Volkstrauertag - Bürgermeister Jens Geiß gedenkt trotz ausgefallener öffentlicher Veranstaltung der Opfer / Peter Mark erinnert an Anfänge des Sozialverbandes VdK

Oftersheims Bürgermeister gedenkt Opfern an Volkstrauertag

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zg
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Bürgermeister Jens Geiß ist anlässlich des Volkstrauertages auf dem Oftersheimer Friedhof. © Geiß

Oftersheim. Das Begehen des Volkstrauertages war eigentlich schon komplett vorbereitet gewesen – am Freitag sagte die Gemeinde angesichts rasant steigender Infektionszahlen dann die geplante Gedenkfeier am Ehrenmal des Friedhofs ab (wir berichteten). Bürgermeister Jens Geiß war dennoch auf dem Friedhof und gedachte im Stillen der Verstorbenen.

„In einem Jahr, im Jahr 2022, begehen wir den Volkstrauertag zum 100. Mal. Ich kann nicht sagen, ob die Menschen des Jahres 1922, die den Volkstrauertag erstmals begingen, sich vorstellten, welche Tradition sie seinerzeit begründeten. Damals wurde der Kriegstoten aus dem Ersten Weltkrieg gedacht. Damals standen Versöhnung und Verständigung im Mittelpunkt“, heißt es in der Rede von Bürgermeister Geiß, die er eigentlich gehalten hätte.

Ein Komitee, dem die großen Glaubensgemeinschaften und zahlreiche Verbände angehörten, setzte sich dafür ein, dass der Volkstrauertag in den meisten Ländern fortan gemeinsam begangen wurde. Während die Nazis aus dem Volkstrauertag einen „Heldengedenktag“ machten, wurde er in der Nachkriegszeit, nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, ab 1950 in seiner ursprünglichen Bedeutung wiedereingeführt.

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„Wir erinnern uns an den Zweiten Weltkrieg, der so viel Elend über die Welt brachte. 1941, also vor 80 Jahren, wurde der von Deutschland 1939 begonnene Krieg zum Weltkrieg. Im Mai 1941 wurden Griechenland und Jugoslawien besetzt, im Juni die Sowjetunion überfallen, im Dezember erklärte das Deutsche Reich den USA den Krieg“, schreibt Geiß weiter. Andererseits habe der Volkstrauertag immer auch aktuelle Bezüge. Mit zunehmendem Abstand vom Krieg sei es heute vor allem ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag der Versöhnung, Verständigung und für den Frieden.

„Wir können uns glücklich schätzen, dass wir seit dem 8. Mai 1945 in Deutschland in Frieden leben. Doch die Welt ist nicht frei von kriegerischen Auseinandersetzungen.“ Es vergehe kein Tag, an dem nicht in irgendeinem Land geschossen, gebombt und getötet werde.

Die Terroranschläge des 9/11 in den USA seien wie ein Auftakt für zahlreiche Anschläge in der Welt gewesen. Auch in deutschen und europäischen Innenstädten erschütterten diese Akte des Terrors. Mit dem Terror sei die Gewalt ganz nah in den Lebensalltag gekommen. Der Krieg finde nicht mehr nur auf fernen Schlachtfeldern statt, sondern direkt vor der Haustür.

Bürgerkrieg in Syrien

Geiß zählt noch weitere Kriege auf – den Bürgerkrieg in Syrien, die seit Jahrzehnten bestehenden Auseinandersetzungen in afrikanischen Staaten, der schier endlos scheinende Nahostkonflikt. „Wir, die wir diese Konflikte meist nur aus den Medien kennen, können uns sicher nur schwer vorstellen, was es bedeuten muss, die Heimat und die Existenz aufzugeben.“

Aber auch in der heutigen Zeit sei Unrecht an der Tagesordnung. Das gewaltsame Vorgehen diktatorischer Staaten gegen Bürger, die sich einer unrechtmäßigen und undemokratischen Politik widersetzen, sei auch eine Art von Krieg. Dazu zählen die Verfolgungen von Dissidenten und Journalisten in China, Russland, der Türkei und Belarus. „Nein, wir leben nicht in einer friedvollen Welt“, betont Geiß.

Er spricht auch die Menschen an, die in der Flutkatastrophe ihr Leben lassen mussten, und diejenigen, die durch Corona ihr Leben verloren haben – auch in Oftersheim. „Wir alle wissen und begreifen schmerzlichst, dass Gewalt und Tod wohl zum Leben dazu gehören.“

Dennoch könne man etwas dagegen tun. Geiß appelliert an die Solidarität mit Opfern, Betroffenen und Hinterbliebenen. Ein Gedenktag wie dieser solle außerdem auch daran erinnern, was Menschen unternehmen können, um Gewalt zu vermeiden. Alles, was helfen kann, Gewalt zu verhindern, sollte angedacht werden. Aber noch wichtiger sei es, mögliche Konflikte zu unterbinden. Verständigung bedeute die Kommunikation zwischen zerstrittenen Parteien, Staaten, bürgerlichen Gruppierungen oder feindlichen Lagern. „Nur wenn wir miteinander reden und uns austauschen, dann können wir Kompromisse finden, die beiden zerstrittenen Seiten gerecht werden.“ Neben der Solidarität sei es notwendig, den Betroffenen Hilfe anzubieten. Unterstützung gebe es in vielfältiger Weise. Als positives Beispiel nennt Geiß die Fluthilfe.

„Wir müssen uns gegen das Vergessen und Verdrängen stemmen und damit die liberale Demokratie bewahren. Sie ist der wichtigste Schutz gegen unfriedliche Entwicklungen. Unser Gedenken an den Krieg und seine Opfer ist verbunden mit dem Kampf um die Demokratie. Das sind wir den Opfern, aber auch uns selbst und unseren Nachkommen schuldig: für eine Zukunft in Frieden und Freiheit.“

Auch Peter Mark vom Sozialverband VdK hätte auf dem Friedhof eine Rede gehalten. „Die Kriegsgräber und Gedenkstätten für die Toten und Vermissten sind Orte der Trauer und zugleich der Erinnerungen“, heißt es darin. Der Gedenktag an die Toten sei eine Mahnung, aus der Vergangenheit Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen und danach zu handeln. Er erinnert insbesondere an die Millionen von unschuldigen Opfern der Kriege des 20. Jahrhunderts. An die Millionen von Menschen, die verwundet, verstümmelt, entstellt oder vertrieben wurden.

1,5 Millionen Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner standen 1946 vor dem Nichts. Sie hatten aber den Willen, sich zusammenzufinden und zu unterstützen. Sie legten vor 75 Jahren den Grundstein, aus dem der heutige Sozialverband VdK entstanden ist. „Daraus begründen wir unsere Verpflichtung, besonders am Volkstrauertag dieser Menschen und ihren Familien zu gedenken, um ihr Leiden und ihre Opfer im Gedächtnis zu bewahren“, schreibt er, um nur einen kleinen Teil der Rede zu zitieren. „Nur Solidarität, Versöhnung und Verständigung schaffen einen dauerhaften Frieden“, betont er zum Abschluss. zg

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