Plankstadt. Am zweiten Prozesstag gegen eine 27-Jährige aus Plankstadt, der die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorwirft, hörte die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim die Aussagen von mehreren Polizeibeamten. Die Anklage geht davon aus, dass die im selbst identifizierten weiblichen Geschlecht lebende Transfrau ihre Mutter und ihren Bruder mit einem Messer verletzt und sich währenddessen selbst in den Bauch gestochen hat.
Polizeibeamte schildern Ermittlungen und Beweise
Ein 32-jähriger Beamter des Kriminaldauerdienstes schilderte die Ermittlungen nach der Bluttat in dem Mehrfamilienhaus in Plankstadt. Die 27-Jährige sei nach geäußerten Suizidabsichten nach der Notoperation in das Psychiatrische Zentrum Nordbaden nach Wiesloch gebracht worden. Sie sei „sehr weinerlich“ gewesen und habe über Schmerzen geklagt. Sie habe „einen Fehler begangen“, habe sie den Beamten mitgeteilt und sich darüber gefreut, während der Vernehmung als Frau angesprochen worden zu sein.
Ein 55-jähriger Kriminalbeamter, der mit der Spurensicherung befasst gewesen war, ging auf die umfangreiche Dokumentierung der Beweise ein. Das Schwurgericht unter dem Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz nahm dazu Lichtbilder in Augenschein. Die Kellerwohnung und das Treppenhaus sowie die elterliche Wohnung im Erdgeschoss waren von Blutspuren übersät gewesen. Auch im Freien vor dem Haus, wohin sich die schwerverletzte Mutter geflüchtet hatte, zeigten sich den Einsatzkräften viele Blutflecken. Die Ermittler hätten auch ein Messer gefunden, dessen verbogene Klingenspitze wohl durch „massive Gewalteinwirkung“ zustande gekommen sei.
Vater und Freundin der Beschuldigten im Fokus
Ein 45-jähriger Polizeibeamter hatte den Vater und die Freundin der Beschuldigten vernommen. Außerdem waren bei den Ermittlungen Handys beschlagnahmt und ausgewertet worden. Der Vater sei zur Tatzeit am späten Vormittag an seiner Arbeitsstelle gewesen, habe aber später Angaben zu der Beschuldigten gemacht. Für die Tat sollte es eine Strafe geben, „die er verdient“, hätte der Vater gesagt.
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Dass sich der 27-Jährige als Frau sieht, sei für den Mann „überraschend gewesen“. Er habe wenig mitbekommen, weil die Familie Vieles von ihm ferngehalten habe. Zu Streitigkeiten innerhalb der Familie könne er nichts sagen, auch nicht zum eventuellen Cannabiskonsum der 27-Jährigen. Am Spieleabend zwei Tage zuvor sei sie allerdings „komplett verwirrt“ gewesen. Die Freundin der Beschuldigten sei als „wichtige Person“ vernommen worden, so der Ermittler. Die Beziehung zu der Angeklagten soll harmonisch gewesen sein. In der Nacht vor der Tat sollen die beiden zusammen gewesen sein.
Bruder der Angeklagten stellt Chat-Protokoll zur Verfügung
Der Vorsitzende verlas ein vom Bruder zur Verfügung gestelltes Chat-Protokoll aus jener Nacht. Die Familie erwarte „bei jedem Wandel ein Worst-Case-Szenario“, heißt es darin. „Das System funktioniert nicht mehr“, soll die Angeklagte geschrieben haben: „Ich finde meinen Weg und es ist nicht der eure.“ Und es sei „doch kein Problem, eine Schwulette zu sein“.
Die Bodycam-Aufnahmen von zwei Polizeibeamten zeigen die Situation unmittelbar nach der Tat. In der Kellerwohnung sind mehrere Einsatzkräfte zu sehen. Die 27-Jährige wird auf dem Video angesprochen und von Notärzten versorgt. Auf die Frage der Polizisten, was denn passiert sei, kommt die schwache, weinerliche Antwort: „Ich habe mich selbst gefickt, ich habe keinen Ausweg gewusst und will eine Anklage gegen mich selbst.“ Der Kriminalbeamte berichtete, dass die Beschuldigte zum Thema Suizid im Internet recherchiert habe. Sie suchte mit Schlagworten, unter anderem auch mit dem Begriff „As I Lay Dying“ – der Titel eines 1930 veröffentlichten Romans von William Faulkner und Name einer 2000 gegründeten US-amerikanischen Metalcore-Band.
Der Prozess wird am Dienstag, 27. Mai, um 9 Uhr mit dem Bericht der Rechtsmedizin und dem psychiatrischen Gutachten fortgesetzt. Eventuell folgen dann vor der Strafkammer des Landgerichts Mannheim schon die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
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