Oftersheim. Der neue Bürgermeister Pascal Seidel hat im zurückliegenden Jahr 2022 fast alles richtig gemacht. Die Wahl am 18. September hatte einen „tollen Ausgang für mich“, sagt Seidel. Der Diplom-Verwaltungswirt lebt mit seiner Frau Alexandra und den beiden Kindern Mia und Felix seit 2011 im Baugebiet „Am Biegen“. Vor dem bevorstehenden Jahreswechsel blicken wir mit dem Rathauschef zurück – vor allem aber auf 2023 voraus.
2022 neigt sich dem Ende zu. Was hat Ihnen das vergangene Jahr abverlangt?
Pascal Seidel: Mich haben zunächst in meiner Funktion als Ordnungsamtsleiter der Stadt Schwetzingen (Anm. der Red.: bis 31. Oktober) die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sehr beschäftigt, beruflich, aber auch persönlich emotional. Man wird sich wieder bewusst, wie meine Generation aufwachsen und leben durfte in einem bis dato friedlichen Europa. Darüber hinaus war es natürlich ein intensives Jahr 2022 mit einem knapp sieben Monate langen Wahlkampf, dem tollen Ausgang für mich und dem damit verbundenen Amtsantritt zum 1. November.
Sie haben im Februar entschieden, sich als Bürgermeister zu bewerben. Was war zu diesem Zeitpunkt Ihre Hauptmotivation?
Seidel: Die Entscheidung, zu kandidieren, fiel nicht von heute auf morgen, sondern es ging dieser natürlich ein langer Entscheidungsprozess voraus, bei dem meine Familie intensiv mit eingebunden war. Zur Hauptmotivation: Ich war jetzt seit 19 Jahren in der Schwetzinger Verwaltung tätig und habe mich schon immer auch für andere Themengebiete über meinen jeweiligen Aufgabenbereich hinaus interessiert. Mir war bereits früh klar, dass ich nicht der klassische „Verwalter“ bin, sondern gerne aktiv mitgestalten möchte – und deshalb das Amt des Bürgermeisters für mich immer eine Option war. Für mich stand aber auch immer fest, dass ich dieses Amt gerne in meiner Heimatgemeinde ausfüllen würde.
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Zwei Stellungnahmen des Gemeinderats haben im Sommer für Furore gesorgt. Welche Lehren kann man aus verschiedenen institutionellen Perspektiven daraus ziehen?
Seidel: Ich habe die Stellungnahme des Gemeinderates zur Zusammenarbeit mit meinem Vorgänger Jens Geiß seinerzeit nicht auf mich und meine Kandidatur bezogen, sondern vielmehr einen Anforderungskatalog für die Art und Weise der Zusammenarbeit von Gemeinderat und Bürgermeister für die kommende Amtsperiode herausgelesen, unabhängig von der Person des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin (Anm. der Red.: damals gab es mit Melanie Melchior noch eine Kandidatin). Die aktuellen und künftigen Herausforderungen können aus meiner Sicht nur gemeistert werden, wenn es zwischen dem Gemeinderat und dem Bürgermeister eine vertrauensvolle und sachorientierte Zusammenarbeit gibt. Ich möchte hierbei die unterschiedlichen Sichtweisen der Gemeinderäte aufnehmen, diskutieren und am Ende zu einer gemeinwohlorientierten, gemeinsamen Entscheidung führen. Nur so können wir gemeinsam das Beste für unsere Bürger erreichen und unsere schöne Gemeinde gemeinsam nachhaltig gestalten.
Haben die Resolutionen irgendeine Auswirkung auf Ihr operatives Tagesgeschäft als neuer Rathauschef?
Seidel: Nein, ich erledige die mir übertragene Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen, immer unter der Maxime, die beste Lösung für die Gemeinde zu erzielen. Diese Arbeitsweise war schon immer meine Richtschnur, auch wenn mir bewusst ist, dass es auch mal Entscheidungen geben wird, die Einzelne subjektiv betrachtet als negativ empfinden werden.
Sie hatten seit Anfang November eine intensive Anfangsphase und sind seit etwas mehr als 50 Tagen im Amt. Was sind Ihre wesentlichen Impressionen und wo steht die Gemeinde Ende 2022?
Seidel: Die ersten beiden Monate mit meinem Amtsantritt, Amtseinführung, vier Gemeinderatssitzungen inklusive der Amtseinführung, Ausschusssitzungen, Sitzungen der Zweckverbände sowie der Musik- und Volkshochschule waren in der Tat intensiv, aber dies war mir bewusst und keine Überraschung für mich. Toll waren die vielen Begegnungen mit Bürgern sowie die Gespräche mit den Kollegen der Verwaltung, wenngleich es mir leider noch gar nicht möglich war, alle Außenstellen zu besuchen. Aber das werde ich im Januar und Februar noch nachholen. Insgesamt nehme ich im Gemeinderat, der Verwaltung und der Bevölkerung eine positive Grundstimmung wahr, die es gilt, auch im Jahr 2023 fortzusetzen und mit guter, gemeinsamer Arbeit zu manifestieren.
Ein Ausblick auf 2023: Welchen Weg muss die Gemeinde Oftersheim einschlagen?
Seidel: Die Herausforderungen und Folgen aus dem Ukraine-Krieg werden uns auch im Jahr 2023 weiterbeschäftigen. Auch die Aufnahme von Geflüchteten, nicht nur aus der Ukraine, wird eine enorme Herausforderung für uns alle. Gleichzeitig stehen einige Entwicklungsthemen im Sanierungsgebiet an, bei denen wir 2023 die Weichen stellen möchten. Auch in Sachen Klimaschutz werden wir 2023 tätig werden, ich freue mich, dass mit Martin Hirning der Klimaschutzmanager zum 1. Dezember seinen Dienst angetreten hat. Wichtig wird es bei allen Themen sein, dass wir – Verwaltung, Gemeinderat und auch die Oftersheimer Bürger – gemeinsam an einem Strang ziehen.
Gerade im ersten Amtsjahr wird ein Bürgermeister auch an getätigten Aussagen im Wahlkampf gemessen. Spüren Sie diese gängige Erwartungshaltung?
Seidel: Diese Erwartungshaltung spüre ich. Die Oftersheimer sind da auch sehr direkt und fragen auch mal zu bestimmten Themen nach, was ich sehr gut finde. Ich wünsche mir eine offene Kommunikation der Bürger mit „ihrem“ Rathaus und natürlich mit mir. Nicht umsonst habe ich mir meine drei Schlagworte „Gemeinsam – nachhaltig – gestalten“ an die Wand meines Büros scheiben lassen.
Ein emotionales Thema ist der Namenswechsel von der Kurpfalzhalle in Roland-Seidel-Halle. Weder Ihr Vater noch Sie selbst hatten bei der Umbenennung Aktien drin. Dennoch: Wie kann ein solches Aufregerthema angemessen angepackt werden?
Seidel: Ich hatte es ja in der Kandidatenvorstellung thematisiert: Die Umbenennung einer Halle macht keinen Sinn, wenn sie nicht von der breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Und diese Wahrnehmung hatte ich im Verlauf meiner Infostände während des Wahlkampfes. Auch Menschen, die meinem Vater jegliche Anerkennung gönnen, hatten mit der Umbenennung so ihre Probleme. Aus diesem Grund werde ich natürlich meinen Worten auch Taten folgen lassen und die Umbenennung der Halle nochmals im Gemeinderat diskutieren lassen. Vielleicht lässt sich eine andere Lösung finden.
Haben Sie eine plausible Erklärung dafür, warum ein Rokokotheater in Schwetzingen sowie eine Seidel-Halle in Oftersheim für so viel Wirbel sorgen können?
Seidel: Ich kann hier nur mutmaßen. Möglicherweise wird bei einer Namensänderung einer bestehenden Institution die Gefahr gesehen, dass diese damit auch ihre Identität ein Stück weit verliert. Man hat nun aber bei den zwei vorliegenden Sachverhalten gemerkt, dass eine Namensänderung wohlüberlegt sein muss, auch was die Folgen beziehungsweise Reaktionen der Bevölkerung betrifft.
Von Ihnen stammt der Satz: „Kommunikation und Strukturen sind alles.“ Wie wollen Sie künftig für noch mehr Bürgerbeteiligung sorgen?
Seidel: Zunächst einmal gilt der Satz nach innen, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir nur dann gute Lösungen für die Bürger erzielen, wenn wir innerhalb der Verwaltung eine klare Struktur mit festgelegten Verantwortlichkeiten haben und gleichermaßen eine gute Kommunikationskultur, bei der die Kollegen mit- und ernst genommen werden. Wie bereits erwähnt, wird 2023 auch im Zeichen des Klimaschutzkonzeptes stehen. Hier ist es zwingend, dass die Bürger beteiligt werden, wenn man bedenkt, dass die öffentlichen Liegenschaften als solches lediglich für zwei Prozent der Treibhausemissionen in Oftersheim verantwortlich sind. Insofern möchte ich mit der Verwaltung selbst Vorbild sein, was Klimaschutz betrifft, aber wir müssen zwingend auch alle anderen Akteure – die Bürger, Gewerbe und Verkehrsteilnehmer – beteiligen und für die Themen gewinnen.
Haben Sie Beispiele für Partizipationsformen unterschiedlicher Zielgruppen?
Seidel: Im Bereich der Jugendbeteiligung bin ich der Auffassung, dass ein institutioneller Jugendgemeinderat (mit festgelegter zweijähriger Amtszeit) nicht mehr zeitgemäß ist, sondern sich Jugendliche eher projektbezogen beteiligen möchten. Ich möchte dies aber gar nicht vorgeben als Erwachsener, sondern auch hier sollen Jugendliche im neuen Jahr in der Form beteiligt werden, dass sie selbst eine künftige Beteiligungsform festlegen.
Klimaschutz- und Gemeindeentwicklungskonzept sind zwei zentrale Schlagworte und vor allem Aufgaben in Oftersheim. Was braucht Oftersheim diesbezüglich in naher Zukunft?
Seidel: Wir werden bei beiden Themen im nächsten Jahr und auch darüber hinaus intensive Gespräche führen und müssen dabei wie bereits erwähnt vor allem die Menschen mitnehmen. Wir benötigen dafür eine zukunftsgewandte gemeinsame Politik und gegebenenfalls auch den Mut, bisher gelebte Praxis neu zu denken.
Und was lieber nicht?
Seidel: Wir sollten nicht allzu viel Zeit damit verbringen, in die Vergangenheit zu blicken, sondern die Zukunft für uns und die nachfolgenden Generationen gestalten.
Es sind wegen der Corona-Pandemie, der massiven Energiekrise und dem unrühmlichen Krieg in der Ukraine harte Zeiten. Wie kann eine Gemeinde den Spagat zwischen berechtigten Sorgen der Bürger und sozialer Gerechtigkeit wie konkreter Unterstützung bewältigen?
Seidel: Ich kann schon nach wenigen Wochen feststellen, dass wir in Oftersheim einen enormen Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt haben. Ganz viele Ehrenamtliche sorgen in der Gemeinde dafür, dass es hilfebedürftigen Menschen besser geht. Ich denke hier beispielsweise an die Nachbarschaftshilfe, den Asylkreis und die Ehrenamtlichen von „TSV hilft“. Wir als handelnde Personen – Bürgermeister, Gemeinderat und Verwaltung – müssen die Rahmenbedingungen setzen, damit unser Oftersheim weiterhin so liebenswert bleibt, wie es ist. Das geht nur gemeinsam.
Ihre größte Hoffnung für das Jahr 2023?
Seidel: Grundsätzlich hoffe ich, dass dieser unsinnige Krieg in der Ukraine zeitnah beendet wird und auch die Corona-Pandemie mit all seinen Auswirkungen weiter abschwächt. Für Oftersheim wünsche ich mir, dass wir alle an einem Strang ziehen und die Herausforderungen des kommenden Jahres und darüber hinaus gemeinsam meistern.
Und Ihre schlimmsten Bedenken?
Seidel: Da ich ein positiv denkender Mensch bin, möchte ich zum Abschluss des Jahres 2022 gar keine „Bedenken“ äußern, sondern gehe fest davon aus, dass 2023 ein positives Jahr werden wird.
Hinter Ihrem Schreibtisch haben Sie Ihren Wahlkampfslogan „Gemeinsam – nachhaltig – gestalten“ an der Wand anbringen lassen. Erinnerung, Orientierungspunkt und Gedankenstütze zugleich?
Seidel: Ich habe das Büro von meinem Vorgänger Jens Geiß „eins zu eins“ übernommen und keine baulichen Veränderungen vorgesehen. Jedoch soll mich mein Wahlkampfmotto über den nächsten acht Jahre (und hoffentlich darüber hinaus) ständig begleiten und mir Richtschnur bei möglichen Entscheidungen sein. Der Schriftzug an der Wand erinnert mich jeden Morgen daran, wofür ich bei der Wahl angetreten bin, nämlich gemeinsam nachhaltig gestalten.
Bitte vervollständigen Sie drei Sätze: Meine Gedanken zum Jahreswechsel sind besonders bei . . .
Seidel: . . . allen Menschen, denen es aktuell aufgrund unterschiedlichster Umstände schlecht geht, sei es gesundheitlich, aufgrund der Auswirkungen von Kriegen oder finanziell.
Als Bürgermeister von Oftersheim will ich unbedingt . . .
Seidel: . . . die (mindestens) nächsten acht Jahre unsere schöne Gemeinde gemeinsam mit allen Akteuren nachhaltig gestalten.
Im privaten Kontext habe ich mir für 2023 vorgenommen, dass . . .
Seidel: . . . ich es endlich schaffe, wieder etwas regelmäßiger Sport zu treiben und die wenige verbleibende Zeit meiner Familie widme.
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