Oftersheim. Die Kommunalfinanzen für Oftersheim sinken weiter ab. Der Gemeinderat nahm in jüngster Sitzung Kenntnis vom Jahresabschluss 2024. Bürgermeister Pascal Seidel malte ein düsteres Bild von der derzeitigen Finanzsituation der Hardtgemeinde. Die Aussichten sähen aktuell nicht besser aus. „Die anhaltende Konjunkturschwäche und allgemein steigende Preise, hervorgerufen durch multiple Krisen in den vergangenen Jahren, gepaart mit einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land, bei stetig zunehmender Aufgaben- und Ausgabenlast, führt dazu, dass es mittlerweile fünf nach zwölf ist“, erklärte Seidel.
Die Alarmsignale der kommunalen Ebene würden bei Bund und Land immer noch nicht gehört, zitierte er den Präsidenten des Gemeindetages Baden-Württemberg, Steffen Jäger: „Die Kommunalfinanzen sind weiterhin in einer beängstigenden Talfahrt. Nach einem Defizit der baden-württembergischen Städte, Gemeinden und Landkreise von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2024 verzeichnen die Kommunen allein im ersten Quartal 2025 ein neues Minus von 2,4 Milliarden Euro. Das ist nicht mehr nur ein Warnsignal, sondern der Beweis für einen akuten Systemfehler.“
Schließungen von gemeindlichen Einrichtungen sind „noch nicht vorgesehen“
Noch sei keine Schließung von Einrichtungen wie Bibliothek, Jugendzentrum, Musikschule, Volkshochschule oder Bellamar vorgesehen, so Seidel. Sollte es aber nicht bald zu einer Änderung im „System“ der Finanzierung der kommunalen Ebene kommen, „werden diese Bereiche nicht mehr außen vor bleiben können“. Es wäre aber zu einfach, nur Land und Bund in die Pflicht zu nehmen, auch die Gemeinde müsse „Strukturen und Standards, die sich über viele Jahre und Jahrzehnte in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs aufgebaut haben, hinterfragen“.
Die vorgelegten Sparvorschläge seien von den Ratsmitgliedern gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Verwaltung in einer „konstruktiven, parteiübergreifenden Diskussion“ erarbeitet und im Verwaltungsausschuss vorberaten worden. Der Weg zu einer Verbesserung der Haushaltssituation sei auch mit Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden, richtete sich der Rathauschef direkt an die Sitzungsbesucher. Kämmereileiterin Sylvia Fassott-Schneider erläuterte den „eklatanten Verlust“ von 4,47 Millionen Euro für 2024. Das Minus liegt zwar um 404.000 Euro unter dem Planansatz, jedoch fällt das Gesamtergebnis unter Berücksichtigung des Sonderergebnisses um gut 880.000 Euro schlechter aus als geplant.
Höhere Erträge wurden sowohl im Bereich der Steuern als auch der privat- und öffentlich-rechtlichen Entgelte erzielt. In diesem Bereich liegen die Gesamterträge fast 545.000 Euro über dem Planansatz. Bei den Aufwendungen tragen geringere Personalaufwendungen, nicht abgerufene Zuweisungen an die Zweckverbände und eingesparte Kreditzinsen zum besseren Jahresergebnis von 86.000 Euro bei.
Keine Rekorderträge mehr, Steuern sind die Haupteinnahmequelle
Die Gewerbesteuer konnte trotz eines deutlichen Plus von 174.000 Euro nicht mehr an die Rekorderträge der letzten Jahre heranreichen. Die Vergnügungssteuer jedoch erzielte den bisher höchsten Wert und liegt um knapp 82.000 Euro über dem Ergebnis von 2023. „Die eigenen Steuern sind unsere Haupteinnahmequelle“, meinte Fassott-Schneider. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer fällt um gut 73.000 Euro geringer aus, die Schlüsselzuweisungen reduzieren sich um fast 282.000 Euro. Die öffentlich-rechtlichen Entgelte liegen wieder über dem Haushaltsplan. Insbesondere die Verwaltungsgebühren und die Krippenbeiträge sind gestiegen. Die privatrechtlichen Erträge verzeichnen ebenfalls deutlich höhere Erträge. Eine Erhöhung der Mieten in den kommunalen Wohngebäuden zum 1. Juli 2024 führte ebenso zu Mehreinnahmen wie die Anhebung der Nebenkostenvorauszahlungen infolge gestiegener Bewirtschaftungskosten.
Die Kämmereileiterin erläuterte die deutlichsten Abweichungen. Der Rechenschaftsbericht liegt ab Montag öffentlich aus, die Bürgerinnen und Bürger können sich die Zahlen über Investitionen, Umlagen und Rückzahlungen gerne erklären lassen. „Viele Investitionen werden zwar geschoben, kommen aber dennoch mittelfristig zum Tragen. Einsparungen sind bis dato lediglich in begrenztem Umfang bei den freiwilligen Aufgaben möglich. Standards werden sinken, auf manch Liebgewonnenes wird verzichtet werden müssen“, so die abschließende Hiobsbotschaft des Rechenschaftsberichts.
Für Dr. Tobias Ober (FWV) ist das schlechte Ergebnis „eine erhebliche Belastung für unseren Gemeindehaushalt und zwingt uns, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen“. Die Ursachen für das Defizit lägen „in einer Kombination aus allgemeinen Kostensteigerungen“ sowie „in der Vielzahl von Aufgaben, die der Gemeinde in den letzten Jahren durch übergeordnete Ebenen übertragen wurden“. Eine Finanzierung durch Bund und Land sei nicht gegeben, was die kommunale Handlungsfähigkeit erheblich einschränkt. Die Gemeinde sei gezwungen, „eine Vielzahl von Maßnahmen zu ergreifen, um gegenzusteuern und die Finanzlage zu stabilisieren“. Er nannte als Beispiele die Anpassung von Gebühren und Steuern sowie die Prüfung „sämtlicher freiwilliger Leistungen auf ihre Notwendigkeit und Effizienz“. Die aufgeführten Einsparungen seien aber „vor allem Verschiebungen von Investitionen“, die früher oder später die nachfolgenden Haushalte belasten dürften. Dr. Ober bat um Verständnis für die Maßnahmen und den damit verbundenen Weg der Haushaltskonsolidierung. Man habe mit großer Sorgfalt abgewogen. Es dürfe weder gemeindeeigenes Personal entlassen noch Mieter aus bestehenden Mietverhältnissen gekündigt werden. Eine Reform der Gemeindefinanzierung sei „dringender denn je“, nahm er für die Freien Wähler den Jahresabschluss 2024 zur Kenntnis.
„Weitere Haushaltskonsolidierungen sind nötig“
Die Gründe für das schlechte Ergebnis seien vielfältig, „haben sich jedoch bereits in den letzten Jahren sukzessive abgezeichnet“, meinte die CDU-Fraktionsvorsitzende Annette Dietl-Faude. Die eindeutige Ansage der Kommunalaufsicht habe Oftersheim zum Handeln gezwungen. Den ersten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung müssten noch weitere folgen: „Und das mit gezieltem Blick auf die bevorstehende Investitionstätigkeit der Gemeinde, im Besonderen in puncto Klimaneutralität, Ertüchtigung der kommunalen Gebäude und Straßen und der kommunalen Gesamtverantwortung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern.“ Eine Überprüfung und Anpassung der Personalstandards in den öffentlichen Einrichtungen, Kindergärten und Tagesstätten sei ebenfalls zwingend notwendig. Nahezu jahrzehntelang habe man „einen überdurchschnittlich hohen Standard gepflegt“. Dabei sollten aber keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden: „Ziel muss sein: Optimierung – keine Entlassungen!“. Nur das Wichtigste und Nötigste werde noch zu realisieren sein, warb die Fraktionssprecherin um Verständnis bei der Bürgerschaft. Es bleibe nur zu hoffen, „dass sich die konjunkturelle Lage wieder stabilisiert“.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Rüttinger erkannte „strukturelle Probleme der Kommunen, die am finanziellen Tropf von Land und Bund hängen“. Den Kommunen würde immer mehr aufgebürdet, „ohne eine adäquate und dauerhafte finanzielle Entlastung“. Wegen der Umstellung der Kameralistik auf die Doppik, müsste man jetzt für jede getätigte Investition die Abschreibung erwirtschaften: „Aus meiner Sicht völliger Schwachsinn.“ Trotz geschobener Investitionen dürfe die Infrastruktur nicht vernachlässigt werden. Die Vorschläge der Verwaltung zu Einsparungen oder Einnahmeverbesserungen seien zu „besten Kompromissen“ verarbeitet worden. Dringend angeraten sei eine Reduzierung der Kostenbeteiligung für das Bellamar. Beim Verkauf gemeindeeigener Immobilien müsse man Ertrag und Nutzen gut abwägen.
Keine Überraschungen und Geburtenrückgang
Für den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Patrick Schönenberg war der Jahresabschluss 2024 keine Überraschung: „Viel zu lange haben wir in Oftersheim über unsere Verhältnisse gelebt und uns blenden lassen von einer guten Konjunktur und hohen Zuwendungen vom Land.“ Schließlich hätten die Grünen bereits 2020 eine Haushaltskommission beantragt, die sich mit der Ausgaben- und Einnahmenseite der Gemeinde befassen sollte. Seine Fraktion sei immer wieder mutig gewesen, auch unpopuläre Dinge in den Rat einzubringen, etwa den Antrag auf Mieterhöhungen oder die Reduzierung von Mitteln für Repräsentationen. Auch im Kommunalwahlkampf habe man sich nicht gescheut, eine Erhöhung der Steuern und Abgaben zu fordern. Andere Ratsmitglieder seien aus wahlkampftaktischen Gründen dagegen gewesen. Die Geburten in Oftersheim gingen zurück – und das bei einem Überangebot an Kindergartenplätzen. So fragte Schönenberg, ob tatsächlich alle Krippen und Kindergärten nötig seien. Das Bellamar aufzugeben, sei „derzeit keine Option“. Die Eintrittspreise nach oben zu schrauben, sei ebenso wenig zielführend. Das Freizeitbad müsse aber wirtschaftlicher betrieben werden.
Carmen Kurz-Ketterer (FDP) dankte der Kämmerei für die Zahlen. Trotz des schlechten Ergebnisses sollte man „optimistisch bleiben“, die richtige Strategie überdenken und weiter gemeinsam an Lösungen arbeiten. Die Aufgaben seien lediglich auf später verschoben. Derzeit dürften nur dringend notwendige Investitionen dran sein, um die Zukunft der Gemeinde ertragreicher gestalten zu können.
Frank Weiß (FWV) berichtete kurz über die jüngste Kreistagssitzung vom Nachmittag. Bei der Feststellung der Jahresabschlüsse 2024 war auch die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen Thema gewesen. Ein Blick in den Rechenschaftsbericht des Kreises zeigt: Zum Ende des vergangenen Jahres lag die Verschuldung bei insgesamt 109 Millionen Euro. Die Kenntnisnahme des kommunalen Abschlusses für Oftersheim war einstimmig.
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