oftersheim versuchen die Ehrenamtlichen des Sozialverbands VdK Lösungen für Hilfsbedürftige zu finden. Der VdK-Ortsvorsitzende Peter Mark (kleines Bild) stellt sich den Fragen unserer Zeitung angesichts der krisenreichen Zeit.

Herr Mark, die Zahl der von Armut bedrohten Menschen steigt aktuell. Spüren Sie diese Entwicklung auch in Oftersheim?

Peter Mark: Ja!

Welche Bevölkerungsgruppen benötigen Ihrer Erfahrung nach in der heutigen Zeit besonders viel Hilfe?

Mark: Geringverdiener, Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können. Menschen, die ein Handicap haben. Sie können in vielen Dingen nicht teilhaben! Jemand, der keinen PC mit Internet hat kann auch keinen Online-Antrag stellen. Mittlerweile gibt es Hausärzte, bei welchen man nur noch über ein Onlineportal Termine machen kann. Auch bei uns in Oftersheim könnte die Gemeinde einiges tun, damit Menschen mit Handicap oder Sehbehinderung sicher über die Gehwege laufen können. So sind zum Beispiel noch längst nicht alle Bushaltestellen barrierefrei, obwohl es sogar das Gesetz verlangt.

Wie kann der VdK-Ortsverband die Betroffenen in Oftersheim unterstützen?

Mark: Der VdK vertritt die Menschen vor dem Sozialgericht. Leider werden viele Anträge erst einmal abgelehnt, auch wenn sie berechtigt sind. Hier können die Anwälte des VdK-Sozialrechtsschutzes helfen.

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Für wen, der vielleicht bisher nichts von Ihrer Arbeit weiß, lohnt es sich denn, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen?

Mark: Sehr viele Menschen, die erkranken oder Pflege brauchen, sind mit der Bürokratie, den Anträgen, die sie stellen müssen, völlig überfordert. Der VdK zeigt, wo man welche Hilfe bekommt, unter anderem Patientenberatung, Wegweiser durch das Gesundheitssystem, Pflege, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und auch Wohnberatung.

Wie entwickelt sich Ihre Mitgliederzahl?

Mark: Aktuell steigt unsere Mitgliederzahl stärker als in den vergangenen Jahren. Das freut uns natürlich, leider ist es jedoch ein Indiz dafür, dass mehr Menschen unsere Unterstützung brauchen. Aktuell hat unser Ortsverband 336 Mitglieder.

Spüren Sie bei Ihrer Arbeit als VdK-Ortsverband denn immer noch Auswirkungen der Corona-Pandemie?

Mark: Ganz speziell von der Corona-Pandemie nicht mehr.

Wie verkraften die Menschen in Oftersheim, die sich an Sie wenden, die Inflation?

Mark: Ich hatte einen Anruf von einem älteren Ehepaar, langjährige VdK-Mitglieder. Sie haben mir glaubhaft versichert, dass sie sich den Mitgliedsbeitrag für den VdK nicht mehr leisten können, 108 € für beide pro Jahr. Das hat mich betroffen gemacht.

Gibt es Ihrer Meinung nach steuerliche Möglichkeiten, wie der Staat die betroffenen Bürger entlasten könnte?

Mark: Steuerlich entlasten kann man nur die Bürger, die auch Steuern zahlen. Viele Rentner und Menschen mit geringem Einkommen zahlen keine Steuern. Man könnte sie jedoch mit der gleichen Inflationsprämie von 3000 Euro unterstützen, wie die Bundesregierung das aktuell für die Beamten vorgesehen hat. Hier gehen die Geringverdiener und Rentner wieder einmal leer aus. Das ist in meinen Augen nicht zu vermitteln.

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